Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

PfarrbĂĽro der Seelsorgeeinheit
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Karfreitag

Predigt am Karfreitag 2011 – als Unterbrechung der Passion

I        „gefesselt“

 (nach: „…der in jenem Jahr Hoherpriester war.“)

 Jesus – gefangen – gefesselt – wehrlos.

Die Mächtigen schlagen zu – Gewalt bestimmt das Denken und Handeln.

Warum ein solcher Hass? Warum bringen Menschen andere gewaltsam zum Schweigen?

 Aus dem Buch „MitgefĂĽhl“ – geschrieben vom  Dalai Lama, dem weisen Denker im Buddhismus und Friedensnobelpreisträger

 â€žJa, das einzig Böse, das mich wirklich betroffen machen sollte, ist das Böse in meinem eigenen Herzen. Ă„uĂźere Feindschaften gehen vorĂĽber. Die inneren Feinde wie Wut, Hass, Begierde aber bleiben. FĂĽr jeden Menschen gilt: Ich bin mir selbst der größte Feind, mit meiner Abhängigkeit, meinem Verlangen, meinem Hass. Der Feind im eigenen Herzen wird immer ein Feind bleiben. Man darf mit seinen bösen Neigungen keine Kompromisse eingehen. Schlechte Gedanken können nichts Gutes bewirken. Man muss sie unter Kontrolle bringen, sonst wird man keinen geistigen Frieden erlangen. So betrachtet, lebt unser wirklicher Feind, der rastlose Unruhestifter, in uns selbst.
…
Mit den Gefühlen ist es wie mit Pflanzen oder Früchten, manche sind für den Menschen sehr bekömmlich, andere sind giftig und man soll sie meiden.

Auch Liebe und Hass scheinen einander ähnlich und haben doch so unterschiedliche Auswirkungen. Oft schlägt liebendes Begehren um und wird zu verzehrendem Hass.

Hass schadet immer, treibt die Menschen zu den schlimmsten Gräueln. Wir haben den freien Willen zu entscheiden, ob wir hassen oder lieben wollen.“

(aus Dalai Lama, MitgefĂĽhl, S. 58 und S.73)

 Wir fĂĽhlen uns verbunden mit allen Menschen in der Welt, die von anderen gefesselt und gequält werden und mit allen, die gefangen sind in ihren eigenen Ă„ngsten, gefesselt von ihrer Eifersucht oder von ihrem Hass.

                   „gefesselt“

(------------   Mensch mit Kette um den Hals)

 

II       „gelogen und gedemĂĽtigt“

(nach: „…und gleich darauf krähte der Hahn“)

Zwei Männer in ausweglosen Situationen:

Petrus – der eine - leugnet, dass er zu Jesus gehört: aus Angst um sein Leben. So bringt er sich selber in Sicherheit – verständlich und egoistisch zugleich.

Jesus – der andere - wird geschlagen und gedemütigt.

Wie so viele Menschen bis heute.

 Aus einem Zeitungsartikel vom 15. April 2011

 Zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, zur Bewährung ausgesetzt, verurteilte das Schöffengericht beim Amtsgericht Ravensburg gestern einen arbeitslosen 60-jährigen Ingenieur. Auf Festplatten des Mannes hatte die Polizei nach einem Hinweis des Landeskriminalamtes Bayern rund 140 000 kinderpornographische Dateien entdeckt, die der Mann zum Herunterladen zur VerfĂĽgung gestellt hatte.
…
Der Angeklagte, früher Trainer von Fußballjugendteams im Raum Ravensburg, hatte zum Prozessauftakt versucht, den Besitz und das Zugänglichmachen der Dateien einem angeblichen Verwandten unterzuschieben, dessen Namen er nicht preisgab. In einer Verhandlungspause konnte der Verteidiger seinen Mandanten zu einem Geständnis bewegen. Durch seine Arbeitslosigkeit und aufkommender Langeweile sei er dazu gekommen, entsprechende Tauschbörsen im Internet aufzurufen und kinderpornographische Darstellungen
…...herunterzuladen und anderen zugänglich zu machen, begründete der Angeklagte sein Tun. Er räumte ein, dadurch sexuell angeregt worden zu sein.“

(Schwäbische Zeitung, 15.4.2011)

 

Wir fühlen uns verbunden mit allen Kindern, Jugendlichen, Männern und Frauen, die von anderen Menschen belogen und getäuscht worden sind und mit allen, die gedemütigt wurden oder gar missbraucht, und die ein Leben lang unter diesen Erfahrungen leiden.

 

- „gelogen und gedemütigt“

 (------------   Mensch, der am Boden sitzt und den Kopf in den Händen verbirgt.)

 

III      „gerichtet“

 

(nach: „…übergab er ihnen Jesus zur Kreuzigung.“)

 Jesus ist verurteilt. Der Richter hat gesprochen. Qualvolles Leiden und der Tod sind jetzt unausweichlich geworden.

