Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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1. Fastensonntag

Lesung: Röm 10, 8-13

Was sagt die Schrift? Das Wort ist dir nahe, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen. Gemeint ist das Wort des Glaubens, das wir verkündigen; denn wenn du mit deinem Mund bekennst: „Jesus ist der Herr“ und in deinem Herzen glaubst: „Gott hat ihn von den Toten auferweckt“, so wirst du gerettet werden.
Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen.
Denn die Schrift sagt: Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen.
Darin gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen. Alle haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen.
Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.

 

Evangelium: Lk 4, 1-13

In jener Zeit  verließ Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher, und dabei wurde Jesus vom Teufel in Versuchung geführt. Die ganze Zeit über aß er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger.
Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.
Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot.
Da führte ihn der Teufel auf einen Berg hinauf und zeigte ihm in einem einzigen Augenblick alle Reiche der Erde. Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen, und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören.
Jesus antwortete ihm: In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich zu behüten; und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
Da antwortete ihm Jesus: Die Schrift sagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel für eine gewisse Zeit von ihm ab.

 

Predigt:

in diesem Jahr lassen wir uns durch Paulus zu dieser Predigtreihe provozieren. – Paulus – der Querdenker und erste Theologe der Christenheit.

Paulus – der Verfolger der Urchristengemeinde

Paulus – der bekehrte Apostel

Paulus – der Missionar der „Heiden“

Paulus …

Da gibt es noch ganz viele Möglichkeiten, diesem Mann irgendein Etikett anzuheften.

Ich will mit Ihnen heute die Gestalt dieses Mannes, Paulus aus Tarsus, beleuchten und vor allem auch seine theologischen Grundideen in groben Zügen zeigen. Die Lesung war schon ein Überblick über seine Theologie, aber dazu nachher mehr.

 

Das Leben des Völkerapostels Paulus

=> Was wir über Paulus letztlich sagen können, das wissen wir aus der Apostelgeschichte, die der Evangelist Lukas verfasst hat, oder aus seinen Briefen an verschiedene Gemeinden oder Personen.

=> Geboren wurde Paulus in der jüdischen Diaspora, nämlich in Tarsus in Kilikien, das ist heute im Südosten der Türkei.

=> Er ist in einer frommen jüdischen Familie aufgewachsen und gehört zum Stamm Benjamin.

=> In der Apostelgeschichte wird behauptet, dass er schon früh nach Jerusalem gekommen sei. Dort sei er ein Schüler des Rabbi Gamaliel gewesen.

=> Diese intensive Ausbildung hat auch bedeutet, dass sich Paulus sehr gut in der griechischen Philosophie und Kultur ausgekannt hat.

=> Aufgrund seiner Herkunft hat er auch das römische Bürgerrecht besessen, weshalb er am Ende für seine Verurteilung auch nach Rom gebracht werden muss.

=> Er hat sich den Pharisäern angeschlossen und war wohl ein besonders eifriger Vertreter dieser gesetzestreuen Juden.

=> In der Apostelgeschichte und in seinen eigenen Briefen erzählt Paulus davon, dass er die Urchristengemeinde verfolgt hat. Für den Pharisäer Paulus war diese Lehre vom gekreuzigten Messias ein absoluter Skandal und völlig inakzeptabel. So etwas darf in den Reihen der Juden nicht gedacht und nicht gelehrt werden!

=> Paulus war von Beruf Zeltmacher, also für uns heute so etwas wie Sattler. Er hat sich seinen Lebensunterhalt selbst verdient und war damit frei und unabhängig. Er war nicht verheiratet, was für die damalige Zeit völlig ungewöhnlich war.

=> Die Bekehrung des Apostels Paulus hat so um das Jahr 33 n. Chr. stattgefunden, d.h. ca. 2 Jahre nach der Kreuzigung Jesu. Genaue Zahlen dafür sind nicht zu erheben.

=> So um das Jahr 35 n.Chr. hat er zum ersten Mal nach seiner Bekehrung Jerusalem besucht und dort Petrus getroffen.

=> Um das Jahr 45/46 n.Chr. muss das sog. Apostelkonzil in Jerusalem stattgefunden haben. Da sind nach Darstellung des Lukas die entscheidenden Weichen gestellt worden für die Trennung des Christentums vom Judentum.

=> Paulus hat sich dabei durchgesetzt mit seiner Lehre, dass niemand erst Jude werden muss bevor er Christ werden kann. Zu dieser Zeit sind viele sog. „Heiden“ getauft worden, ohne dass sie zuvor beschnitten worden waren.

