Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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1. Fastensonntag: "Von allen guten Geistern... erfüllt"

Lesung: Gen 9, 8-15

Gott sprach zu Noach und seinen Söhnen, die bei ihm waren: Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind.
Ich habe meinen Bund mit euch geschlossen: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.
Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen:
Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.
Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken, dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch vernichtet.

 

Evangelium: Mk 1, 12-15

In jener Zeit trieb der Geist Jesus in die Wüste.
Dort blieb Jesus vierzig Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.
Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

 

Predigt

Von allen guten Geistern …

So haben wir unsere Predigtreihe in diesem Jahr überschrieben.

Wir möchten gerne mit Ihnen gemeinsam über die vielen Geister nachdenken, die uns im Leben und in der Bibel begegnen. Da soll es also um die Unterscheidung der Geister gehen, wie wir so sagen.

 

=> Heute begegnen wir Jesus in der Darstellung des Evangelisten Markus.

Schon in diesen wenigen Sätzen unseres heutigen Evangeliums zeigt sich die Absicht, mit der Markus sein Evangelium schreibt:

=> Jesus verkündet das Evangelium Gottes in seiner Heimatgegend Galiläa, nachdem Johannes der Täufer eingesperrt worden ist.

=> Diese Information ist deswegen wichtig, weil Johannes der Täufer praktisch damit begonnen hat, die Israeliten zur Umkehr zu rufen. Er hat bereits eine Bewegung ins Leben gerufen - dort am Jordan -, die die Menschen aufgerüttelt hat.

=> Für die Herrschenden hat diese Täuferbewegung wahrscheinlich so ausgesehen, als ob sich da eine neue Gegenbewegung gegen die Herrschenden aufbauen würde. Deswegen ist Johannes eingesperrt worden.

=> ‚Wenn der Kopf nicht mehr aktiv sein kann, dann werden sich die Anhänger dieses Täufers wieder zerstreuen und es gibt wieder Ruhe.‘ So haben sich die Herrschenden das wohl gedacht.

=> Als Hintergrund muss man da wissen, dass es zu dieser Zeit Jesu einige Widerstandsgruppen im Untergrund gibt. Heute würden sie als Terroristen bezeichnet werden. Sie alle haben das Ziel, die Römer aus dem Land hinaus zu werfen. Notfalls auch mit Gewalt! Eine dieser Gruppierungen waren die Zeloten. Und einer der Apostel Jesu gehört zu dieser Gruppe: Simon der Zelot!

=> Der Täufer ist also eingesperrt und dann tritt Jesus auf.

=> Das Markusevangelium beginnt mit der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer.

=> Bei dieser Taufe wird Jesus durch die Stimme von oben als der „geliebte Sohn“ geoffenbart. Der Geist kommt wie eine Taube auf ihn herab.

=> Das geschieht aber nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur zwischen Jesus und dem Himmel. Nicht einmal Johannes ist Zeuge dieses Ereignisses. Jesus ist mit diesem Ereignis alleine.

=> Dieser Geist, der da auf ihn herab gekommen ist, treibt ihn dann in die Wüste.

Und jetzt sind wir beim heutigen Evangelium.

 

„In jener Zeit trieb der Geist Jesus in die Wüste. Dort blieb Jesus 40 Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.“

 

=> Diese drei Sätze haben es in sich.

Wichtig für das Verständnis ist, dass es sich hier nicht um einen historischen Wüstenaufenthalt Jesu handelt, sondern da geht es um ein spirituelles Geschehen in Jesus und bei den Hörerinnen und Hörern des Markusevangeliums.

=> Aus den Evangelien des Lukas und des Matthäus, kennen Sie diese verschiedenen Versuchungen, in die Jesus da gerät.

Bei Markus wird davon nichts berichtet.

=> Bei Markus lebt Jesus mit den wilden Tieren, wird versucht und die Engel dienen ihm.