Und wo ist Gott? Was tut Gott?

 Aus dem Buch „Die Mitte der Nacht“ von Petrus Ceelen, dem frĂĽheren Aidsseelsorger unserer Diözese:

 â€žDann ist aber die Frage, was ist das fĂĽr ein Gott, der in das Weltgeschehen nicht eingreifen kann und der genauso ein hilfloser Zuschauer ist wie wir?  Was soll denn ein Gott, der ebenso ohnmächtig am Krankenbett steht wie unsereiner? Was fĂĽr einen Sinn hat es dann, dass wir uns in unserer Not zu ihm wenden?
…
Es heiĂźt, dass Gott uns im Leid besonders nahe ist. Er leidet mit uns, er weint mit uns, er schreit mit uns zum Himmel. Sollen wir uns damit trösten? Macht ein Gott, der nichts  machen kann, die Nacht des Glaubens nicht noch viel dunkler? Oder ist ein ohnmächtiger Gott vielleicht doch noch besser als ein allmächtiger Gott, der völlig unbekĂĽmmert vom menschlichen Leid im fernen Himmel thront und sich am Elend da unten „er-götzt“?
…
Nein, ich kann Gott nicht von allen Anklagepunkten freisprechen und ihn nur als den guten Gott verteidigen. Aber steht es uns Menschen ĂĽberhaupt zu, Gott auf die Anklagebank zu setzen?
…
Warum will Gott nicht, dass wir nicht leiden?

…Und dennoch: Wenn wir Gott danken für all das Schöne und Gute, dann dürfen wir auch mit ihm hadern.

Warum lässt Gott die Menschen leiden, wenn er sie doch so lieb  hat? Das ist der Punkt, der wunde Punkt. Gott ist doch die Liebe. Ja, aber die Liebe ist immer auch ohnmächtig, ohne Macht. Nicht der Thron, sondern das Kreuz ist das Wahrzeichen der Christen. Ein Gott, der am Galgen hängt. Nicht zu glauben. …

Unser aller Leben ist eine Krankheit zum Tode. Und das ist heilsam. Der Tod heilt uns Menschen von unseren Allmachtsphantasien und unserem Machbarkeitswahn. Es ist heilsam, dass wir sterben müssen. …..

Wenn wir nicht endlich wären, würden wir gar nicht verstehen, was für ein Wunder das Leben ist.“

(aus: Petrus Ceelen, Die Mitte der Nacht, S.73-74.S.83)

 

Wir fĂĽhlen uns verbunden mit allen Menschen, die an unserem Gott verzweifeln, weil sie keine Antwort auf ihre Frage bekommen, warum er Leiden und Katastrophen in unserer Welt nicht verhindert.

 - „gerichtet“ -

 

(------------   Mensch mit einem Kreuz in der Hand, der mit Gott hadert)

 

IV      „getröstet“

(nach: „….nahm sie der Jünger zu sich.“)

Maria verzweifelt – eine gequälte Frau.

Welche Mutter will ihren Sohn so leiden sehen – und sterben??!!

Johannes tröstet und hält sie. Er ist an ihrer Seite.

 

Von Wolfgang Poeplau:

 â€žManchmal genĂĽgt ein Augenblick.

 Manchmal genĂĽgt ein kleines Licht,
und ich sehe die Sonne zur Mitternacht.

Manchmal genĂĽgt ein Regentropfen,
und ich schöpfe Wasser aus loderndem Feuer.

Manchmal genügt eine Träne, und das Meer fließt über.
Manchmal genĂĽgt ein Wort, und Mauern weichen zurĂĽck.

Manchmal genĂĽgt das Schweigen, und ich höre die Stimme meines Herzens deutlicher  wie die eines Bruders oder einer Schwester.

Manchmal genĂĽgt eine Blume, und ich begreife den Himmel.

Manchmal genügt ein Augenblick, und ich weiß, dass ich nicht für den Tod geschaffen bin.“

( aus: Frieden suchen, Frauengottesdienste, S. 61)

Wir fühlen uns verbunden mit allen Menschen, die fürsorglich Kranke und Sterbende begleiten und die liebe-voll Menschen in ihrer Verzweiflung trösten und aufrichten und ihnen Geborgenheit und Wärme schenken.

 - „getröstet“

 (-------------- Mensch mit einer Kerze in der Hand)

 

V       „gestorben“

 (nach: „…und gab im Sterben den Geist hin.“

Jesus – mundtot gemacht! Die Liebe aufs Kreuz gelegt.

Kann da ein Mensch noch hoffen? Trotz allem?

 Aus dem Buch „Hoffnung“ von Elie Wiesel, dem jĂĽdischen Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger, der als Jugendlicher die Konzentrationslager Birkenau und Auschwitz ĂĽberlebt hat.