=> Nach diesem Apostelkonzil ist Paulus zu seiner ersten Missionsreise aufgebrochen, die im Frühjahr 48 n.Chr. endet. Das Gebiet, das er bereist ist der Süden und der Westen der heutigen Türkei.

=> Im Sommer des Jahres 48 n.Chr. macht er sich schon wieder auf den Weg zu seiner zweiten Missionsreise, die ihn über die heutige Türkei auch nach Europa führt. Er kommt nach Saloniki, Athen und Korinth. Über Ephesus kehrt er dann im Jahr 51 n.Chr. nach Antiochien zurück.

=> Im Sommer 51 n.Chr. macht er sich dann schon wieder auf den Weg zu seiner dritten und gefährlichsten Missionsreise, die ihn wieder über Ephesus nach Korinth und in viele Orte führt, wo er früher schon einmal war. Diese Reise endet im Jahr ca. 56 n.Chr. in Jerusalem.

=> In diesem Jahr 56 n.Chr. wird Paulus als Volksaufwiegler in Jerusalem verhaftet und nach einer längeren Haft in Cäsarea nach Rom gebracht. Dort verliert sich seine Spur. Wir wissen heute nicht genau, wann Paulus dort hingerichtet worden ist. Es ist auch nicht klar, ob er jemals den Kaiser zu Gesicht bekommen hat, an den er ja in Jerusalem appelliert hat.  

=> Grundsätzlich ist es sehr schwierig, die Reisen genau zu datieren. Mit allen diesen Jahreszahlen muss man also vorsichtig sein.

=> Aber klar ist, dass Paulus ab seiner Bekehrung im Jahr 33 n.Chr. etwa 30 Jahre lang Zeit gehabt hat, die Botschaft vom angebrochenen Reich Gottes in der damaligen Welt zu verkünden.

=> Paulus hat in dieser Zeit eine erste christliche Theologie entwickelt, die für uns bis heute eine wichtige Grundlage ist.

=> Paulus ist ein guter Theologe und ein scharfer Denker, der die hellenistische Kultur und Philosophie für die Verbreitung des Christentums zu nutzen weiß.

 

Die Theologie des Paulus

=> Zunächst vertritt Paulus ein hebräisches Menschenbild. Danach ist der Mensch eine unteilbare Einheit. Für ihn gibt es keine Trennung in Leib und Seele. Der Mensch ist Leib. Und mit diesem Leib ist er in der Welt. Der Leib ist kein Gefängnis für die Seele. Das ist hellenistisches Denken. Das lehnt Paulus ab.

=> Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen, das mit seinem Leib in dieser Welt vor Gott und für Gott lebt. Dieser Leib ist zwar sterblich, aber er gehört auch in der Ewigkeit Gottes für Paulus untrennbar zum Menschen dazu.

=> Den Leib gibt es somit in der Denkweise des Paulus einmal als vergängliches Prinzip und einmal als unvergängliches Prinzip. Das ist Auferstehung der Toten.

=> Der Mensch im Leib ist allerdings bedroht, weil er sich an weltlichen Dingen orientiert und so oft auch falsche Entscheidungen fällt, die nicht tragen.

=> Wer sich ganz an diesen weltlichen Dingen orientiert, hat Angst sie zu verlieren oder meint, dadurch Ehren und Ansehen zu erreichen. Das ist falsch – sagt Paulus.

=> Es gibt aber auch die anderen Entgleisungen des Leibes, die es nach Paulus einem Menschen unmöglich machen, das Reich Gottes zu erben: Unzucht, Hass, Streit, Fressen und Saufen.

=> Allerdings heißt das im Kern, dass Paulus alles antisoziale und egoistische Verhalten der Menschen meint, wenn er sagt, so kann das Leben eines Menschen nicht gelingen.

=> An dieser Stelle kommt der Begriff der Sünde ins Spiel. Paulus verwendet das Wort Sünde, um eine Unheilsmacht zu beschreiben. Ihm geht es nicht um einen sündigen Menschen, sondern um die Sünde, die die Menschen beherrscht. Das ist quasi für ihn eine personifizierte Macht.

=> Aber sein eigentliches Thema ist, dass die Macht der Sünde bezwungen worden ist!

=> Das Leben ist für alle gewonnen worden durch Jesus den Christus.

=> Adam, der erste Mensch, hat der Macht der Sünde quasi die Tür geöffnet.

=> Und durch die Sünde ist der Tod in unsere Welt gekommen als Ergebnis der Sünde. Wobei es hier um die theologische Dimension von Tod geht.

=> Von Anfang an also war der Mensch eigentlich – nach Paulus – nicht für den Tod geschaffen, sondern für das Leben.

