Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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Ravensburg West
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5. Fastensonntag

Zum MISEREOR-Sonntag:

Mein Name ist Sabrina Syben. Seit zweieinhalb Jahren arbeite ich für die Organisation NETZ Bangladesch.

NETZ Bangladesch führ seit über 25 Jahren Entwicklungsprojekte in Bangladesch durch. Dabei arbeiten wir partnerschaftlichen mit lokalen Organisationen vor Ort zusammen in den Bereichen Ernährungssicherung, Grundbildung und Menschenrechte.

Bangladesch – ein Land, das vor meiner Arbeit für NETZ ein weißer Fleck auf der Landkarte war. Ich wusste es liegt zwischen Indien und Myanmar; hatte von den schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie gehört und das es zu den ärmsten Ländern der Welt gehört.

Seit dem habe ich viel über Bangladesch gelernt und hatte auch die Möglichkeit das Land und seine Menschen selber kennen zu lernen: 160 Millionen Menschen leben in Bangladesch auf einer Fläche, die zweimal so groß ist wie Bayern. Die Hauptstadt ist geprägt von Widersprüchen: Auf der einen Seite die Villen und Parks der reichen Bevölkerung Bangladesch, auf der anderen Seite die Armenviertel, der Menschen die die Armut vom Land in die Städte treibt. Das Leben findet draußen auf der Straße statt. Draußen auf dem Land konnte ich mich kaum satt sehen an dem Grün der Reisfelder und der Jute-Pflanzen. Mit großer Herzlichkeit und Gastfreundschaft wurde ich in den Häusern der Menschen empfangen. Viele verschiedene Bevölkerungsgruppen mit ihren eigenen Festen und Traditionen leben in Bangladesch, und eines konnte ich sogar miterleben – die Musik, den Gesang und die Tänze von Frauen in ihren bunten Saris.

Mit Bangladesch verbinde ich nicht mehr nur Armut und Hunger. Bangladesch besitzt großes Potenzial: In den Bereichen Lebenserwartung, Bildung und wirtschaftliches Wachstum hat das Land und seine Bevölkerung große Fortschritte erreicht. Den Tatendrang konnte ich in jedem meiner Gespräche spüren.

Die Stärke Bangladeschs liegt in der jüngeren Generation. Bangladesch kann eines der erfolgreichsten Länder sein, wenn seine Kinder und Jugendlichen eine ordentliche Ausbildung erhalten. 26 Millionen Kinder sind im schulpflichtigen Alter. Allerdings haben immer noch 2,6 Millionen Kinder keinen Zugang zu Bildung. Die Hälfte der Kinder, die an staatlichen Grundschulen eingeschult werden, verlässt die Grundschule ohne Schulabschluss. Das hat verschiedene Gründe: Die Qualität des Unterrichts ist schlecht, weil die Lehrer nicht ausreichend ausgebildet sind und bis zu  100 Kinder in einer Klasse unterrichten müssen. Viele Lehrer sind unmotiviert, weil sie nicht so gut bezahlt werden.

Für die Eltern ist es nicht immer möglich die Bücher- und Materialkosten zu bezahlen. Manche Kinder können sich im Unterricht nicht gut konzentrieren, weil ihre Familie nicht genügend zu essen hat. Auf dem Land sind Straßen und Wegen schlecht ausgebaut, so dass der Schulweg lang und beschwerlich ist. 

Nur ein Fünftel der Kinder, die ihren Grundschulabschluss machen, beherrschen wirklich die Fähigkeit des Rechnen und Schreibens.

Dier Herausforderung bei unserer Arbeit ist es, Kindern überhaupt den Zugang zu Bildung zu ermöglichen und ihnen auch gute Bildung zu vermitteln.

Im Norden in Bangladesch liegen die ärmsten Regionen des Landes – und hier wohnen die meisten der Kinder, die keinen Zugang zu Bildung haben.

 In diesen Regionen haben Sie als Gemeinde in den letzten vier Jahren auch zwei Grundschulen unterstützt – die Salapak Pachimpara und die Salapak Purbopara Grundschule im Dorf Char Salapak.

Das Dorf Char Salapak liegt auf einer der entlegenen Schwemmlandinsel im Norden Bangladeschs. Mit dem Boot ist es möglich über den Fluss zu setzen und zum Dorf zu gelangen. Ein Damm verhindert das Wasser in der Regenzeit ungebremst das Dorf flutet. Die Schulen bestehen jeweils aus einem Raum. Für den Zeitraum von vier Jahren hat unsere Partnerorganisation diese Räume angemietet, damit hier Ihre Partnerschulen eingerichtet werden können. Mit ihren Familien wohnen die meisten Kinder in unmittelbarer Umgebung der Schulen, also zwischen 3 und 30 Gehminuten entfernt. So machen sich die Mädchen und Jungen an sechs Tagen in der Woche, von Samstag bis Donnerstag, zur Schule auf. Der Unterricht beginnt um 9 Uhr. Bengalisch, Mathe, Englisch, Natur- und Sozialkunde und Religion sind die Fächer, in denen die  Kinder unterrichtet werden. Die Schulmaterialien wie Bücher, Hefte und Stifte stellt die NETZ-Partnerorganisation den Kindern kostenlos zur Verfügung.

