Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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2. Fastensonntag

Lesung: Gen 12, 1-4a

In jenen Tagen sprach der Herr zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.
Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.
Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.
Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte.

 

Evangelium: Mt 12, 1-8

In jener Zeit ging Jesus an einem Sabbat durch die Kornfelder. Seine Jünger hatten Hunger; sie rissen deshalb Ähren ab und aßen davon.
Die Pharisäer sahen es und sagten zu ihm: Sieh her, deine Jünger tun etwas, das am Sabbat verboten ist.
Da sagte er zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren - wie er in das Haus Gottes ging und wie sie die heiligen Brote aßen, die weder er noch seine Begleiter, sondern nur die Priester essen durften?
Oder habt ihr nicht im Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester im Tempel den Sabbat entweihen, ohne sich schuldig zu machen?
Ich sage euch: Hier ist einer, der größer ist als der Tempel.
Wenn ihr begriffen hättet, was das heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer, dann hättet ihr nicht Unschuldige verurteilt; denn der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.

 

Predigt:

Liebe in der Fastenzeit versammelte Christinnen und Christen.

„Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen.“  So lautet der Titel der diesjährigen Fastenaktion des Hilfswerkes MISEREOR, und diesen Grundgedanken haben wir auch für unsere Predigtreihe in der Fastenzeit übernommen.

Am letzten Sonntag hat uns unsere Pastoralreferentin Angelika Böhm mit dem Gleichnis vom Sämann dazu ermuntert, Zuversicht, Gelassenheit und Gottvertrauen zu haben, dass zwischen all dem Unkraut auf Gottes Acker doch etwas wächst und gedeiht. Gute Ideen sollen nicht ersticken zwischen Hass, Neid und Gewalt. Gute Ideen sollen Raum ergreifen und sich ausbreiten dürfen – so wurden wir ermutigt.

„Ermutigt werden – Mut haben – etwas wagen“, das sind auch die Stichpunkte für unsere heutigen Bibeltexte und für meine Predigt.

Den Lesungstext aus dem Alten Testament haben Sie sicher schon einmal gehört – vielleicht ja letztes Jahr am 3. Advent, bei unserer damaligen Predigtreihe:

Abraham, der sich aufmacht ins Ungewisse. Der Gottes Verheißung hört, für sich annimmt und dann mutig losgeht.

Das Ziel kennt er noch nicht so genau, aber er macht sich auf den Weg. Er hat die Zuversicht, die Gelassenheit und auch das Gottvertrauen, dass etwas Gutes entstehen wird. Nicht auf die Schnelle, nicht über Nacht, aber mit langem Atem – ganz passend auch zum Motto unserer Fastenaktion, die die guten Ideen ja wachsen lassen möchte. Und Wachstum braucht Zeit – genau wie der Weg des Abraham.

Aber – und das ist wichtig: Abraham wagt es. Hätte er das nicht getan, so wäre alles beim alten geblieben. Es hätte sich nichts geändert.

Doch Abraham bricht auf.

Ähnliches hat übrigens auch unser Papst Franziskus beim Weltjugendtag 2016 gegenüber jungen Menschen formuliert, als er dazu aufforderte, „runter vom Sofa“ zu kommen und raus aus der Komfortzone, um diese Welt gerechter und friedlicher zu machen.

Auch Jesus in unserem Evangelium wagt etwas, zeigt Mut – er stellt sich gegen die Pharisäer, die ihn anklagen oder vielmehr seine Jünger bei ihm anschwärzen.

Stellen Sie sich die Szene einfach mal so vor:

Die Jünger reißen Ähren ab und essen sie. Ein Brot aus Körnern wäre lecker, keine Frage, auch ein Müsli oder ein Brei, aber einfach die puren Getreidekörner essen? Die Jünger müssen schon wirklich sehr hungrig gewesen sein!

Und dann kommen die kleinlichen Pharisäer und beschweren sich, dass damit der Sabbat entweiht würde – denn am Sabbat ist gemäß dem mosaischen Gesetz jede Art von Arbeit verboten. Genau genommen könnten die Pharisäer sogar gleich drei Arbeiten anklagen:

1. ernten (Ähren pflücken),
2. dreschen (die Körner in der Hand zerreiben),
3. worfeln (die Körner von der Spreu trennen).

Wenn man es so betrachtet, sieht man schon, wie lächerlich und unwichtig das Ganze eigentlich ist.

Jesus widerspricht  mutig den Pharisäern beziehungsweise  er zeigt ihnen auf, was wirklich wichtig ist: der Mensch und sein Leben, nicht das Gesetz und das Festhalten an Vorschriften.

