Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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1. Fastensonntag: Ich war hungrig

Lesung: 1 Joh 4,16b-21

Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.
Darin ist unter uns die Liebe vollendet, dass wir am Tag des Gerichts Zuversicht haben. Denn wie er, so sind auch wir in dieser Welt.
Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet mit Strafe(,) und wer sich fürchtet, dessen Liebe ist nicht vollendet.
Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.
Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht.
Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben.

Evangelium: Mt 25,31-40

Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen.
Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.
Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.
Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist.
Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben?
Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben?
Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.


Predigt

Liebe Kinder und Jugendliche, liebe Brüder und Schwestern im Glauben,

in der österlichen Vorbereitungszeit gibt es immer ein Hungertuch von MISEREOR, das zentrale und aktuelle Themen aus dem christlichen Glauben und Leben aufgreift. Das diesjährige Bild stammt von Sokey Edorh, ein sehr bedeutender, zeitgenössischer Künstler aus Afrika.

Ich möchte sie jetzt einladen, in einem Moment der Stille das ausgeteilte Bild anzuschauen.

Die Augen verlieren sich fast auf dem Bild: viele Menschen, unterschiedliche Alltagsszenen, pulsierendes Leben, eine bunte Mischung aus Formen und Farben. Im Hintergrund Ausschnitte aus einer reichen Welt: Atommeiler, Hochhäuser, Banken, Industrieanlagen. Darunter, bildbestimmend, die Welt der Slums: Wellblechhütten und geschäftiges Treiben der Menschen, die alle auf ihre Weise ihr Leben meistern müssen. Braun ist Grundfarbe des Bildes. Sie ist Sinnbild für den roten Lehm Afrikas und weist hin auf die Gegend, an dem sich alles abspielt. Das Bild vermittelt uns einen Eindruck von Afrikas Alltag: Vielfalt, Vitalität, Wärme und Unbeschwertheit einerseits, andererseits harter Ãœberlebenskampf, bittere Not und  Ungerechtigkeit. Symbol hierfür mag die Frau in der Mitte des Bildes sein: Ãœbergroß gemalt, schleppt sie einen Karren mit einem Wasserfass hinter sich her. 2 Kinder müssen mit anpacken und sich abplagen. Auf dem Bild wird es an den nächsten Sonntagen noch viel zu entdecken geben.

Liebe Mitchristen,

Als Sokey Edorh das Hungertuch malte, hatte er die Worte Jesu im Sinn, die wir gerade im Evangelium gehört haben. Da ist von menschlichen Urnöten und von Grundbedürfnissen die Rede. Das wohl grundlegenste Bedürfnis eines Menschen ist, etwas zu essen zu bekommen. Hunger zu haben, kennt jeder von uns. Ihr Kinder und Jugendlichen z.B. in der Schule kurz vor der großen Pause. Handwerker so um 09.00 oder 09.30 Uhr, wenn die erste Vesperpause kommt. Bei mir ist es morgens spätestens um halb elf soweit. Und es soll ja Menschen geben, die haben immer Hunger.

Hunger haben ist ganz und gar menschlich. Aber was ist, wenn der Hunger kommt und es gibt nichts zu essen? Stundenlang? Tagelang? Vielleicht wochenlang? Eine Erfahrung, die unter uns wahrscheinlich nur noch ganz wenige kennen. Wohlstand und Fortschritt in unserer Gesellschaft lassen doch die meisten meinen, es sei völlig selbstverständlich, sich jeden Tag satt essen zu können. Die Jahresberichte der Welthungerhilfe sprechen hier aber eine andere Sprache. Ca. 1 Milliarde Menschen weltweit leidet an Unter-ernährung. Die meisten in Südostasien und in Afrika. Hunger und Unterernährung sind nicht einfach ein Problem unter vielen. Sie zählen zu den größten Problemen einer Gesellschaft. Wer hungert, leidet. Kleinkinder z.B. sind anfälliger für Krankheiten. Auf unserem Planeten stirbt so alle 5 Sekunden ein Kind an Unterernährung. Untergewichtige Schulkinder sind für ihr Alter zu klein, haben körperliche oder geistige Behinderungen, sind benachteiligt in ihrer Lernfähigkeit. Unterernährte Mütter laufen aufgrund des Eisenmangels besonders Gefahr, bei der Geburt ihres Kindes zu sterben. Die Liste der Beeinträchtigungen, der Negativfolgen von Hunger wäre noch lang.

Liebe Mitchristen,

es gibt aber nicht nur den Hunger nach dem täglich Brot, also nach all dem, was unseren Körper satt macht. Da ist auch der Hunger unseres Geistes nach Bildung, nach Verstehen und Begreifen der Dinge, die um uns passieren. Da ist der Hunger unserer Seele nach Sinn und Halt, nach Glaube und Hoffnung. Und da ist der urmenschliche Hunger nach Liebe, nach Beziehung, nach Heimat und Angenommensein.   

Eigentlich ist es ein Grundrecht, dass jeder Mensch seinen Hunger stillen kann. Eigentlich! Aber wie viele Menschen müssen doch hungern in dieser Welt?

Deshalb, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, stellt Jesus Hunger und Teilen ganz an den Anfang seiner Worte, als es um die konkret gelebte Nächstenliebe geht. Jeder Mensch soll nach Gottes Willen satt werden. Auch der Geringste, auch die Obdachlosen, die unter die Räder Gekommenen, die Gescheiterten, die Schuldig Gewordenen, die Süchtigen, die Außenseiter, die Verstörten und Abgeschriebenen. Auch sie sind seine Kinder. Auch in ihnen begegnet uns Gott. Und so sind wir alle als Christinnen und Christen gerufen, dem Beispiel der Gerechten im Evangelium zu folgen. Dieses Teilen, dieses Hungerstillen, diese Wachheit gegenüber der Not und Bedürftigkeit unserer Mitmenschen, ist ein Grundpfeiler unseres Christseins. Johannes bringt es in seinem 1. Brief auf den Punkt: Gott ist die Liebe. Und wer Gott liebt, soll auch seinen Nächsten lieben. Alles andere wäre unglaubwürdig und inkonsequent.

Liebe Mitchristen,

wie diese Wachheit und dieses Teilen konkret aussehen könnten, dazu wäre die angebrochene Fastenzeit eine gute Möglichkeit zum Nachdenken und Experimentieren. Jeder auf seine Weise. Beim Fasten z.B. enthalten wir uns freiwillig bestimmter Dinge, um unserer Blick für das wirklich Wichtige zu schärfen. Das regelmäßige Beten vor dem Essen z.B. könnte bewusst machen, wie wir letztlich alles Gott verdanken und als Beschenkte selbst zu Gebern werden. Die klassische Spende, vielleicht sogar als Patenschaft oder Dauerauftrag, kann ein wertvoller Beitrag sein. Wenn wir einkaufen, könnten wir darauf achten, Transfair-Produkte zu unterstützen, um den Produzenten menschenwürdige Arbeitsbedingungen und einen gerechten Lohn zu ermöglichen. Als Bürgerinnen und Bürger könnten wir eine Politik wählen, die auf internationaler Ebene für faire Wirtschaftsbedingungen sorgt und ihren Wohlstand nicht auf Kosten anderer sichert.

„Was ihr einem meiner geringsten Brüder oder Schwestern angetan habt, das habt ihr mir getan“, dieser Satz aus dem heutigen Evangelium, liebe Brüder und Schwestern im Glauben, ist nicht nur die Überschrift des diesjährigen Hungertuches. Er eignet sich auch wunderbar als persönlicher Leitspruch für diese Fastenzeit.

Amen.

© B. Held 2010

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.