=> Es geht um das Leben. Und die Regelungen für das Leben stehen -nach Paulus - im Gesetz. Dort ist seiner Meinung nach die Willensäußerung Gottes zu finden.

=> Die Juden haben das Gesetz schriftlich, den Heiden ist das Gesetz ins Herz geschrieben. Sie müssen nur danach handeln, dann haben auch sie das Leben.

=> Sünde ist, wenn etwas gegen das Gesetz geschieht oder getan wird. Und Menschen können erkennen, dass sie jetzt gegen die Vorgaben Gottes verstoßen.

=> An dieser Stelle geschieht für Paulus die Zeitenwende! Gott bringt für alle Menschen die Rettung in Jesus dem Christus!

=> Im Kreuz und in der Auferstehung Jesu wird die Gerechtigkeit Gottes offenbar.

=> Diese Gerechtigkeit Gottes ist paradox, weil sie darin besteht, dass Gott die Vergebung zusagt für alle Menschen! Wirklich kaum zu verstehen!

=> Nur wenn man von Gott her denkt, dann bekommt das einen Sinn. Gott sagt allen Menschen seine Vergebung zu und zerstört damit die Macht der Sünde in unserer Welt. – Eine spannende These!

=> Und damit sind wir bei der Rechtfertigungslehre des Paulus, der sagt, dass der Mensch jetzt nur noch dadurch Zugang zum Gerechtigkeitshandeln Gottes hat, dass er an Jesus den Christus glaubt.

=> Der Mensch kann zu seinem Heil nichts beitragen, auch wenn er die Vorgaben des Gesetzes befolgt und Werke der Gerechtigkeit vollbringt.

=> Nein, er kann das Heil einzig erlangen durch den Glauben an den gekreuzigten und auferstanden Jesus, den Christus. –

 

=> Das haben Sie vorhin in der Lesung gehört:

„ wenn du mit deinem Mund bekennst: Jesus ist der Herr und in deinem Herzen glaubst: Gott hat ihn von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet werden.“

 

=> Damit wird eine neue Dimension einführt in das Glaubensgebäude der Menschen: glauben kann und darf jede und jeder – unabhängig von Religions- oder Volkszugehörigkeit! 

=> Denken Sie daran, dass ich hier gerade die Theologie des Paulus in der Zeit der Antike zeichne. Das war  eine Welt, die durch und durch geprägt war von Götterkult und religiösen Vorstellungen.

Da war so eine Feststellung, dass Gott, in seiner Gnade, allen Menschen den Glauben schenkt und sie damit hinein führt in sein Heil – einfach revolutionär und gefährlich!

=> Die Menschen, die an die Unheilsmächte von Sünde, Gesetz und Tod versklavt waren, werden nun durch die Gnade Gottes, die in ihnen wirkt, befreit!

=> Die Gnade ist die Macht, die Gott durch Jesus Christus in den Menschen aufgerichtet hat. Damit sind die Unheilsmächte besiegt.

=> Die Tat der Menschen muss nun sein, das Geschenk der Gnade und des Glaubens anzunehmen. Der Glaube aber ist, Jesus, den Christus als den Herrn des eigenen Lebens anzuerkennen.

=> Damit wird das Evangelium Jesu in unserer Welt lebendig. Das ist das Heilswerk Gottes. Wer so glaubt, lässt sich ein auf die Gegenwart Gottes in unserer Welt.

=> So entsteht dieses „Gemeinschaft in Christus“, wie Paulus das immer nennt.

=> So wird Christus lebendig in dieser Welt durch die Menschen, die sich in seinem Geist für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.

=> So werden alle „eins in Christus“. Das ist der lebendige Leib Christi mitten in einer unheilen Welt.

=> Menschen werden - nach Paulus - durch die Taufe hinein genommen in dieses Heilsgeschehen mit Christus.

=> Damit ist diesen getauften Menschen, bei denen übrigens der Glaube selbstverständlich vorausgesetzt wird, das Leben mit Christus das Lebensprogramm schlechthin geworden.

=> Sie haben bei ihrer Taufe auch den Geist empfangen, der sie befreit hat von allen Unheilsmächten.

=> Damit sind alle Menschen in der Lage, die Frucht des Geistes zu ernten: die Liebe.

=> Dieser Geist der Liebe zeigt sich in den Gemeinden, die als der lebendige Leib Christi in der Welt, das Heil Gottes bezeugen, das allen Menschen gilt.

=> Mit diesem Schnelldurchgang durch das Leben und die Theologie des Paulus sind Sie jetzt gut gerüstet für die weiteren Begegnungen an den kommenden Sonntagen mit diesem Zeugen der „ersten Stunde“ des Christentums.

Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Sonntag.

Amen.

© R. Hübschle 2016

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.