Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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4. Fastensonntag

Lesung: Eph 5, 8-14

Brüder und Schwester!
Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts!
Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.
Prüft, was dem Herrn gefällt, und habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen, sondern deckt sie auf!
Denn man muss sich schämen, von dem, was sie heimlich tun, auch nur zu reden.
Alles, was aufgedeckt ist, wird vom Licht erleuchtet.
Alles Erleuchtete aber ist Licht. Deshalb heißt es: Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein.

 

Evangelium: Joh 9, 1-41

In jener Zeit sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war.
Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, so dass er blind geboren wurde?
Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.
Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach!
Schiloach heißt übersetzt: Der Gesandte.
Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.
Die Nachbarn und andere, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte?
Einige sagten: Er ist es. Andere meinten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich.
Er selbst aber sagte: Ich bin es.
Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden?
Er antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich damit meine Augen und sagte zu mir: Geh zum Schiloach, und wasch dich! Ich ging hin, wusch mich und konnte wieder sehen.
Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es nicht.
Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte.
Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei.
Der Mann antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen; dann wusch ich mich, und jetzt kann ich sehen.
Einige der Pharisäer meinten: Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein Sünder solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen.
Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet.
Der Mann antwortete: Er ist ein Prophet.
Die Juden aber wollten nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden war. Daher riefen sie die Eltern des Geheilten und fragten sie: Ist das euer Sohn, von dem ihr behauptet, dass er blind geboren wurde? Wie kommt es, dass er jetzt sehen kann?
Seine Eltern antworteten: Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde. Wie es kommt, dass er jetzt sehen kann, das wissen wir nicht. Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht. Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen. Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten; denn die Juden hatten schon beschlossen, jeden, der ihn als den Messias bekenne, aus der Synagoge auszustoßen. Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt doch ihn selbst.
Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war, zum zweiten Mal und sagten zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist. Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehen kann.
Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht? Wie hat er deine Augen geöffnet? Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt, aber ihr habt nicht gehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt auch ihr seine Jünger werden?
Da beschimpften sie ihn: Du bist ein Jünger dieses Menschen; wir aber sind Jünger des Mose. Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat; aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt.
Der Mann antwortete ihnen: Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt; dabei hat er doch meine Augen geöffnet. Wir wissen, dass Gott einen Sünder nicht erhört; wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er. Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat. Wenn dieser Mensch nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können.
Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren, und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus.
Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn?
Der Mann antwortete: Wer ist das, Herr? Sag es mir, damit ich an ihn glaube. Jesus sagte zu ihm: Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es.
Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.
Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden.
Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies. Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind? Jesus antwortete ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.

 

Predigt:

Liebe Gemeinde,

selber habe ich es noch nicht ausprobiert –

das Rezept, der Heiligen Hildegard von Bingen, das – ihrer Überzeugung nach – bei allen möglichen Augenleiden helfen soll.

Ich bezweifle aber nicht, dass es der großen Heiligen zu Beginn des 12. Jahrhunderts n.Chr.  tatsächlich gelungen ist, die Menschen in ihrer Zeit auf solche Weise zu heilen.

Und jetzt hören Sie Hildegard von Bingen wörtlich:

 â€žDas Veilchen ist gut gegen Verdunkelung der Augen. Nimm gutes Öl und bring es an der Sonne oder am Feuer in einem sauberen Topf zum Sieden, wirf dann so viele hinein, damit es davon dick wird, und fülle es in ein Glas zum Aufbewahren. …

Abends salbe mit diesem Öl um die Augenlieder und Augen herum ein, ohne dass es die Augen berührt, und es wird die Verdunkelung der Augen vertreiben.“

(Peter Pukownik, Das Gesundheitsbuch der Hl. Hildegard von Bingen, vianova-Verlag; Seite 85)

Veilchenöl als bewährtes Mittel gegen Augenermüdung, gegen Augenbrennen, gegen Bindehautentzündung, gegen nachlassende Sehkraft – eben gegen die „Verdunkelung der Augen“, wie es die Heilige Hildegard nennt.

