Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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2. Fastensonntag: "... an Gott..."

Lesung

Dann segnete Gott Noach und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, vermehrt euch und bevölkert die Erde!
Furcht und Schrecken vor euch soll sich auf alle Tiere der Erde legen, auf alle Vögel des Himmels, auf alles, was sich auf der Erde regt, und auf alle Fische des Meeres; euch sind sie übergeben.
Alles Lebendige, das sich regt, soll euch zur Nahrung dienen. Alles übergebe ich euch wie die grünen Pflanzen.
Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, allen Wesen aus Fleisch auf der Erde.
Und Gott sprach zu Noach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde geschlossen habe.

Gen 9, 1-3.16-17

 

Evangelium

Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne.Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf.
Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.
Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht.
Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um.
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.
Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an.
Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein.
Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.
Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz.
Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle.
Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu.
Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein.
Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Lk 15, 11-32

 

 

Predigt

 â€žâ€¦ an Gott, den Vater, den allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“

Liebe Gemeinde,

vielleicht ist manchen von Ihnen während der Schulzeit das folgende Gedicht von Rainer Maria Rilke begegnet – ein Werk, in dem der Dichter in seiner frühen Schaffenszeit seine Sehnsucht nach dem Göttlichen zum Ausdruck bringt:

„Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre

verstummte – und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen –
dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie ein Dank.“

( aus: David Steindl-Rast, Credo, Seite 59)

 Rainer Maria Rilke – geboren 1875 in Prag – ist sein Leben lang auf der Suche gewesen: nach Wahrheit, nach Sinn und nach sich selbst.

Er ist viel herumgereist in der Welt – getrieben von der Sehnsucht, Gewissheit zu finden, wie das ist mit unserem menschlichen Leben und mit Gott.

Der junge Rilke zumindest hat es für möglich gehalten, Gott zu ahnen – in seinen Worten:  â€žzu besitzen“ -  allerdings nur „ein Lächeln lang“.

Er meint damit wohl Glücksmomente, kleine kostbare Augenblicke, in denen wir Menschen dem Göttlichen begegnen.

Und: Das geschieht immer dann, wenn wir Menschen still werden:

„Wenn es nur einmal so ganz stille wäre,…“

Haben Sie selber schon einmal das Gefühl oder womöglich die Sicherheit in Ihrem Herzen gehabt, dass Gott tatsächlich da ist?

Oder anders gefragt:

Können Sie ganz selbstverständlich und voller Vertrauen sagen:

„Ich glaube. Ich glaube an diese Wirklichkeit, die wir „Gott“ nennen?“

Rainer Maria Rilke mag Ihnen bei Ihrer Gottes-Suche an der Seite sein.

Oder tut Ihnen dabei vielleicht eher ein Wissenschaftler gut?

Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow – 1908 in New York geboren – hat in seinen wissenschaftlichen Studien festgestellt, dass wir Menschen  â€žGipfelerlebnisse“ haben können und meint damit: Situationen in unserem Leben, in denen wir Menschen uns ganz lebendig fühlen und durchströmt von einem wärmenden Vertrauen. Die Frauen und Männer, mit denen Maslow seine psychologischen Studien gemacht hat, haben immer wieder übereinstimmend erzählt, dass sie sich in solchen Erlebnissen wie eingebunden in ein großes Ganzes gefühlt haben.

Gleichzeitig ist Abraham Maslow  in seinen Studien auch der Frage nachgegangen, welche Grundbedürfnisse befriedigt sein müssen, damit ein Mensch psychisch gesund ist und sein eigenes Leben als geglückt empfindet. Und der Psychologe hat diese Grundbedürfnisse von uns Menschen in einer „Bedürfnispyramide“ zusammengefasst.

Demnach gehören zu diesen grundlegenden Bedürfnissen eines Menschen Essen und Trinken, materielle und berufliche Sicherheit, das Bedürfnis nach Freundschaft und Liebe, nach Anerkennung und Geltung. Und die Spitze der Pyramide bildet schließlich das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung:

Sich selber finden, selbst-bewusst sein und ganz bei sich selber – das ist nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Abraham Maslow die höchste Stufe des Glücks und psychischer Gesundheit, die wir Menschen überhaupt erreichen können.

