Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

PfarrbĂĽro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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5. Fastensonntag: Ich war obdachlos und fremd

Lesung: Ez 37, 12b-14

So spricht Gott, der Herr: Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel.
Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole, dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin.
Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig, und ich bringe euch wieder in euer Land. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich habe gesprochen, und ich fĂĽhre es aus - Spruch des Herrn.

 

Evangelium: Joh 11, 3-7.17.20-27.33b-45

In jener Zeit sandten die Schwestern des Lazarus Jesus die Nachricht: Herr, dein Freund ist krank.
Als Jesus das hörte, sagte er: Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes: Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.
Denn Jesus liebte Marta, ihre Schwester und Lazarus.
Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt.
Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen.
Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen.
Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus.
Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
Aber auch jetzt weiĂź ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.
Marta sagte zu ihm: Ich weiĂź, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag.
Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?
Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.
Jesus war im Innersten erregt und erschĂĽttert.
Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh!
Da weinte Jesus.
Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte!
Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb?
Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt, und er ging zum Grab. Es war eine Höhle, die mit einem Stein verschlossen war.
Jesus sagte: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, entgegnete ihm: Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag.
Jesus sagte zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?
Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast.
Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herum steht, habe ich es gesagt; denn sie sollen glauben, dass du mich gesandt hast.
Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!
Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden, und lasst ihn weggehen!
Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, kamen zum Glauben an ihn.

 

Predigt vom Ausschuss "Mission-Entwicklung-Frieden" in Dreifaltigkeit

(Sie haben im Interview mit unserem Gast gehört, dass es Länder gibt, in denen nicht alle Menschen ein Lebensrecht haben.)

Ja, Herr, erbarme dich einer Welt, die schon längst nicht mehr all ihren Bewohnern ein zuverlässiges Dach über dem Kopf bietet. Heute, am MISEREOR-Sonntag, mag man das fast herausschreien – samt der Armut und dem Elend von mehr als einer Milliarde Menschen, die weltweit in den so genannten „Slums“ der Städte leben. Dahin werden wir ermutigt unseren Blick zu richten. Das ist ganz und gar ungewohnt. Denn vor allem die Großstädte der Welt erscheinen im Urlaubskatalog oder in den Medien eher als schillernde Metropolen, die in ihrer Entwicklung stetig voranschreiten. Stadtarchitekten überbieten sich auf der ganzen Welt mit immer spektakuläreren Bauten: Bürotürme, Sportstätten, Museen, Einkaufszentren, Neubauviertel – immer höher, immer extravaganter, immer luxuriöser. Die Investitionen sollen sich schließlich rechnen.

Nur selten erreichen uns Bilder oder gar Stimmen aus den Wohngebieten der Armen. Kein Wunder. Denn immer abgelegener finden sich die erbärmlichen Quartiere der Menschen ganz unten. Es gibt sie fast überall auf der Welt: Menschen, die im Nirgendwo der Städte leben: unter der Autobahn, an Flussufern oder an Bahngleisen, auf ehemaligen Fabrikgeländen, neben oder gar auf der Müllhalde oder schon ganz jenseits der administrativen Grenzen der Städte. Immer weiter hinaus werden die Armen vertrieben, dahin, wo das Land (noch) wertlos ist.

Wagt man sich hinein in das Gewirr aus Hütten, meist errichtet aus den Abfallmaterialien der wohlhabenderen Gesellschaftsschichten, dann bekommt man Lebensverhältnisse zu sehen, deren harsche Realität die Vorstellungskraft der meisten von uns vermutlich weit überschreitet. An unbefestigten Wegen, ohne Trinkwasser, ohne Strom, ohne Abwasser- oder Müllentsorgung, ohne hinreichende Gesundheitsdienste, ohne wirklichen Schutz vor Regen, Wind oder Kälte, hungrig und oft in der permanenten Angst vor Vertreibung „leben“ Millionen Menschen auf engstem Raum und nicht selten zwischen Müll und Ratten ein Leben von der Hand in den Mund. Mit einem menschenwürdigen Leben hat all das wenig zu tun. Die viel zu hohe Sterblichkeitsrate der Mütter und der Kinder oder die überhaupt niedrige Lebenserwartung der Menschen, die Zeit ihres Lebens aus den Elendsvierteln der Städte nicht herauskommen, belegen, dass dort eher der Tod als das Leben zuhause ist. Buchstäblich.