=> Dieses Bild gibt es nur hier bei Markus. Und er will zum einen damit den Menschen zeigen, dass Jesus der neue Adam ist.

=> Im Paradies haben nämlich Adam und Eva mit den wilden Tieren im absoluten Frieden gelebt. Dieser Zustand soll jetzt mit Jesus wiederhergestellt werden. Es bricht die messianische Zeit an, die auch vom Propheten Jesaja (11, 1ff) verheißen worden ist.

=> Jesus lebt (innerlich) im Paradies, zwar mit den üblichen Versuchungen, aber die wilden Tiere tun ihm nichts und Engel dienen ihm.

=> Dieses Bewusstsein ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Verkündigung vom angebrochenen Reich Gottes auch bei den Menschen ankommt.

=> Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn es ist ja tatsächlich nicht so gekommen, wie es Jesus verheißen hat. Dieser umfassende Friede ist noch nicht in unserer äußeren Welt.

=> Es scheint hier aber vor allem auch um die innere Welt des Jesus von Nazareth zu gehen.

=> Er wird vom Geist in die innere Wüste geführt. Jesus lässt sich auf diese Begegnung mit sich selbst ein. Dort geht es um die eigene Wahrheit und die eigene Wahrhaftigkeit. Letztendlich steht Jesus da vor dieser einen großen Frage: „Wer bin ich in Wahrheit?“

=> Die äußere Welt ist wie sie ist. Sie ist so von Gott geschaffen. Es liegt nun an jedem Menschen, sich mit dieser Wirklichkeit auseinander zu setzen.

=> Viele fragen sich dann, warum die Welt so zerrissen ist und voller Widersprüche, wenn doch alles von Gott gut gemacht worden ist.

=> Wer sich aber seiner eigen Wahrheit stellt, wer mit sich selbst im Reinen ist, der kann dann den Löwen beim Lamm liegen sehen.

=> Die „wilden Tiere“ hier bei Markus sind dann nicht Wesen der äußeren Natur, sondern Symbole der menschlichen Seele. Es ist die Begegnung mit den eigenen tierischen Anteilen.

=> Und es geht hier bei Jesus darum, dass er diese tierischen Anteile nicht bekämpft oder zerstört, sondern sie kennen lernt und sie für die Verkündigung Gottes nutzt.

=> Jesus scheint da einen ganz wichtigen Entwicklungsprozess durch zu machen.

 

=> Wenn er den Anbruch des Reiches Gottes verkündigt, dann darf es nämlich nicht sein, dass er das tut, um seinen eigen Ehrgeiz zu befriedigen, weil er im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen will. Das wäre dieses tierische Machtstreben.

=> Wenn es in seiner Verkündigung um die Nähe Gottes, um Vergebung und Liebe geht, dann darf nicht das Ziel sein, die eigene Sehnsucht nach Liebe zu befriedigen oder um menschliche Anerkennung zu buhlen.

=> Wenn er Unrecht, Heuchelei, Pharisäertum und Selbstgerechtigkeit öffentlich anklagt, darf es nicht sein, dass das aus eigenen primitiven Aggressionen heraus passiert.

=> Das sind nur einige Beispiele, um zu zeigen, wie wichtig es ist, die eigene Wahrheit zu kennen und daraus die Aktivitäten zu entwickeln.

=> Jesus ist diesen Weg gegangen. Er ist sich selbst und seiner Wahrheit begegnet.

=> Er hat in sich gespürt, dass er von Gott radikal angenommen ist, wie ein leibhafter Sohn. Er spürt sich als „versöhnt mit Gott“!

=> Wenn er aber diese Gewissheit in sich gefunden hat, dass er Gottes Sohn ist, dann hat er auch die Möglichkeit gefunden, mit sich selbst versöhnt zu sein.

So verwirklicht er in sich die Gestalt des „Menschensohnes“. Und so spricht er von sich selbst.