Genau das sind sie aber – diese „Gipfelerlebnisse“, in denen wir Menschen alles, was ist, als gut und schön erleben.     

Was Abraham Maslow hier als Psychologe beschreibt, haben glaubende Frauen und Männer in allen Religionen und zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte als „mystische Erfahrungen“ oder „Erfahrungen mit Gott“ beschrieben.

Und dazu gehören auch all die Männer und Frauen, die in unseren christlichen Kirchen schon vor uns und aufgrund solcher „Gipfelerlebnisse“ überzeugt sagen konnten:

 â€žIch glaube. Ich glaube an Gott!“

 Hugo von St.Viktor beschreibt im 12.Jahrhundert n.Chr. seine Begegnung mit dem Göttlichen mit diesen Worten:

 â€žEs jubelt das Gemüt, es erhellt sich der Geist,
das Herz wird erleuchtet, die Sehnsüchte werden erfüllt.
Schon sehe ich mich anderswo und ich weiß nicht wo
Und ich empfinde in meinem Innern gleichsam die
Umarmungen der Liebe,
weiß aber nicht, was es bedeutet,
bemühe mich indes, es festzuhalten und niemals mehr zu verlieren.“

( aus: Pierre Stutz, Verwundet bin ich; Seite 26)

 

Und die große Mystikerin Edith Stein sagt es im 20. Jahrhundert so:

 â€žEs besteht die Möglichkeit, mehr oder weniger zu sich selbst zu kommen. Und es besteht auch die Gefahr, sich selbst zu verlieren.

Denn wer nicht zu sich selbst gelangt, der findet auch Gott nicht.

Oder richtiger noch: Wer Gott nicht findet, der gelangt auch nicht zu sich selbst – mag er auch noch so sehr mit sich selbst beschäftigt sein...“

( aus: Pierre Stutz, Verwundet bin ich; Seite 127)

Ganz offensichtlich sind mystische Menschen genau jene, die solche „Gipfelerlebnisse“ gehabt haben und die dann versuchen, in Worte oder in Bilder zu fassen, wie sich das anfühlt, wenn wir Menschen den „Gipfel“ im Leben mit Gott erreichen:

Im höchsten Erleben kommen diese Männer und Frauen ganz zu sich selber, sie sind ganz im Glück und fühlen sich in Liebe eingebunden in ein großes Ganzes.

Maslow beschreibt solche Menschen als besonders leistungsfähig, besonders schöpferisch und besonders widerstandsfähig – Frauen und Männer, die dann auch ganz selbst-bewusst sagen können:

„Ich glaube an Gott!“ – und dieses Bekenntnis verbindet alle Glaubenden in unserer ganzen Menschheitsfamilie!

Auf ganz herausragende Weise selbst-bewusst und voller Vertrauen zu unserem Gott ist Jesus gewesen – und er hat sich das Gleichnis vom Vater und seinen 2 Söhnen ausgedacht, damit wir Menschen uns ein Bild machen können, wie Gott ist.

Lukas hat dieses Gleichnis in seinem Evangelium aufgeschrieben – viele von Ihnen kennen es sicher, und wir haben es vorher gehört.

Die mystischen Erfahrungen, die Jesus mit unserem Gott gemacht hat, haben ihn ganz offensichtlich dazu gebracht, dass er den Gott seines Volkes Israel „Vater“ nennt: „abba“

Und so wird mit Jesus der Bundesgott Jahwe in unseren christlichen Kirchen zum Vater-Gott.

Und zum Bild vom „Regenbogen“ als Zeichen der Verbundenheit von Gott mit uns Menschen im Alten Testament, kommt im Neuen Testament das Bild von „Gott als Vater“, der seine Söhne und Töchter liebt, dazu.

Ganz offensichtlich hat Jesus unseren Gott in seinen „Gipfelerlebnissen“ als ein Du erfahren – als ein Geborgensein in einer Macht, die für uns Menschen alles zum Guten wendet. So zumindest erlebt es der zurückgekehrte Sohn in unserem Gleichnis.

Und so verkündet es auch Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern und uns Menschen bis heute:

„An Gott glauben“ – im Sinne Jesu – bedeutet:

 Sich geborgen fühlen in einer grenzenlosen Liebe!