Die Liebe ist es auch, die Gott bis in die Gräber hinabsteigen lässt, um das Volk Israel, das ihm durch die Jahrtausende so sehr ans Herz gewachsen ist, herauszuholen aus dem Tod der Isolation und Selbstentfremdung im babylonischen Exil. Eindrücklich haben wir davon in der Lesung aus dem Buch Ezechiel gehört: „Ich hole euch herauf aus euren Gräbern“, spricht Gott, „ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr (wieder) lebendig!“

So, wie die Bibel davon erzählt, erweist sich Gott durch alle Zeit als ein Gott des Lebens – und stets als ein Gott an der Seite der Menschen. Für sie und mit ihnen ist er unterwegs durch die Geschichte. Wenn es sein muss, rückt er dafür sogar dem Tod empfindlich auf die Pelle. – Nein, der Tod hat nicht in jedem Fall das letzte Wort! Das gehört zu den Grundbotschaften der Bibel, des Alten wie des Neuen Testaments. Und es mag auch die Botschaft dieses Sonntags sein, dessen Texte uns mit ihren Verheißungen locken wollen.

© Vera Krause, Misereor

 

Predigt in Schmalegg, Bavendorf und Taldorf

Liebe Gemeinde,

die „Domäne Hochberg“ ist ein Wohngebiet in der Ravensburger Weststadt, das ab 1990 von der Stadt Ravensburg im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus mit verschiedenen Bauträgern geplant und gebaut worden ist.

Ungefährt 1500 Menschen leben im Moment in dieser Siedlung – dort, in der Nachbarschaft des „Edeka“-Marktes und des Spielwarenkonzerns „ToysRus“.

65% der Bevölkerung in der Domäne Hochberg kommen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion: Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche aus Russland, aus Kasachstan oder Usbekistan. Aber auch eine ganze Reihe rumänischer und türkischer Familien leben dort.

Vor 5 Jahren hat die Kirchengemeinde Dreifaltigkeit die Trägerschaft für den „Nachbarschaftstreff“ in der Domäne Hochberg übernommen – ein Ort der Begegnung für die Menschen, die in dieser Wohnsiedlung leben.

Und seit 2008 betreibt die Dreifaltigkeitsgemeinde in diesem „Nachbarschaftstreff“ mit UnterstĂĽtzung der „Bischof-Moser-Stiftung“ aus Rottenburg ein kleines Cafe und eine 3-sprachige BĂĽcherei. Inzwischen ist auch noch „LILA“ dazugekommen – „Lernen in lässiger Atmosphäre“: An 3 Nachmittagen in der Woche findet im „Cafe-Treff“ eine kostenlose  Hausaufgabenhilfe fĂĽr Grundschulkinder und fĂĽr Jugendliche ab Klasse 5 statt. Das Cafe bietet jedes Mal Getränke umsonst an und eine kleine Belohnung nach dem Lernen.

„Fremd sein“ –

immer, wenn ich dienstagnachmittags in unserem Cafe in der Domäne mit 5 oder 8 meist russisch sprechenden Frauen zusammentreffe und Tee oder Kaffee mit ihnen trinke, dann höre ich, was für sie und was für ihre Angehörigen „fremd sein“ bedeutet:

Fremd sein – hier, in unserem Land, hier, in Ravensburg, hier, in unserer Seelsorgeeinheit, hier, vor unserer Haustüre!

Und diese Frauen erzählen mir dann, dass sie die Arbeitslosigkeit ihrer Männer quält und dass sie Angst davor haben, dass sie aus ihrer Wohnung ausziehen müssen, weil sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können.

Sie erzählen mir, dass sie selber in jeder freien Minute Putzarbeiten übernehmen oder nachts Schichtdienste machen, damit ihre Kinder nicht alleine sind.

Und dann höre ich, dass ihr Berufsabschluss, den sie in der früheren Heimat gemacht haben, hier, in unserem Land, nicht anerkannt wird und dass ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichen, damit sie bei uns eine gute Anstellung bekommen können.

Und ganz wichtig ist diesen Müttern dann, dass wenigstens ihre Kinder einmal besser deutsch sprechen können als sie selber: Deshalb unsere Hausaugabenhilfe „LILA“ und deshalb unsere mehrsprachige Bücherei!

Und manchmal machen die Frauen, denen ich da im Cafe begegne, auch die bittere Erfahrung, dass einzelne Nachbarn ihnen – den Russen – unterstellen, dass sie nur deshalb in unser Land gekommen seien, weil sie im reichen Deutschland nichts arbeiten aber gut leben wollen!

Gibt’s nicht auch Deutsche, die am liebsten wenig arbeiten und viel Geld verdienen möchten????!!!

„Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen!“

In der Begegnung mit den Frauen in der Domäne lerne ich, was es bedeutet, im reichen Deutschland fremd zu sein.

