Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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3. Fastensonntag

Lesung: Röm 16, 1-16

Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä:
Nehmt sie im Namen des Herrn auf, wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht; sie selbst hat vielen, darunter auch mir, geholfen.
Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mich ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar.
Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt. Grüßt meinen lieben Epänetus, der die Erstlingsgabe der Provinz Asien für Christus ist.
Grüßt Maria, die für euch viel Mühe auf sich genommen hat.
Grüßt Andronikus und Junias, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie sind angesehene Apostel und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt.
Grüßt Ampliatus, mit dem ich im Herrn verbunden bin.
Grüßt Urbanus, unseren Mitarbeiter in Christus, und meinen lieben Stachys.
Grüßt Apelles, der sich in Christus bewährt hat. Grüßt das ganze Haus des Aristobul.
Grüßt Herodion, der zu meinem Volk gehört. Grüßt alle aus dem Haus des Narzissus, die sich zum Herrn bekennen.
Grüßt Tryphäna und Tryphosa, die für den Herrn viel Mühe auf sich nehmen.
Grüßt die liebe Persis; sie hat für den Herrn große Mühe auf sich genommen.
Grüßt Rufus, der vom Herrn auserwählt ist; grüßt seine Mutter, die auch mir zur Mutter geworden ist.
Grüßt Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die Brüder, die bei ihnen sind.
Grüßt Philologus und Julia, Nereus und seine Schwester, Olympas und alle Heiligen, die bei ihnen sind.
Grüßt einander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Gemeinden Christi.

 

Evangelium: Lk 8, 1-3

In der folgenden Zeit wanderte er (Jesus) von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn, außerdem einige Frauen, die er von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt hatte: Maria Magdalene, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie alle unterstützten Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen.

 

Predigt:

Liebe Gemeinde,

mehr als 1600 Jahre alt ist der Text, den ich Ihnen jetzt gleich vorlesen werde. Er gehört zu den „Apostolischen Konstitutionen“ – das ist eine  Sammlung von religiösen Anweisungen und auch von Ritualen aus der Zeit der ersten christlichen Gemeinden, und die Menschen, die diese Sammlung zusammengeschrieben haben, berufen sich auf die Lehre der Apostel und auf die Verkündigung der Jüngerinnen und Jünger Jesu.

Und jetzt hören Sie diesen Text aus dem 4. Jahrhundert  nach Christus  in seinem Wortlaut:

„Du, Bischof, leg ihr die Hände auf im Kreis des Presbyteriums und der Diakone und Diakoninnen und sprich:

Ewiger Gott, Vater unseres Herrn Jesus Christus, Schöpfer des Mannes und der Frau, Du hast Miriam und Deborah und Anna und Hulda mit Geist erfüllt, du hast nicht verschmäht, deinen eingeborenen Sohn von einer Frau gebären zu lassen, Du hast im Zelt des Zeugnisses und im Tempel die Hüterinnen deiner heiligen Pforten bestimmt:

Schau nun auf diese Deine Dienerin, die zum Diakonat bestimmt ist, und gib ihr deinen heiligen Geist und reinige sie von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes, damit sie das ihr aufgetragene Werk würdig durchführen kann zur Ehre und zum Lob deines Christus, mit dem Dir und dem Heiligen Geist sei Ehre und Anbetung in Ewigkeit. Amen.“

(aus: Diakonat, Ein Amt für Frauen in der Kirche – Ein frauengerechtes Amt?, Schwabenverlag 1997, Seite 47)

Anne Jensen  war  Professorin für Alte Kirchengeschichte an der Universität  Graz, und sie hat bei ihren Forschungen zur Rolle der Frau in der frühen Kirche dieses Weihegebet bei der Diakoninnenweihe entdeckt. Es hat also ganz offensichtlich in den frühen christlichen Gemeinden Frauen im Amt der Diakonin gegeben, und sie wurden im griechischen Urtext – wie ihre männlichen Kollegen auch -   δ ι α κ o ν o Ï‚  genannt.

