Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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Ostern

Lesung: Phil 2, 6-11

Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen;er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: ,Jesus Christus ist der Herr.' - zur Ehre Gottes, des Vaters.

 

Evangelium: Joh 20, 1-9

Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als erster ans Grab.
Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein.
Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.
Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte.
Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.

Predigt:

Liebe Gemeinde,

sechs Wochen lang haben wir uns jetzt provozieren lassen im positiven Sinne. Anregen, inspirieren lassen von Paulus, dessen Leben und Wirken  so viele verschiedene Facetten hat. Der sich verwandelt vom hitzköpfigen Christenverfolger zum wohl bedeutendsten Missionar der frühen Kirche. Der seine ganze Kraft und Lebenszeit  investiert, damit Menschen etwas von diesem Jesus erfahren. Der Reisen startet, die Jahre dauern, übers Land und Meer führen und ihn immer wieder in extremste Situation bringen. Der sich als Seelsorger und Theologe durch seine Gemeindebesuche und in seinen Briefen den vielen Problemen annimmt, die Menschen haben. Der sieht, wie wichtig Frauen für das Funktionieren und die Vitalität von  Gemeinden sind. Und der Heiden einen Direkteinstieg in die Kirche ermöglicht, ohne sie vorher auf den jüdischen Glauben zu verpflichten.

Heute, am Ende der Predigtreihe, dürfen wir uns noch einmal provozieren lassen.

Dieses Mal heißt die Provokation „Ostern“. Und damit meine ich nicht das Ostern in der Werbung, die gleich nach Weihnachten schon die ersten Osterhasen im Supermarkt anpreist. Oder wenn wir auf jedem Fernsehkanal idyllische Frühlingsszenen zu sehen bekommen, in denen alle Menschen gut gelaunt, vital und fit und in perfekter Harmonie zusammenleben.

Nein, ich meine das Ostern, von dem wir heute im Evangelium hören. Von einem Ostern, dass uns auffordert zu glauben: Jesus lebt!

Er, der für die Hohenpriester, Pontius Pilatus und wohl auch schon für einige seiner Jüngerinnen und Jünger erledigt und abgeschrieben war.

Er, den sie ans Kreuz geschlagen und so übel zugerichtet haben.

Er, den sie vom Kreuz herabgenommen, ins Grab gelegt und beweint haben: Dieser Jesus lebt!

Können sie mit dieser Botschaft etwas anfangen?

Können sie sich von dieser Osterbotschaft im guten Sinne provozieren lassen?

Ganz bestimmt ist Ostern eine Provokation für alle, die nur für wahr halten können, was man sehen, messen, wissenschaftlich beweisen kann. Oder was sich eben deckt mit den eigenen alltäglichen Erfahrungen.

Ganz bestimmt ist Ostern eine Provokation für alle, die in Jesus allenfalls einen guten Menschen sehen, der eben für die gute Sache gestorben ist wie viele andere im Laufe der Menschheitsgeschichte. Und die am liebsten alles Göttliche in Bezug auf seine Person ausblenden wollen.

Und ganz bestimmt ist Ostern von Karfreitag her betrachtet eine Provokation für alle, die nicht verstehen können, wie Gott es zulassen kann, dass ein Mensch, der so auf Gott vertraut, so schmachvoll am Kreuz enden muss?

Im heutigen Evangelium beginnt die „Provokation Ostern“ erst einmal mit einem Schock! Der Stein ist weggerollt. Das Grab ist leer. Und von Jesus keine Spur. Bei Maria von Magdala, Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, macht sich Panik breit. Sie rennen zum Grab, innerlich wohl völlig durch den Wind. Nach dem schlimmen Tod am Kreuz nun gleich das nächste Schockerlebnis. Am Grab ange-kommen, wird aus dem Schrecken ganz langsam eine Ahnung, dass hier die Lage anders ist als befürchtet. Eine Ahnung, die sich Schritt für Schritt herantastet an das Unglaubliche. Wir hören in der Bibel an dieser Stelle kein Donnern und kein Blitzen. Wir sehen keinen großen leuchtenden Engel. Selbst Jesus, selbst der Auferstandene tritt an dieser Stelle noch nicht persönlich auf. Die ersten Osterspuren im heutigen Evangelium - sie sind ganz unspektakulär: Da sind die Leinenbinden. Und da ist das Schweißtuch in der Grabeshöhle. Es fällt auf, dass es getrennt da liegt von den Leinenbinden.  Ordentlich zusammengebunden und an einer anderen Stelle als gewöhnlich. Langsam wird es den Jüngern wohl gedämmert haben: Ein Leichenraub kann es nicht sein. Sonst sähe das alles viel chaotischer aus. Und wer würde schon einen Leichnam erst auspacken, bevor er ihn dann mitnimmt?

Etwas anderes muss geschehen sein. Ganz leise, ganz unspektakulär. Aber mit einer Schlagkraft, die alles verändert. Der Jünger, den Jesus liebte, wird sich dessen immer mehr bewusst. Oder wie es im Text heißt: Er sah und glaubte. Petrus wird noch eine Weile brauchen, bis auch begreift, was sich hier ereignet hat.

 

Liebe Mitchristen,

von allen vier Evangelisten ist Johannes der Theologischste: Keiner reflektiert so tiefgründig die Person und das Wirken Jesu. Keiner ist so sprachgewaltig. Doch um uns Ostern zu erklären, verzichtet Johannes auf große philosophische Ausführungen oder sprachlich-stilistisch Besonderheiten. Er erzählt einfach nur. Unkompliziert, verständlich und unaufdringlich. Und provoziert doch eine Ahnung, die immer gewisser und stärker wird: Die Ahnung, die feste Überzeugung, dass Gott Jesus nicht im Tode belässt, sondern auferweckt.

 

Liebe Gemeinde,

Ostern will in Menschen also diese Ursehnsucht, diese Urhoffnung nach Leben wachhalten und immer wieder neu provozieren. Für die Kranken mag es die Hoffnung sein, nicht vergessen und wieder gesund zu werden. Für die Geflüchteten nährt es die Hoffnung, endlich einen Ort zu finden, wo Krieg und Zerstörung aufhören und sie ein Leben in Frieden finden können. Für die Gefangenen wird diese Hoffnung konkret in ihrem Wunsch nach Freiheit und eine neue Chance, es dieses Mal besser machen zu können. Für die Trauernden ist es die Hoffnung auf Menschen, die einfach nur da sind, zuhören können und mit ihnen ihren Weg gehen. Für die Zerstrittenen besteht diese Hoffnung darin, dass Streit und Anfeindungen ein Ende haben und alte Verletzungen heilen können. Für Menschen ohne Perspektive ist es die Hoffnung, dass sie endlich so etwas wie eine Vision finden, für die es sich lohnt zu leben.

Und wie sieht es da bei uns aus? Was ist unsere Hoffnung, unsere Sehnsucht im Blick auf ein gelingendes und gutes Leben? 

Liebe Mitchristen,

Ostern  - das ist die göttliche Provokation des Lebens an uns alle. V.a. aber auch an die, die aufgehört zu glauben, dass es mit ihnen und ihrem Leben – bei all den Sorgen und Nöten -  doch noch gut werden kann. Amen.

© B. Held, 2016

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.