Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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4. Fastensonntag: "... an den Heiligen Geist..."

Lesung:

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;  die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser

Gen 1, 1+2

 

Evangelium:

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll.
Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

Joh 14, 16-17.26

 

Predigt:

Liebe Gemeindemitglieder,

jetzt wird’s im wahrsten Sinne des Wortes „un-fassbar“.

In unserer Predigtreihe in der Fastenzeit und zu Ostern betrachten wir ja in Abschnitten das so genannte „Apostolische Glaubensbekenntnis“. Nochmals kurz zusammengefasst:

Am 1. Fastensonntag hat sich Pfarrer Reinhold Hübschle mit der Entstehungsgeschichte dieses Glaubensbekenntnisses im 5. Jahrhundert befasst und mit der grundlegenden Frage: Was bedeutet es, wenn ich sage „ICH GLAUBE“.

Am 2. Fastensonntag hat dann Pastoralreferentin Angelika Böhm den Blick auf unser Gottesbild gelenkt – ich glaube AN GOTT, der im Glaubensbekenntnis auch „Vater“ genannt wird – wie können wir diese Aussage für uns verstehen?

Letzten Sonntag, also am 3. Fastensonntag, folgte der Sohn dem Vater. „Ich glaube an Jesus Christus“. Pastoralreferent Björn Held hat mit uns die Bedeutung dieser Sohnschaft für uns betrachtet.

Wir hatten Gott, den Vater, den Sohn – und nun ist heute der Heilige Geist Thema. Und mit dem tun wir uns nicht eben leicht. Er ist und bleibt im wahrsten Sinne des Wortes un-fassbar; nicht von ungefähr verwendet die Autoren in der Bibel so gerne Bilder, um den Heiligen Geist zu umschreiben, zum Beispiel die Taube bei der Taufe Jesu im Jordan, oder die Feuerzungen beim Pfingstereignis.

Ja, dieser Heilige Geist. „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ – so sprechen wir ganz selbstverständlich, wenn wir das Kreuzzeichen machen.

Vater, Sohn und Heiliger Geist – das ist die Lehre von der Trinität, der Dreifaltigkeit. Damit ist gemeint, dass Gott sich in drei Personen „entfaltet“ – oder, wie wir in einem Lied aus dem Gotteslob singen, „den wir in drei Personen ehren“. Und hier lauert auch bereits eine Falle auf uns.

Bei Kindern erlebe ich gelegentlich, dass es, wenn wir das Kreuzzeichen üben, in folgende Denkrichtung geht: Gott, der Vater – klar, einen Vater kennen wir und können wir uns vorstellen, ebenso Jesus Christus, der Sohn – das passt. Aber dann der Heilige Geist – hmm, eine Art Gespenst vielleicht?

Das liegt sicher –auch- daran, dass der Heilige Geist hier neben einem Vater und einem Sohn wie eine dritte menschenartige Person gedacht wird – wenn aber bei der der Lehre von der Dreifaltigkeit von einer „Person“ die Rede ist, dann ist damit gerade NICHT das gemeint, was wir heute unter „Person“ verstehen; es handelt sich vielmehr um ein philosophisches Denkmodell.

Was tatsächlich mit „Heiligem Geist“ gemeint ist, klingt bei uns eher schon an in Worten wie „be-geistert“ oder „geist-reich“.

Gehen wir also weg vom „wer ist der Heilige Geist“ hin zu einem „was ist der Heilige Geist“ – und auch zum „wie ist der Heilige Geist“.

In diesem Zusammenhang wird es übrigens interessant, wenn wir einen Blick auf das Alte Testament werfen. Wir haben heute in der Lesung den Anfang des Buches Genesis gehört, wo es heißt: „und Gottes Geist schwebte über der Urflut“. Dieser „Geist Gottes“, „ruach elohim“, wie im Original steht, ist tatsächlich - weiblich!

Nicht ein männlicher Gott mit einem männlichen Geist ist da in den allerersten Zeilen der Bibel zugange – vielmehr etwas, was man vielleicht mit „die Geistkraft Gottes“ übersetzen könnte.

Nur als kurzes Gedankenspiel: Überlegen Sie sich einmal in einer ruhigen Minute, welche Attribute, welche Eigenschaften Sie mit „weiblich“ verbinden, und dann stellen Sie sich mal unseren Heiligen Geist mit all diesen weiblichen Eigenschaften vor!