 

=> So verstanden, hängt bei diesem Reifungsprozess der 40 Tage in der inneren Wüste, dem Ort der Reifung, alles davon ab, dass er lernt, sein eigenes tierisches Erbe zu akzeptieren. Denn so ist der Mensch geschaffen worden von Gott. Das kann also nicht grundsätzlich falsch sein. Das lernt Jesus!

 

=> Bei jedem öffentlichen Auftritt für die Wahrheit, die er verkündet, gibt es also auch den Anteil der Selbstdarstellung und der Geltungssucht.

=> Aber wenn Gott den Menschen so geschaffen hat, dass er auch geltungssüchtig ist, dann kommt es letztlich darauf an, für welche Ziele diese Geltungssucht eingesetzt wird.

=> Jesus scheint es gelungen zu sein, dass er dieses tierische Erbe so eingesetzt hat, dass es bei den Leuten angekommen ist und sie nicht abgeschreckt worden sind.

=> Das Geheimnis des „Menschensohnes“ ist also, „mit den wilden Tieren zu sein“. Es gilt das tierische Erbe im Menschen zur Menschlichkeit zuzulassen.

=> Dabei ist es existenziell wichtig, darauf zu vertrauen, dass nichts was Gott geschaffen hat, in sich gefährlich oder schlecht sein kann.

=> Dieser Reifungsprozess Jesu zeigt sich hier im Markusevangelium.

=> In dem Maß wie die wilden Tiere ihre angstgeprägte Wildheit verlieren, werden die Engel zu hilfreichen guten Geistern. Sie sind nicht mehr die Instanzen, die mit Strafen und Befehlen den Menschen drangsalieren, damit alles gut wird.

=> Sie sind die Verbündeten Jesu, der jetzt mit seiner Verkündigung beginnt. Sie dienen ihm!

 

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.

Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“

 

=> Das Reich Gottes ist eine Welt, die von Unheil und der Dämonie des Bösen befreit ist, weil Gott allein Herr ist.

=> Er ist aber nicht ein weltlicher Herrscher, sondern der Gott, der den Menschen ein Leben in Fülle, voller Liebe und Glück ermöglicht.

=> In der Verkündigung und im Auftreten Jesu bricht dieses Reich an.

=> Die Menschen reagieren auf diese Verkündigung mit der Hinwendung zu Gott – zumindest wird das in den Evangelien so dargestellt. Sie freuen sich über diese Nähe Gottes!

 

=> Wir heutigen Menschen können da für unseren eigenen Reifungsprozess viel lernen.

=> Auch wir dürfen diesen „wilden Tieren“ in uns begegnen, nicht um sie zu bekämpfen und zu töten, sondern um sie als Helfer für unser Leben zu gewinnen. Dabei gilt es, die Motivation und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

 

=> Übertragen Sie diesen jesuanischen Befund im Blick auf die eigene Reifung auf viele unserer aktuell handelnden mächtigen Männer und Frauen in der Politik und in der Wirtschaft, dann merken Sie, wie weit weg diese von ihrer eigenen Wahrheit sind. Sie sind diesen inneren Weg zu sich selbst noch nicht gegangen.

=> Die „wilden Tiere“ in ihnen sind ihnen nicht hilfreich, sondern zerstörerisch. Die Engel sind moralisierende Machtknüppel, die alles niederprügeln, was nicht der eigenen „guten“ Linie folgt.

Die Verführung der Macht über Geld oder Position, lässt viele ihre eigene Wahrheit nie entdecken.

 

Von allen guten Geistern … erfüllt …

 

=> Das ist die jesuanische Weise, in dieser Welt zu leben, wenn die Menschen zu ihrer eigenen Wahrheit gefunden haben.

=> Ich wünsche Ihnen diese heilsame Begegnung mit den wilden Tieren, aber auch mit den hilfreichen Engeln im Vertrauen darauf, dass Gott das alles gut gemacht hat.

Amen.

 

© R. Hübschle 2018

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.