 Die christlichen Kirchen haben in ihrem Glaubensbekenntnis daraus den Satz gemacht:

 â€žIch glaube an Gott, den Vater, den allmächtigen.“

 Mit dieser Formulierung aber ist im Laufe der Geschichte unserer christlichen Kirchen der Gedanke immer mehr verloren gegangen, dass diese Gottesanrede „abba“- „Vater“  - ein Bild ist für das innige Verhältnis, das Jesus zu unserem Gott gehabt hat.

 Und  unser christliches Gottesbild hat dann – vielleicht teilweise auch ganz unbewusst – immer mehr männliche Züge  bekommen.

 Gott ist nicht mehr wie eine väterlich sorgende, liebende Schöpfungsmacht verstanden worden, sondern als der Vater!

Der allmächtige Herr-Gott hat sich in den Köpfen und Herzen der Menschen festgesetzt und als Welten-Herr und Welten-Richter hat er oft all zu männlich über die Welt regiert.

Das ist dann soweit gegangen, dass in nicht wenigen Schlafzimmern noch vor 60 oder 70 Jahren ein großes Bild von einem Vater-Gott mit wallendem Bart an die Wand gehängt wurde.

 Ich kann mir gut vorstellen, dass viele von Ihnen, hier, in unserem Gottesdienst, sich ganz geborgen fühlen, wenn Sie sich unseren Gott als „allmächtigen Vater“ vorstellen. Dann tun Sie das einfach auch weiterhin!

Allerdings habe ich als Seelsorgerin auch die Erfahrung gemacht, dass wir Christinnen und Christen achtsam und sensibel sein sollten, wenn wir von Gott als dem „allmächtigen Vater“ sprechen.

Sind Sie schon einmal einer Frau begegnet, die von ihrem Vater oder Stiefvater oder von ihrem Mann immer und immer wieder geschlagen oder vergewaltigt wurde?

Ich habe mehrere solcher Frauen in meiner Praktikumszeit in einem Frauengefängnis kennengelernt, die dann irgendwann mit einem Messer – oder wie auch immer -  diesen Qualen ein Ende bereitet haben.

Diese Frauen brauchen andere Bilder von Gott!

Und es ist ganz im Sinne Jesu, wenn wir unseren Gott auch einfach „die Liebe“ nennen. Göttliche Allmacht ist keine ins unermessliche gesteigerte menschliche Macht, sondern macht-volle Liebe, die uns Menschen nicht ent-machtet oder zwingt, sondern er-mächtigt, selber zu lieben.

Göttliche Allmacht ist in diesem Sinne nicht über-mächtig, sondern eher letzt-mächtig: Das macht-volle Lieben!

 Die Theologin Ina Praetorius spricht von Gott als dem „ewigen Dabei-Sein“, oder vom „einen Geheimnis hinter allen und allem“.

 Mich berühren solche Gottesbezeichnungen viel mehr als die Formulierungen im Glaubensbekenntnis.

 Und mein erster Satz in unserem Glaubensbekenntnis würde heißen:

 â€žIch glaube an das Göttliche, an die Macht der Liebe, die alles ins Dasein gebracht hat, was geworden ist.“

 

Liebe Gemeinde,

 â€žCredo“ –

 Ich glaube daran, dass wir Menschen unseren Gott in unserem Leben als liebende und letzt-mächtige Kraft  in seltenen Glücksmomenten – in den „Gipfelerlebnissen“ –  auch heute noch ahnen können.

 Und ich wünsche Ihnen allen solche „mystischen Erfahrungen“:

In der Stille – oder wie auch immer!

Ich bin mir sicher:

Diese Erfahrungen sind das wertvollste für uns Menschen in unserer Beziehung zu Gott – viel wertvoller als das Für-Wahr-Halten von einzelnen Glaubenssätzen im „Credo“.

 Noch einmal Rainer Maria Rilke und seine schönen Verse, die von seiner Sehnsucht nach Begegnung mit dem Göttlichen erzählen:

 â€žâ€¦.dann könnte ich… dich besitzen (nur ein Lächeln lang)
um dich an alles Leben zu verschenken
wie ein Dank.“

Amen.

 Â© A. Böhm, 2012

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.