Hildegard von Bingen hat ganz offensichtlich ganz genau gewusst, was im göttlichen Kräutergarten so alles wächst, und sie ist nicht nur eine große Heilige gewesen, sondern auch eine große Heilende.

Ob wohl Jesus solche heilenden Pflanzen aus dem Schöpfungsgarten unseres Gottes auch gekannt hat??!!

Sicher ist auf jeden Fall:

Auch der Mann aus Nazareth hat zu seiner Zeit die Menschen geheilt.

Davon berichten übereinstimmend alle Evangelienschreiber!

In ganz unterschiedlichen biblischen Erzählungen schildern sie, dass Jesus die Fähigkeit gehabt hat, den Menschen ihr Leiden entweder zu erleichtern oder aber sie ganz davon zu befreien.

Und von einer solchen Heilung erzählt auch unser heutiges Evangelium:

Jesus bringt einen Mann zum Sehen, dessen Augen krank waren – „verdunkelt“, wie es Hildegard von Bingen wohl nennen würde.

Was bei dieser Heilung damals aus medizinischer Sicht geschehen ist, das interessiert Johannes, den Schreiber unseres Evangeliums, überhaupt nicht. Und er sieht dieses ganze Ereignis auch nicht mit den Augen der heutigen Naturwissenschaft.

Entscheidend für Johannes ist:

Der Mann, der wohl zeitlebens mit einem Augenleiden zu kämpfen hatte, geht ermutigt, aufgerichtet und glücklicher seinen Lebensweg weiter, nachdem er Jesus begegnet ist:

Eine Begegnung voller Wunder ist das – eine Begegnung, die mich als heutige Zeugin dieses Geschehens berührt und beeindruckt.

Diese Begegnung der beiden Männer lässt mich ahnen:

Jesus öffnet uns Menschen die Augen für das wirkliche Glück in unserem Leben.

 

Und: Bei der Heilung des Mannes im heutigen Evangelium wird es ganz offensichtlich:

Jesus hat die Menschen, die ihn damals um Heilung gebeten haben, nicht nur körperlich gesund gemacht, sondern auch seelisch.

Die Heilige Hildegard hat diesen Zusammenhang zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit in ihren Schriften und in ihren Rezepten immer ausdrücklich betont:

Wenn die Seele von uns Menschen krank ist, wenn wir ganz tief in unserem Herzen traurig oder verletzt sind, dann wird irgendwann auch unser Körper krank.  

Und deshalb hat die große Hildegard von Bingen auch gute Ideen gehabt, wie es in unseren Herzen heller und froher werden kann und wie unsere Seele gesund bleiben oder gesund werden kann.

Und jetzt hören Sie die große Heilende noch einmal wörtlich:

„Der Dinkel ist das beste Getreide, und er ist warm und fett und kräftig, und er ist milder als andere Getreidearten, und er bereitet dem, der ihn isst, rechtes Fleisch und rechtes Blut, und er macht frohen Sinn im Gemüt des Menschen.

Und wie auch immer die Menschen ihn essen, sei es in Brot, sei es in anderen Speisen, er ist gut und mild. Und wenn einer so krank ist, dass er vor Krankheit nicht…kauen…kann, dann nimm die ganzen Körner des Dinkels und koche sie in Wasser, unter Beigabe von Fett oder Eidotter, so dass man ihn wegen des besseren Geschmacks gern essen kann, und gib das dem Kranken zu essen, und es heilt ihn innerlich wie eine gute und gesunde Salbe.“

(Peter Pukownik, Das Gesundheitsbuch; Seite 28)

Dinkel, eine Heilpflanze gegen unsere innersten Verletzungen, gegen alles Dunkle und Schwere in unserer Seele –

ganz offensichtlich ist die Heilige Hildegard  davon überzeugt gewesen, dass Dinkel  nicht umsonst in der göttlichen Schöpfung wächst.

Der Kräutergarten unseres Gottes ist tatsächlich voller guter Ideen, und die Heilige Hildegard hat sie nicht nur wachsen lassen, sondern sie ist selber immer wieder auch auf neue gute Ideen gekommen, wie sie mit Hilfe dieser göttlichen Kräuterwelt den anderen Menschen das Leben leichter machen konnte.

