Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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2. Fastensonntag
Lesung: 2 Kor 11
Noch einmal sage ich:
Keiner soll mich für einen Narren halten.
Tut ihr es aber doch, dann lasst mich auch als Narren gewähren, damit auch ich ein wenig prahlen kann.
Was ich hier sage, sage ich nicht im Sinn des Herrn, sondern sozusagen als Narr im falschen Stolz des Prahlers.
Ihr lasst euch die Narren ja gern gefallen, ihr klugen Leute.
Womit aber jemand prahlt - ich rede jetzt als Narr -, damit kann auch ich prahlen.
Sie sind Hebräer - ich auch.
Sie sind Israeliten - ich auch.
Sie sind Nachkommen Abrahams - ich auch.
Sie sind Diener Christi - jetzt rede ich ganz unvernünftig -, ich noch mehr:
Ich ertrug mehr Mühsal, war häufiger im Gefängnis,wurde mehr geschlagen, war oft in Todesgefahr.
Fünfmal erhielt ich von Juden die neununddreißig Hiebe; dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See.
Ich war oft auf Reisen,gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber,
gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden,
gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder.
Ich erduldete Mühsal und Plage, durchwachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße.
Um von allem andern zu schweigen, weise ich noch auf den täglichen Andrang zu mir und die Sorge für alle Gemeinden hin.
Wer leidet unter seiner Schwachheit, ohne dass ich mit ihm leide? Wer kommt zu Fall, ohne dass ich von Sorge verzehrt werde?
Wenn schon geprahlt sein muss, will ich mit meiner Schwachheit prahlen.
Gott, der Vater Jesu, des Herrn, er, der gepriesen ist in Ewigkeit, weiß, dass ich nicht lüge.
Evangelium: Lk 10, 1-9
Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte.
Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.
Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.
Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unterwegs!
Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus!
Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren.
Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes!
Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt.
Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.
Predigt:
Liebe Mitchristen*innen,
wann sind sie das letzte Mal so richtig provoziert worden? Hat sie jemand aufgeregt oder gereizt?
Provokationen gibt es überall im Alltag: Der Drängler im Straßenverkehr. Angeber, die sich in den Vordergrund spielen oder übertreiben. In der Schule oder am Arbeitsplatz, wenn Mitschüler oder Arbeitskollegen einen links liegen lassen und nicht beachten. Im Sport jene Fouls, die der Schiedsrichter nicht sieht, Sticheleien oder Beleidigungen, die aggressiv machen. Oder ein blöder Kommentar über eine Sache oder einen Menschen, der einem etwas bedeutet.
„Provokation Paulus“, so unser Motto in der Fastenpredigtreihe. Letzte Woche haben wir einen ersten Überblick über das Leben und die Theologie dieses Mannes erhalten. Er, der sich das Reich Gottes, von dem wir gerade im Evangelium gehört haben, zur Lebensaufgabe gemacht hat.
Hat sie letzte Woche schon etwas provoziert an diesem Mann? Vielleicht dass Paulus, der einst mit Haut und Haaren Jude war und meinte Christen verfolgen zu müssen, jetzt so ganz anders glaubt und denkt? Der sinngemäß behauptet: „All diese Opfer, die Menschen bringen, bringen nichts – jedenfalls nicht für sich allein genommen. Entscheidend ist, dass Menschen einfach auf Gott vertrauen.“?
Heute ist es Paulus selbst, der sich provozieren lässt. Er macht sich zum Narren, weil andere ihn für einen Narren halten. Es sind Leute aus Korinth, einer bedeutenden christlichen Gemeinde in der griechischen Ägäis. Wahrscheinlich handelt es sich um verbrämte judenchristliche Missionare, die mit Paulus‘ Überzeugung, dass der Glaube an Jesus alleine genügt, um vor Gott zu bestehen, nicht einverstanden sind. Es sozusagen als Verrat am jüdischen Erbe sehen. Diese Gegner, so Paulus in seinem zweiten Korintherbrief, machen sich lustig über ihn und sein Auftreten in der Öffentlichkeit. In ihren Augen ist Paulus matt, fade, ausdruckslos. So ganz anders wie in seinen wortgewaltigen Briefen. Außerdem sind sie sehr stark von sich selbst überzeugt. Sie messen sich gerne an sich selber und geben damit an, was sie schon alles geleistet haben. Sie verstehen es offenbar gut, sich vor den Leuten ins Szene zu setzen, nehmen es aber mit dem Evangelium Jesu nicht so genau. An einer Stelle spricht Paulus sogar von „Lügenaposteln“, die sich nur als Apostel Christi tarnen.