Diese frühen christlichen Diakoninnen – so beschreibt das Anne Jensen in ihren Forschungsergebnissen – hatten eine ganz wichtige Aufgabe: Sie wurden in die Häuser der erwachsenen Taufbewerberinnen geschickt und mussten dort diesen Frauen die wichtigsten Inhalte des neuen Glaubens erklären - so wie ihn Jesus von Nazareth verkündet hat. Für den Katechumenenunterricht waren die Diakoninnen also verantwortlich. Bei der Tauffeier dann haben sie die nackten Taufbewerberinnen gesalbt, die vorher noch in ein großes Taufbecken steigen mussten. Ihre männlichen Kollegen haben in der frühen Kirche bei den männlichen Taufbewerbern genau die gleichen Aufgaben gehabt. Und weil in diesen frühen christlichen Gemeinden tatsächlich nur Erwachsene getauft wurden und weil diese Frauen und Männer  bei ihrer Taufe nackt gewesen sind, ist diese Aufgabenverteilung nach Geschlechtern völlig einleuchtend.  Nach Abschluss der Tauffeier hat dann der Bischof den neugetauften Frauen die Firmung gespendet, und anschließend sind sie wieder der Diakonin übergeben worden, damit sie von ihr weiter im Glauben unterrichtet werden konnten.

In ihren wissenschaftlichen Forschungsergebnissen zum Diakonat der Frau erwähnt Anne Jensen aber auch, dass uns noch andere Weihegebete  aus diesen ersten christlichen Jahrhunderten erhalten sind und dass in diesen Gebeten nicht nur Miriam und Deborah, Anna und Hulda, sondern auch Phoebe genannt wird. Alle diese Frauen sollen für die neugeweihten Diakoninnen Vorbilder sein.

Und jetzt wird’s spannend: Phoebe ist eine enge Vertraute des Paulus – und sie ist Ihnen in der heutigen Lesung begegnet:

Paulus selber stellt sie der Gemeinde in Rom als „Dienerin der Gemeinde von Kenchreä“ vor – so heißt es in der deutschen Ãœbersetzung. Aber auch hier, im Römerbrief,  steht im griechischen Urtext: δ ι α κ o ν o Ï‚   t η Ï‚  Îµ κ κ λ η σ ι α Ï‚ - also „Diakonin der Kirche“.

Ganz offensichtlich hat es also bereits in den Gemeinden des Paulus Frauen gegeben, die den Dienst der Diakoninnen ausgeübt haben. Und an diesen Frauen haben sich dann die christlichen Gemeinden der nachfolgenden  Jahrhunderte orientiert.

Das ist eine wirkliche Provokation, Paulus!!

Es ist eine Provokation für alle, die in unserer Kirche immer noch gerne vertuschen möchten, dass es das Amt der Diakonin schon einmal gegeben hat.

Die Frage ist nur: Lassen sich die leitenden Männer in unserer Kirche tatsächlich jemals von Paulus  provozieren, wenn es um die Frauen und ihre Weihe geht???!!

„Phoebe – die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä“ – so heißt es in unserem heutigen Lesungstext. Das ist eine völlig falsche und auch eine völlig irreführende Übersetzung.

Phoebe ist Diakonin gewesen: Sie war wohl eine sehr reiche Frau und ist vermutlich mit ihrem Geld auch für die Armen und die  Benachteiligten in der Gemeinde zuständig gewesen. Und genau diese Aufgaben könnten auch in unserer Zeit die Diakoninnen übernehmen:

Es sind doch auch heute noch vor allem die Frauen, die in den Altenheimen, oder in Behinderteneinrichtungen oder bei der Pflege von Kranken und Sterbenden diakonische Dienste tun.

Und genau in diesen Berufen bräuchte es in unserer Zeit von der Kirche geweihte und beauftragte Diakoninnen.  Diese Frauen könnten dann mit einer christlichen Haltung auf die Menschen zugehen. Sie könnten sie ahnen lassen, dass ihnen unser Gott nahe ist. Und: Die Diakoninnen könnten ihnen dann auch die Sakramente spenden.

Ich bin mir sicher:

So könnten viele Menschen in ganz unterschiedlichen sozialen Einrichtungen aufatmen – das  wäre ein wichtiger Dienst für unsere Gesellschaft, und die Kirche in unserem Land würde so wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen.   

Paulus – du bist eine Provokation – für uns alle, bis heute!

Der Völkerapostel zählt in seinem Römerbrief noch andere Frauen auf, die in seinen Gemeinden einen wichtigen Dienst tun:

Priska ist zusammen mit ihrem Mann Aquila sogar Leiterin einer frühen christlichen Gemeinde gewesen, die sich zum Mahlfeiern in Erinnerung an Jesus getroffen hat.

„Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt hat.“ –

so heißt es wörtlich in der heutigen Lesung.