Und ein Satz einer Frau aus Russland hat sich mir tief eingeprägt.

Mit einer groĂźen Traurigkeit hat sie zu mir gesagt:

„In Russland sind wir Fremde gewesen – die Deutschen – und hier, in Deutschland, sind wir wieder Fremde – die Russen halt“

Eine ganz bittere Lebenserfahrung!!!

„Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen!“ –

Diesen Satz lässt Matthäus Jesus im heutigen Evangelium sagen – es ist der Bibeltext, der uns in unserer Seelsorgeeinheit ja durch die ganze Fastenzeit hindurch begleitet.

Bis Ostersonntag durchdenken und meditieren wir diese Werke der Barmherzigkeit, wie sie Matthäus uns Christinnen und Christen in diesem Evangeliumstext als Auftrag mit ins Leben gibt.

Wer an unseren Gott glaubt und wirklich in der Nachfolge des Mannes aus Nazareth leben will, begegnet den Menschen im alltäglichen Leben so, wie das Jesus selber zu seinen Lebzeiten auch getan hat:

Hungrigen zu essen geben, Kranke besuchen, sich der Gefangenen annehmen, Nackte bekleiden – und: Fremde aufnehmen!

Und immer dann, wenn es uns Menschen in der Nachfolge Jesu gelingt, so auf unsere Mitmenschen und auf die Völker in dieser Welt zuzugehen, dann begegnen wir selber Jesus – in unseren Herzen.

So deute ich die Aussage Jesu in unserem heutigen Evangelium:

„Was ihr dem geringsten Menschen tut, das habt ihr mir getan!“

Jesus nahe sein – selber diese göttliche Geistkraft spüren, die von Jesus ein Leben lang ausgegangen ist – seine Lebensfreude ahnen, wenn wir selber die Benachteiligten, die Geschundenen unserer Zeit zum Leben bringen, damit sie aufatmen können und Hoffnung schöpfen und glücklich sein!

Was fĂĽr ein befreiender, zugleich aber auch mĂĽhsamer und anspruchsvoller Auftrag des Mannes aus Nazareth an uns alle!!!

Christsein im Sinne Jesu ist viel mehr, als sonntags in die Kirche zu gehen – auch wenn es ganz schön ist, dass Sie heute alle hier sind und dass wir miteinander feiern! Unser Evangeliumstext heute lässt keinen Zweifel daran: Wer sich als Christ oder Christin versteht, lässt sich anrühren vom Elend der Menschen.

Deshalb übrigens auch die Installation in unserer Dreifaltigkeitskirche – vielleicht haben Sie schon Zeit gehabt, sie zu betrachten. Es lohnt sich! Dargestellt ist das Elend eines Armenviertels, wie es in Afrika oder in Lateinamerika zu sehen ist:

Hinschauen und nicht wegschauen!

Bewusst wahrnehmen, was in der Welt ist und Missstände klar benennen – so hat es uns Jesus ein Leben lang vorgelebt: in der Begegnung mit dem Aussätzigen, genauso wie in der Berührung der blutenden Frau!

Jesus hat keine Berührungsängste gehabt. Und wir als seine Nachfolgerinnen und Nachfolger verraten seine Reich-Gottes-Idee vom Heilwerden aller Menschen, wenn wir das Elend in unserer Welt nicht wahrhaben wollen und wenn wir die Bilder von Armut und menschenunwürdigen Zuständen aus unserer Wahrnehmung am liebsten wegschieben würden – sogar dann, wenn es nur eine Installation vor unserem Altar ist!

„Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen!“ –

Auch das diesjährige Misereor-Hungertuch mahnt uns Christen zur Verantwortung für die Menschen, die im Elend leben – vor allem die in Afrika!

Der Künstler Sokey Edorh, der in Togo lebt, hat auf diesem Hungertuch das Leben in einem afrikanischen Slum dargestellt. Er verurteilt als Künstler strukturelles Unrecht, er beklagt menschliches Leid, und er fordert die Völker dieser Erde auf, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte für jede und für jeden in Afrika – aber auch überall sonst auf der Welt – gelten müssen!

Und der erste Schritt auf dem Weg zu einem gerechteren und menschenwĂĽrdigeren Zusammenleben ist auf dem Hungertuch bereits angedeutet:

                            „Vater, vergib ihnen!“

Dieser Satz steht auf einem Transparent, das eine Menschengruppe bei ihrem Kreuzweg mitträgt. Er ist auf dem Hungertuch in der linken Bildhälfte zu sehen: Menschen tragen ein großes Holzkreuz und sie wagen so Versöhnung in einer unversöhnten Welt!

© A. Böhm, 2011

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.