Aber wieder zurück zur Ausgangsfrage: Was ist nun dieser Heilige Geist, dieser Geist Gottes?

Das hebräische Wort „ruach“ bedeutet zunächst Wind, Atem, Hauch – es hat einen lautmalerischen Ursprung. In Verbindung mit Gott bildet es also den Atem Gottes.

Dieser Atem Gottes, dieser Lebensatem, kann zunächst einmal ganz biologisch verstanden werden. In der Bibel finden wir viele Darstellungen dieser beiden Aspekte menschlichen Seins: das Fleisch oder der Leib einerseits, der Geist andererseits. Und ohne Atem ist nun einmal dieses Fleisch ohne Leben, auf den Tod hin verwiesen.
Sie kennen die Geschichte: Im zweiten Schöpfungsbericht der Bibel formt Gott den Menschen aus Erde und bläst ihm seinem Atem ein.

Aber dieser Atem Gottes, dieser Lebensatem, dieser Geist, ist noch viel mehr als eine Art Sauerstoff-Kohlenstoff-Gabe.
In der französischen Sprache wird der Geist mit „esprit“ übersetzt – ein Begriff, der auch in unserer deutschen Sprache Einzug gehalten hat.

Dieser Begriff beinhaltet für mich etwas an Lebendigkeit, an Bewusstsein, das über ein bloßes physisches Leben weit hinausgeht. Hier geht es um einen Esprit, einen Geist, der mich bewegt, der mich antreibt, der mich lebendig macht. Genau so steht es übrigens auch im auch im zweiten, ausführlicheren, so genannten Großen Glaubensbekenntnis, dem Nicäno-Konstatinopolitanum. Da heißt es nämlich: „Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht“.

Und wenn dieser lebendig machende Geist dann als „heilig“ bezeichnet wird, so soll damit nicht ausgedrückt werden, dass dieser Geist für uns unfassbar und ferne von uns ist. Das Gegenteil ist der Fall: der Begriff „heilig“ verweist darauf, dass hier eine unmittelbare Beziehung zum Urgrund unseres Seins, zu der liebenden Schöpfungsmacht, die wir Gott nennen, besteht.

In seinem Buch „Credo – Ein Glaube der alle verbindet“ formuliert David Steindl-Rast als Schlussfolgerung hieraus: „An den Heiligen Geist zu glauben heißt, auf unsere innerste Verbundenheit mit dem lebendige Gott zu vertrauen und entsprechend zu leben.“

Und an anderer Stelle fasst er zusammen: „Worum es in diesem Glaubenssatz geht, ist nicht ein Fürwahrhalten, dass es eine ‚göttliche Person‘ gibt, die Heiliger Geist heißt. Es geht vielmehr um ein gläubiges Sich-verlassen auf das Leben in uns, das letztlich Anteilnahme an der göttlichen Lebendigkeit ist“.

Das klingt zunächst großartig. Jedoch: wir werden nicht uns immer und ständig bewusst sein, dass dieser Geist Gottes in uns am Werk ist. Nicht immer und ständig werden wir ein inneres Feuer verspüren, das Gefühl haben, dass wir teilnehmen an der göttlichen Lebendigkeit. Ich zumindest könnte das von mir nicht einfach so behaupten.

Aber – wie war das mit dem Atem? Ist Ihnen ständig bewusst, dass Sie ein- und ausatmen? Jetzt in diesem Moment, wo ich davon spreche, bestimmt, aber grundsätzlich? Bestimmt nicht! Und doch vertrauen wir alle darauf, dass dieser Atemmechanismus funktioniert.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass es uns gelingt, ebenso darauf zu vertrauen, dass Gottes Geist unaufhörlich in uns am Werk ist und wir somit sozusagen ständig in einer unmittelbaren Beziehung zu Gott leben.

Dieser Wunsch findet seinen Ausdruck auch in einem Gebet, welches dem heiligen Augustinus zugeschrieben wird:

Atme in mir, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges denke.

Treibe mich, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges tue.

Locke mich, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges liebe.

Stärke mich, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges hüte.

Hüte mich, du Heiliger Geist,
dass ich es nimmer verliere.

Amen.

© B. Vallendor, 2012

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format