Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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4. Fastensonntag

Lesung: Gal 2, 11-16

Als Kephas aber nach Antiochia gekommen war, bin ich ihm offen entgegengetreten, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte.
Bevor nämlich Leute aus dem Kreis um Jakobus eintrafen, pflegte er zusammen mit den Heiden zu essen. Nach ihrer Ankunft aber zog er sich von den Heiden zurück und trennte sich von ihnen, weil er die Beschnittenen fürchtete.
Ebenso unaufrichtig wie er verhielten sich die anderen Juden, sodass auch Barnabas durch ihre Heuchelei verführt wurde.
Als ich aber sah, dass sie von der Wahrheit des Evangeliums abwichen, sagte ich zu Kephas in Gegenwart aller: Wenn du als Jude nach Art der Heiden und nicht nach Art der Juden lebst, wie kannst du dann die Heiden zwingen, wie Juden zu leben?
Wir sind zwar von Geburt Juden und nicht Sünder wie die Heiden.
Weil wir aber erkannt haben, dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir dazu gekommen, an Christus Jesus zu glauben, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird niemand gerecht.

 

Evangelium: Mt 16, 13-20

Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn?
Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.
Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!
Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.
Dann befahl er den Jüngern, niemand zu sagen, dass er der Messias sei.


Predigt:

Liebe Gemeinde,

„Provokation Paulus“; so lautet der Titel unserer diesjährigen Predigtreihe in der Fastenzeit und über Ostern.

Nach einer grundlegenden Einführung von Pfr. Hübschle haben wir am 2. Fastensonntag gehört, was Paulus als Missionar bereits alles an Provokationen erleben musste.

Letzten Sonntag durften wir erfahren, dass und wie Paulus auch Frauen in Leitungsämter der jungen Kirche eingesetzt hat – für seine Zeit und Lebensverhältnisse wahrhaftig provokativ!

Und in der heutigen Lesung wird Paulus selbst „provoziert“. Eine Provokation bedeutet laut Duden eine Herausforderung, durch die jemand zu Handlungen veranlasst wird.

Und genau das ist geschehen – und durch niemand anderen als Petrus höchstpersönlich!

In unserer römisch-katholischen Kirche werden Petrus und Paulus oft in einem Atemzug genannt – viele Kirchengebäude sind nach beiden benannt, und sie teilen sich den Gedenktag am 29. Juni. Auch den Weihetag der beiden Kirchen, die in Rom über ihren Gräbern errichtet wurden, feiert die Kirche am gleichen Tag. Damit soll die enge Verbindung zwischen diesen beiden großen Glaubenszeugen zum Ausdruck gebracht werden. So erscheinen die beiden fast wie zwei Unzertrennliche.

Dabei waren Petrus und Paulus grundverschieden, und auch keineswegs immer einer Meinung.

Pfarrer Hübschle hatte es in seiner Predigt bereits angesprochen: Petrus, Zeuge der ersten Stunde, wandte sich mit seiner Botschaft vor allem an die Juden in seiner Umgebung. Paulus  dagegen ging als Missionar in die Welt, zu den so genannten Heiden.

Und hier lag auch der kritische Punkt, um den es in der heutigen Lesung ging, der den Paulus provozierte, auf Petrus zuzugehen und ihm offen entgegenzutreten.

Zwischen Antiochia, wo Paulus zugange gewesen war, und Jerusalem war ein heftiger Streit ausgebrochen. In Antiochia waren viele Heiden getauft worden und bildeten mit den ehemaligen Juden eine Gemeinde, die zusammenhielt und in der man sich gut verstand. Man traf sich oft, aß und trank miteinander und manche Juden- und Heidenchristen wurden echte Freunde.

Daran hatten die Christen in Jerusalem Anstoß genommen. Sie, die fast alle seit ihrer frühesten Kindheit das Gesetz und die jüdi­schen Bräuche eingehalten hatten, hielten daran auch als Christen fest. Sie hatten zwar nichts gegen die Taufe von Heiden einzuwen­den, waren aber der Meinung, diese müssten nicht nur an Jesus Christus glauben, sondern auch die jüdischen Vorschriften beach­ten und sich zum Zeichen dafür beschneiden lassen. Wer Christ werden wollte, hatte nach ihrer Ansicht zuerst einmal Jude zu werden.

Dieser Streit brach offen aus, als Petrus nach Antiochia kam. Zuerst hatte der nämlich keine Bedenken, auch mit den ehemaligen Heiden zusammen zu essen und zu trinken. Dann aber hatten ihm anscheinend einige Judenchristen aus Jerusalem Vorwürfe gemacht, sodass es Petrus mit der Angst zu tun bekam. Um seine Freunde in Jerusalem, vor allem den Jakobus, nicht zu verärgern, wagte er es nicht mehr, die Heidenchristen zu besuchen.

Dieses Verhalten des Petrus versetzte Paulus in Wut. Hatte er sich doch dem Christentum zugewandt, gerade weil dieses das Ge­setz überflüssig und die Menschen frei machte.