Im Kolosserbrief erzählt Paulus von einer weiteren Frau, die in Laodizea eine Hausgemeinde leitet: Sie heißt Nympha - und auch sie lässt Paulus grüßen „…und die Gemeinde in ihrem Haus.“ (Kol 4, 15)

Und in Philippi ist es Lydia, die Paulus  zur Leiterin einer Hausgemeinde macht. (Phil 4,2)

Der Völkerapostel hat also bei seinen vielen Reisen immer wieder Hausgemeinden  gegründet und dabei ganz viele Männer, aber eben auch Frauen als Verantwortliche eingesetzt. Die Theologin Elisabeth Schüssler-Fiorenza hat dafür eine einleuchtende Erklärung: Diese Frauen in der Zeit des Paulus hatten zwar oft viel Geld, sie haben aber politisch oder gesellschaftlich als Frauen überhaupt keinen Einfluss gehabt und auch kein Mitspracherecht. Das ist ganz offensichtlich in den Gemeinden des Paulus anders gewesen, weil er dafür gesorgt hat, dass sich die Frauen nicht nur mit ihrem Geld, sondern auch mit ihren Begabungen und mit ihrer Verantwortung in seinen Gemeinden einbringen konnten.

Und das gilt auch für die Apostelin Junia. Auch sie  wird in unserem heutigen Lesungstext genannt.  Allerdings ist aus ihr im Laufe der Kirchengeschichte ein Mann geworden: Junias.

Was Paulus an Mitspracherecht und Leitungsverantwortung den Frauen in seinen Gemeinden zugetraut hat, das war ganz offensichtlich in späteren Jahrhunderten für viele Männer eine Provokation. Und dann sind die provozierenden Texte nachträglich korrigiert worden!

 

Paulus – du bist immer eine Provokation gewesen, und du bleibst es vermutlich auch!

Ich nehme einmal an, dass zumindest manche von Ihnen, liebe Gemeindemitglieder, auch noch ganz andere Verse aus den Paulusbriefen kennen, die Sie bis heute provozieren.

Ich denke da an Aussagen wie:

„Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes.“ (1 Kor 11, 7)

Oder:

„Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in der Versammlung schweigen.“ (1 Kor 14, 33b)

Oder noch provozierender ist der Vers:

„Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter.“ (Eph 5, 22)

Wie passen solche Aussagen zu dem Mann, der den Frauen in seinen Gemeinden so viel zugetraut hat?

Norbert Baumert -  früher Professor für Neues Testament in St. Georgen sagt es so:

„Auf jeden Fall will Paulus hier nicht eine grundsätzliche Emanzipationsbestrebung grundsätzlich in die Schranke weisen, sondern dazu Stellung nehmen, dass einige Frauen aufgrund der neuen Freiheit nun über das Ziel hinausschießen.“

( aus: Norbert Baumert, Frau und Mann bei Paulus, Echter 1992, Seite 180)

Und jetzt mit meinen Worten:

Auch Frauen in Macht- und in Leitungspositionen sind keine Heiligen.

Und aus welchem Grund haben dann die Männer in unserer Kirche bei Hochzeiten immer und immer wieder genau diese Verse gewählt, die Frauen demütigen?? Da würde ich doch lieber Verse aus dem

Galaterbrief nehmen, die viel befreiender sind. Paulus schreibt da nämlich:

Es gibt für ihn – und jetzt wörtlich -

„…nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid eins in Christus Jesus.“ (Gal 3, 28)

Das ist für mich persönlich übrigens die großartigste Provokation des Paulus in allen seinen Briefen.

 

Liebe Gemeinde,

ich wünsche Ihnen allen, dass Sie in Ihrem Leben Paulus als Provokation entdecken – als eine Provokation, die Sie befreit und zu selbstbewussten Zeuginnen und Zeugen für den Mann aus Nazareth macht.

Und unseren leitenden Männern in der Kirche wünsche ich, dass sie sich endlich von Paulus provozieren lassen und dass sie ihre Angst verlieren, wenn es um die  Freiheit in unserer Kirche geht und um die Rolle von uns Frauen. Deshalb sage ich jetzt zum Schluss  – ganz im Sinne des Paulus und ganz im Sinne der „Apostolischen Konstitutionen“:

„Du, Bischof, leg ihr die Hände auf.“ Aber tu es jetzt – und nicht erst in 100 Jahren!

Amen.

 

© A. Böhm, 2016

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.