Paulus fühlt sich durch diese Leute herausgefordert. Nicht nur persönlich, weil sie ihn als Missionar in seiner Glaubwürdigkeit, in seiner Verlässlichkeit in Frage stellen. Sondern auch, weil diese Gegner womöglich seine Gemeinde verwirren und spalten. Wenn sie das Wort Jesu nach eigenem Ermessen verdrehen und selbst gar nicht danach leben.
Paulus lässt sich provozieren. Er kontert mit seiner sog. „Narrenrede“. Er macht, was eigentlich überhaupt nicht zu ihm passt, womit er aber seine Gegner mit ihren eigenen Waffen schlagen kann: Er gibt an. Mit seiner jüdischen Abstammung. V.a. mit seinen Erfolgen und Leistungen als Missionar. Er reagiert also mit Ironie und hält seinen Gegnern den Spiegel vor. In diesem Spiegel der Ironie sollen sie ihren eigenen Hochmut, ihre Prahlerei und Selbstverliebtheit erkennen.
Oder, um es in den Worten des Apostels zu sagen: „Was ich hier sage, sage ich nicht im Sinn des Herrn, sondern sozusagen als Narr im falschen Stolz des Prahlers.“
Mit der „Narrenrede“ verteidigt sich Paulus aber nicht nur. In ihr erfahren wir, was Paulus als Missionar schon alles erlebt ist. Was er bereit war einzustecken für das Evangelium Jesu. Wenn wir ihm glauben dürfen – und dass der 2. Korinther-Brief von Paulus selbst stammt, das meinen heute die allermeisten Exegeten – dann macht Paulus vieles durch für seinen Dienst als Missionar: Er muss immer wieder damit klar kommen, abgelehnt zu werden. Von Seiten der Juden als auch von Heiden muss er sich böse Kommentare anhören. Man bringt ihn vor Gericht und verurteilt ihn. Immer wieder. Auch zur Prügelstrafe, also bis zu 40 Peitschenhieben. Einmal wird er sogar gesteinigt und überlebt nur schwerverletzt. Als Missionar lernt er, nur mit dem Allernötigsten auf seinem Weg auszukommen. Notfalls auch zu hungern oder sich der Kälte auszusetzten. Manchmal muss Paulus um Leib und Leben bangen: Bei seinen gefährlichen Reisen über das Mittelmeer (in DFK: Hinweis auf das Symbol „Schiff“) erleidet er einmal Schiffbruch. Außerdem lauern ihm Räuber und religiöse Gegner auf. Er verzehrt sich in der Sorge um seine Gemeinden. Er reagiert mit Briefen auf interne Probleme und Streitigkeiten, setzt sich ein für Versöhnung und ist Anlaufstelle für viele Sorgen und Nöte der Gemeindemitglieder.
Liebe Mitchristen,
für mich ist die Narrenrede aber nicht nur eine Provokation für die Gegner von Paulus. Ich kann in ihr auch eine Provokation für uns heute entdecken. Eine positive Provokation gewissermaßen:
Eine Provokation, die zum Glauben reizen könnte, weil da einer so viel einsteckt und sich doch nicht unterkriegen lässt.
Eine Provokation, die zum Glauben reizen könnte, weil da einer - neben seinen unbestrittenen Erfolgen – auch so viele Gehässigkeiten und Rückschläge ertragen muss. Und trotzdem nicht aufhört, an diesen guten Gott zu glauben, so wie er sich ihm in Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, gezeigt hat.
Eine Provokation, die uns Christen herausfordert, mutig zu sein: Mutig zu sein gegenüber denen, die glaubende Menschen nur belächeln und in Religion keinen Sinn sehen können.
Mutig den Mund aufzumachen gegenüber jenen, die uns Schönheit, Gesundheit oder Erfolg als quasireligiöse Werte diktieren. Und nicht merken, wie kranke, behinderte, arme oder gescheiterte Menschen in einer solch durchgestylten und vermeintlich perfekten Welt gar nicht mehr vorkommen.
Mutig aufzustehen gegenüber jenen, die vor den großen Herausforderungen in unserem Land und in Europa z.Z. nur noch schwarz sehen, Sündenböcke suchen, vielleicht in Hassparolen einstimmen oder – im schlimmsten Fall - sogar Häuser anzünden.
Und mutig in die Zukunft zu schauen und zu glauben, dass - ganz gleich was kommt im Leben, was uns Angst macht, was uns verunsichert, was uns Sorgen bereitet – dass Gott da ist. Dass Gott uns - ähnlich wie bei Paulus - nicht von der Seite rückt. Oder wie es Paulus über sich und seine Glaubensgeschwister an anderer Stelle im 2. Korintherbrief sagt:
„Wir werden verkannt und sind doch anerkannt. Uns wird Leid zugefügt, und doch sind wir jederzeit fröhlich. Wir sind arm und machen doch viele reich. Wir haben nichts und haben (in Christus) doch alles.“
Amen.
© B. Held, 2016
HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.