Nargis Akter Shema und Tasmina Begum, die Lehrerinnen, haben beide die 10. Klasse absolviert. 2012, bevor die Schulen eröffnet wurden, haben beide an einer 12-tägigen Grundlagen-Schulung teilgenommen. Seit dem haben sich die Lehrerinnen in regelmäßigen Schulungen in kindzentrierten Methoden und neuen Unterrichtsinhalten weitergebildet. In monatlichen Vernetzungstreffen haben sie sich mit anderen Lehrerinnen an NETZ Schulen ausgetauscht und sich gegenseitig unterstützt. Zusätzlich hat vier Jahre lang jede Woche ein Mitarbeiter der NETZ-Partnerorganisation die Lehrerinnen und ihre Schülerinnen besucht, um die Lehrerinnen zu unterstützen und mit den Kindern und ihren Familien zu sprechen.

Mit Ihrer Unterstützung war es in den letzten vier Jahren auch möglich zweimal im Jahr ein Arzt an die Schulen zu schicken. Dann sind die Kinder jedes Mal gründlich untersucht worden und wo erforderlich auch gleich behandelt worden. Viele Kinder haben an den Symptomen von Mangelernährung gelitten und vom Arzt Vitamin- und Eisentabletten oder gegen Erkältungen, Fieber oder Hautkrankheiten auch Medikamente und Salben bekommen.

Viele Eltern arbeiten als Tagelöhner auf den Feldern. Das heißt sie haben kein gesichertes Einkommen und verdienen häufig nicht ausreichend, um ihre Familie zu versorgen. Im Oktober und November, wenn es nicht genug Arbeit auf den Feldern gibt, haben die Kinder an Ihren Partnerschulen auch jeden Tag ein warmes Mittagessen bekommen.

2012 sind 28 Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren in die Salapak Purbopara Grundschule eingeschult worden. 24 Kinder haben im Dezember 2015 ihren Grundschulabschluss gemacht. Einige Kinder mussten in den letzten vier Jahren die Schule verlassen, weil sie mit ihren Eltern umgezogen sind. Gleichzeitig sind auch wieder neue Schülerinnen und Schüler hinzugekommen. Die Grundschulabschlussprüfungen waren ein sehr wichtiges Ereignis im letzten Jahr. Schon Monate vorher haben sich die Kinder auf die Prüfungen vorbereitet und alle wichtigen Unterrichtsinhalte mit den Lehrerinnen wiederholt. Im Dezember haben die Kinder an sechs aufeinanderfolgenden Tagen in ihren 6 Schulfächern ihr Grundschulexamen abgelegt- und alle erfolgreich. Viele Kinder wissen schon ganz genau, was sie einmal werden wollen: Die Jungen wollen Ingenieur, Polizist, Lehrer oder Arzt werden; die Mädchen Lehrerin, Ärztin oder Krankenschwester.

Ich möchte mich bei Ihnen, liebe Gemeinde herzlichst dafür bedanken, dass sie 43 Mädchen und Jungen im Dorf Char Salapak die Chance gegeben haben ihre Wünsche zu verwirklichen.  Viele von ihnen sind die ersten in ihrer Familie die nun einen Schulabschluss besitzen.

Bei einer Veranstaltung mit Firmlingen in meiner alten Heimatgemeinde habe ich auch einen Flüchtling aus Bangladesch kennengelernt. In Deutschland hat er zum ersten Mal die Gelegenheit bekommen die Schule zu besuchen. Er ist jetzt 18 Jahre alt geworden. Wir unterhalten uns, und dann sehe ich wie er Tränen in den Augen hat – nicht weil er schon 4 Jahre seine Familie nicht mehr gesehen hat, nein, weil er es unfassbar findet, dass wir hier in Deutschland und Gedanken über sein Heimatland machen, das uns doch ganz egal sein könnte, dass wir uns überlegen, wie man dort die ärmeren Familien unterstützen. Er findet es unfassbar, dass diese Menschen uns wichtig sind.

Niemand sollte dazu gezwungen sein Land, seine Familie verlassen zu müssen, weil er keinen anderen Weg aus der Armut sieht.

Mit Bildung lässt sich nicht jedes Problem lösen. Doch Lesen, Schreiben und Rechnen zu können, einen Grundschulabschluss zu haben ist ein erster Schritt aus diesem Teufelskreis der Armut und kann Menschen die Chance geben bei ihren Eltern, ihren Brüdern und Schwestern, ihren Ehemännern und Ehefrauen und Kindern bleiben zu können.

Deswegen freue ich mich umso mehr, dass Sie sich als Gemeinde dazu entschlossen haben für weitere vier Jahre zwei Grundschulen in Bangladesch zu unterstützen. Letzte Woche hat an der Kella Bari und an der Battali Grundschule für die Lehrerinnen Lipi Begum und Jasmin Ferdousi mit ihren insgesamt 64 Schülerinnen und Schülern der Unterricht begonnen. Das machen Sie durch Ihre Unterstützung möglich.

Herzlichen Dank!

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.