 â€žDie Stille. Die Stille von Birkenau.
…
Zurückgekehrt nach Birkenau, Ewigkeiten, nachdem ich es verlassen habe, entsteht mir der unwirkliche Eindruck, dort dem Jungen begegnet zu sein, der ich einmal war. …. Ich schließe die Augen: Die Tiefen der Zeit bringen sinnestäuschende Bilder hervor. Unzählige Menschen, alle ohne Gesicht, laufen durch alle meine Sinne. …
Der Tod selber wirft sich seiner Beute entgegen. Er hat keine Zeit, der Tod. Er muss ĂĽberall gleichzeitig sein.
…
Ich habe über diesen Gipfelpunkt des Bösen alles gelesen. Ich glaube, alles über die letzten Stunden der Opfer zu wissen. Ich werde nichts sagen. Es sich vorzustellen, wäre taktlos. Es zu erzählen, wäre schamlos. Auf dem Marsch zu dem Ort, wo die Schlächter ihre Gaskammern gebaut hatten, ihre Krematorien, galt es, die Zähne zusammenzubeißen. Und jeden Wunsch, zu heulen, zu schreien, zu weinen, galt es zu unterdrücken. In einem bestimmten Moment, in dem wir in der Vorkammer des Todes waren, verspürten wir Ehemalige von Auschwitz das Bedürfnis, uns die Arme zu reichen. …
Dann ganz leise zuerst, schließlich immer lauter schreiend, begannen wir wie Verrückte das ewige Gebet der Juden zu sprechen: „Sch ma Israel – Höre Israel, Gott ist unser Gott, Gott ist einer.“ – einmal, zweimal, fünfmal …taten wir dies, weil damals die Opfer, die spürten, dass das Ende nah war, begannen, das selbe Gebet zu sprechen?....
Mit einem letzten Atemzug wollten wir einer unwürdigen Welt unseren Glauben an Gott kundtun, jawohl, trotz Auschwitz: Gott ist einzig; trotz der Schlächter: Gott ist unser Gott; trotz Buchenwald: Gott ist einer.“

(aus: Elie Wiesel, Hoffnung; S. 102-105)

 

Wir fĂĽhlen uns verbunden mit den Juden und mit allen Menschen dieser Welt, denen die WĂĽrde und jedes Menschenrecht genommen wurde oder immer noch wird und die gestorben sind mit der Hoffnung auf dich, unseren Gott.

 (------------   1 Mensch, der zuschlägt und 1 Mensch, der geknechtet wird)

 

VI               „gesalbt und geliebt“

(nach: „….setzten sie Jesus dort bei.“)

Jesus – erlöst von seinem Leiden: Ruhe, Frieden. Sein bei Gott.

Auferstehung.

Und dann begegnet Maria Magdalena dem Auferstandenen.

Aus dem Buch „Magdalena am Grab“ von Patrick Roth:

„Er sah ins Grab, wo sie, die Vorbeilaufende – noch eben vor ihm gestanden hatte. Und sie, den Rücken zu ihm, stand suchend. Suchte den Körper jenes toten Geliebten. Abgewandt voneinander standen sie.

Und was bedeutet das?... Für wen stehen die beiden…?

Gott und Mensch – das ist der Moment – sehen einander nicht mehr. Stehen auseinander-gestellt.

Aber jetzt: jetzt wendet sich etwas.

Denn das Vorbeilaufen erst der Magdalena lässt Jesus sich wenden. Er dreht sich um nach ihr. …

„Maria.“ …

Es ist das entscheidende Mal, dass sie sich wendet und in diesem Sich-Wenden verwandelt wird. ... .Das heißt, sie wird von einer, die ihn nicht mehr kannte, nur lebend den Toten suchte, ihm „tot“ war, verwandelt in eine, die ihn erkennt – ihn zum zweiten male gebiert: denn hier ist es, in den Augen dieser leibhaftig sehenden Frau, kommt er zur Welt, als Auferstandener jetzt. Und damit wird Magdalena selbst zu einer Auferstandenen – in diesem ihrem Moment der Bewusstwerdung.
…
Die Magdalenensekunde: das ist die Sekunde der Wiedererkennung: Mensch und Gott werden einander wieder bewusst:  Rettend bewusst, einander taufend bewusst: Aus dem Wasser des Unbewussten, Toten: ziehen sich beide, einer den anderen – einer neu, neugeboren, im anderen.“

Maria Magdalena wendet sich um und begegnet dem Leben nach dem Tod. Sie wird zur ersten Zeugin der Auferstehung, weil sie zum Grab gegangen ist und gesalbt und geliebt hat.

Was fĂĽr ein GlĂĽck – auch fĂĽr uns:  bis heute!

(------------   Mensch mit Salbgefäß und Rose)

A. Böhm, 2011

 

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