Ob sich wohl Jesus auch so gut im göttlichen Schöpfungsgarten ausgekannt hat??!!

Die Schreiber unserer biblischen Texte sagen dazu ganz wenig.

Aber halten Sie es für möglich, dass Jesus vielleicht sogar die Heilkräfte von Blumen oder die Heilkräfte von Getreidearten gekannt hat???

Wir wissen sicher, dass die Menschen zur Zeit Jesu den Dinkel bereits gekannt haben – er wird nämlich schon seit  8000 Jahren angebaut und gegessen.

Und ich selber traue Jesus wirklich  zu, dass er für viele Männer und Frauen seiner Zeit zugleich Arzt und Psychotherapeut, Naturheilkundiger und Seelsorger gewesen ist – und das alles vermutlich auf ganz berührende und ganz befreiende Weise.

Die Heilung des blinden Mannes im heutigen Evangelium zeigt diese ganz unterschiedlichen heilenden Kräfte, die wohl vom Mann aus Nazareth ausgegangen sein mussten:

„Weder er noch seine Eltern haben gesündigt!“ –

Jesus nimmt mit diesem Satz im heutigen Evangelium alle Schuld von den Schultern des kranken Mannes:

Die Augenkrankheit , die dem Mann im heutigen Evangelium wohl schon sein Leben lang zu schaffen gemacht hat, ist keine Strafe und schon gar keine göttliche Rache für irgendein menschliches Versagen. Unser christlicher Gott rächt sich nicht, und er verlangt auch keine Opfer von uns Menschen, die ihn gnädig stimmen müssten!!!

„Geh, und wasch dich…“ –

Jesus schickt den Mann ganz bewusst los! Er muss seine Schritte in eine neue Zukunft selber gehen.

Er schickt ihn ganz bewusst los, damit er die ganz tief sitzende alte Angst und die alten Schuldgefühle abwäscht.

         „Geh!“

Und dann sieht der Geheilte sein Leben anders!

Dann sieht er die Welt mit den Augen seines Herzens.

Und er sieht sich selber als ein vom Göttlichen berührter und geliebter Mensch!

Und das ist  - für mich – das eigentliche Wunder!

Das ist Heil-Werden, wie es Jesus uns Menschen bis heute im  Evangelium zusagt.

 

Liebe Gemeinde,

ich weiß nicht, wie gerne Sie alle in der göttlichen Schöpfung unterwegs sind.

Und ich weiß auch nicht, ob Sie mit den Heilungsmethoden der Heiligen Hildegard von Bingen etwas anfangen können.

Aber ich wünsche Ihnen immer wieder neu die Erfahrung, dass tatsächlich viele gute Ideen in unserer Welt wachsen und reifen.

Und ich wünsche Ihnen auch, dass Sie das Staunen über die Wunder in unserer Schöpfung nie verlernen!

Vielleicht lassen Sie sich ja auch jetzt -  zum Schluss -  von der Begeisterung der Hildegard von Bingen für unsere „Welt voller guter Ideen“ anstecken, wenn Sie das folgende – im Wortlaut überlieferte – Gebet der großen Heiligen hören:

„Gepriesen bist du, Herr, gepriesen bist nur du allein,

du senkest Licht in mein Herz mit deiner Weisung.

Durch deinen Heiligen Geist pflanzest du den Baum des Lebens in mich ein;

wenn er im Herzen Wurzeln schlägt, wandelt er die Seele in einen Himmelsgarten um.

Ganz herrlich schmückt er sie mit auserlesenen Gewächsen, mit Blumen und mit Bäumen, aller Art von Früchten, bunt und mannigfaltig, mit Lilien, die Wohlgerüche hauchen:

Mit Frieden und mit Freude, mit sanftem Mut und Demut, mit Mitleid und Barmherzigkeit, Wohlwollen und Hoffnung, mit deiner Liebe Glanz, die alles licht macht, was in diesem Garten sich befindet.“

(Hildegard Strickerschmidt, Hildegard von Bingen, St.Benno-Verlag; Seite 62)

Amen.

© A. Böhm, 2017

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.