Und, wie Jesus an Beispielen erläutert, damit steht er in gut biblischer Tradition – die die Pharisäer, wie er in einem kleinen Seitenhieb betont, eigentlich kennen müssten: Im ersten Buch Samuel wird die Geschichte vom hungrigen David erzählt, der schließlich die heiligen Schaubrote isst, von denen eigentlich nur die Priester essen durften. Eigentlich. Aber ein Priester selbst, Ahimelech, gibt sie David als Nahrung – Ahimelech hat erkannt, was wichtig ist.

Ãœberhaupt,  wenn man es denn so genau nehmen möchte, verstößt ja der Dienst der Priester am Sabbat gegen das Sabbatgebot: am Sabbat töten die Priester im Tempel die Tiere und opfern sie, und sie verrichten noch allerlei andere Arbeiten – sie können sich also gar nicht an das Gebot halten. Das ist ein Widerspruch in sich. Aber darauf kommt es in diesem Zusammenhang ja auch gar nicht an.

Und das ist der Punkt – worauf kommt es an?

„Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ – so sagt es Jesus.

„Opfer“ – die sind im mosaischen Gesetz genauestens vor- und festgeschrieben. Das ist das Denken der Pharisäer. „Dienst nach Vorschrift“, aber nichts darüber hinaus. Die Vorschriften müssen eingehalten werden, weil sie eben festgeschrieben sind. Und es wird nicht hinterfragt, ob sie –noch oder jetzt gerade -  sinnvoll und gut für die Menschen sind.

Jesus sieht das anders, und wagt etwas, indem er den Pharisäern widerspricht. Es geht ihm aber nicht darum, das Gesetz aufzuheben. Dazu ist er auch viel zu sehr Jude. Im 5. Kapitel des Matthäusevangeliums sagt er: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ (Mt 5, 17)

Darum geht es Jesus. Das Gesetz erfüllen, das heißt, es mit Leben zu füllen beziehungsweise, es dem Leben der Menschen entsprechend zu deuten. Jesus will das Heil der Menschen, ein umfassendes Heil an Leib und Seele. Das – oder auch das – verstehe ich, wenn ich das Jesuswort höre: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben.“, wie wir es im Johannesevangelium lesen.

Das ist die Botschaft vom Reich Gottes mitten unter uns Menschen, das mit Jesus selbst angebrochen ist, aber noch auf seine Vollendung wartet – auch durch uns. Dazu sind wir als Christinnen und Christen aufgerufen, mitzuwirken an seinem Reich.

Und dabei ging es Jesus nicht um eine großartige Theorie für unser Leben und unseren Glauben, sozusagen ein allgemein gültiges Manifest für alle Menschen als pauschale Masse. Nein, Jesus ging es immer um den einzelnen, sei es zum Beispiel um die Frau am Jakobsbrunnen, oder den Zöllner Zachäus, oder auch „nur“ den namenlosen Diener eines römischen Hauptmanns.

Er schaut auf den Einzelfall – eine Handlungsweise, die erfreulicherweise inzwischen doch auch in den Köpfen heutiger Politiker und Kirchenmänner wieder anzukommen scheint; sei es bei der Prüfung von Asylanträgen von Geflüchteten aus Afghanistan, oder wenn es um die Zulassung zur Kommunion wiederverheirateter Geschiedener geht.

Ãœbrigens: und auch hier braucht es mutige und deutliche Worte von mutigen Menschen, die es wagen, gegen den allgemeinen Trend in der Politik oder auch gegen alte Kirchengesetze aufzustehen und zu widersprechen.

Menschen, die –ausgesprochen und unausgesprochen- nach dem Vorbild Jesu leben und handeln.

 

Liebe Christinnen und Christen,

fast könnten Sie meinen, für mich gäbe es zur Zeit nur einen christlichen Autor, denn bereits in meiner Predigt am 19. Februar habe ich Ihnen einen Text von Lothar Zenetti präsentiert.

Tatsächlich werde ich es heute wieder tun, einfach weil dieses Gedicht von ihm so gut zu meinen Gedanken passt.

In diesem Sinne möchte ich auch Sie ermuntern, gerade jetzt in der Fastenzeit mutige Schritte zu gehen - wie es Lothar Zenetti formuliert:

Was keiner wagt, das sollt ihr wagen
was keiner sagt, das sagt heraus
was keiner denkt, das wagt zu denken
was keiner anfängt, das führt aus

Wenn keiner ja sagt, sollt ihr's sagen
wenn keiner nein sagt, sagt doch nein
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben
wenn alle mittun, steht allein

Wo alle loben, habt Bedenken
wo alle spotten, spottet nicht
wo alle geizen, wagt zu schenken
wo alles dunkel ist, macht Licht.

L. Zenetti

 

Amen.

 

© B. Vallendor, 2017

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.