(zitiert nach R. Abeln, Petrus und Paulus)

Der Streit ging weiter und schließlich beschloss man, dass sich alle Apostel und Älteste in Jerusalem treffen und die Sache regeln sollten. So fand um das Jahr 48 das erste Konzil, das sogenannte „Apostelkonzil", in Jerusalem statt. Und Paulus konnte sich auf der Versammlung durchsetzen: Wenn ein Heide Christ werden wollte, kam es nur darauf an, dass er an Jesus Christus glaubte und ihm nachfolgte. Er musste nicht zuerst Jude werden und sich beschneiden lassen.

In der Folgezeit achtete Paulus streng darauf, dass die Entschei­dung des Apostelkonzils überall durchgeführt wurde.

Wir haben ja im heutigen Evangelium gehört, dass Petrus – Kephas – als der Fels bezeichnet wird, auf den die Kirche aufgebaut wird.

Dass aber das Christentum in aller Welt verbreitet wurde und bei den Menschen Anklang fand, das haben wir Paulus zu verdanken.

Immer wie­der kämpfte er darum, dass die Christen frei bleiben.

Angelika Böhm hat es in ihrer Predigt am letzten Sonntag bereits zitiert: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid eins in Christus Jesus.“ (Gal 3, 28)

Wir sind alle eins – es ist also kein Unterschied zwischen den Juden, Judenchristen, und den Griechen, den Heidenchristen.

So sagt und fordert es Paulus.

Ich möchte noch einmal auf die Denkweise der Judenchristen zurückkommen, von der sich Petrus auch nicht ganz loslösen konnte.

Damals hieß die Denkweise der Judenchristen „nur wer die jüdischen  Gesetzesvorschriften und Gebote – und das sind etliche! – genau einhält und befolgt, der kann ein Christ werden und ein guter Christ sein.

Petrus fürchtete die Menschen, die so dachten. Warum? Nur weil sie so mächtig oder bedeutend waren? Oder weil in seinem Denken und in seinem Herzen noch etwas von dieser Gesetzestreue lebte?

Immerhin – Petrus kommt anscheinend zur Besinnung; im Bericht über das Apostelkonzil in der Apostelgeschichte spricht er sich gegen eine Verpflichtung der Heiden auf das jüdische Gesetz aus.

Und wie ist das bei uns, heute? Dieses „nur wenn“ – diese „Vorbedingungen“ mit Blick auf unseren Glauben; kennen wir das nicht auch noch?

„Um zur Kommunion zu gehen, muss man nüchtern sein.“

„Regelmäßiges Beichten ist für einen echten Christen selbstverständlich.“

 â€žNur wer jeden Sonntag den Gottesdienst besucht ist ein guter Christ.“

- ich könnte noch lange so weitermachen, und Sie könnten sicher noch ergänzen.

Es finden sich wahrlich genug Ge- und Verbote, sei es in der Bibel oder im Katechismus.

Aber macht die genaue Einhaltung dieser Vorschriften wirklich echtes Christsein aus? Ist das die Botschaft, die Jesus von Nazareth uns Menschen gebracht hat, die Botschaft  vom Reich Gottes, das unter uns Menschen angebrochen ist?

Das kann es wohl nicht sein. Zumal Jesus selbst ja durch sein Tun und Handel immer wieder deutlich gemacht hat, worauf es wirklich ankommt: seine Liebe unter den Menschen zu leben, und beispielsweise den Kranken sofort zu heilen und nicht zuzuwarten, bis der Sabbat vorüber ist.

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit", schreibt Paulus in seinem Brief an die Galater – das Motto unseres Gemeindejubiläums von Dreifaltigkeit letztes Jahr.

Wir sind also frei in unserem Tun und Handeln.

Wobei „frei“ nicht heißt „beliebig“ oder gar „gleichgültig gegenüber allem und jedem“.

Das macht Paulus im 1. Korintherbrief auch deutlich: „Alles ist mir erlaubt – aber nicht alles nützt mir.“ Schreibt er im 6. Kapitel. In der Lutherübersetzung steht übrigens nicht „nützt mir“ sondern „dient mir zum Guten“. Oder im 10. Kapitel heißt es: „Alles ist erlaubt – aber nicht alles baut auf“. Verschiedene Bibelübersetzungen deuten diesen „Aufbauen“ wahlweise auf die junge Gemeinde oder auch auf den persönlichen Glauben eines jeden.

 

Liebe Gemeinde!

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“

„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient mir zum Guten.“

„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles baut auf.“

So schreibt Paulus.

Fühlen Sie sich in Ihrem Glauben frei? - oder sollte ich sagen: in ihrem Leben DURCH Ihren Glauben frei?

Dient Ihnen Ihr religiöses Denken und Handeln zum Guten? Baut es Sie auf – ganz persönlich?

Ich möchte Sie an diesem Fastensonntag einladen, einmal innezuhalten und diesbezüglich einmal Ihren eigenen Glauben und Ihre Glaubenspraxis anzuschauen:

Wo fühlen Sie sich durch Christus befreit?

Was dient Ihnen zum Guten?

Was baut Sie in ihrem Glauben auf?

Amen.

© B. Vallendor, 2016

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.