Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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4. Fastensonntag: Gula

Lesung: Eph 5, 8-14

Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts!
Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.
Prüft, was dem Herrn gefällt, und habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen, sondern deckt sie auf!
Denn man muss sich schämen, von dem, was sie heimlich tun, auch nur zu reden.
Alles, was aufgedeckt ist, wird vom Licht erleuchtet.
Alles Erleuchtete aber ist Licht. Deshalb heißt es: Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein.

 

Evangelium: Lk 21, 33-38

Jesus sagte zu den Menschen:
Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, (so) wie (man in) eine Falle (gerät); denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.
Tagsüber lehrte Jesus im Tempel; abends aber ging er zum Ölberg hinaus und verbrachte dort die Nacht.
Schon früh am Morgen kam das ganze Volk zu ihm in den Tempel, um ihn zu hören.

 

Predigt

Liebe Gemeinde,

wer in diesen Tagen Zeitschriften aufschlägt oder im Internet surft, der entdeckt fast überall neue Diät-Programme, die garantiert wirken sollen. Man erfährt, was gerade Mode ist, welche Farben im Trend liegen. Manche lassen sich davon anstecken und gehen in das nächste Modehaus.

(Maßband zur Hand)

Was Verkäufer dort brauchen, ist oftmals auch das hier: ein Maßband, um die genaue Kleidergröße heraus zu finden. Denn nur wer das eigene Maß kennt, findet auch die Größe, die zum ihm passt.

Um das Maß, v.a. um die Maßlosigkeit, die „Völlerei“, dreht sich heute die Predigt. Am vierten Fastensonntag gehen wir gemeinsam wieder einen Schritt weiter in unserer Predigtreihe „Menschliches – allzu Menschliches“.

(Maßband weg)

Wussten sie z.B., dass jeder 5. Jugendliche in Deutschland zwischen 11 und 17 Jahren an einer Essstörung leidet, also an Magersucht oder umgekehrt an regelrechten Ess-Attacken?

Haben sie schon davon gehört, dass in Deutschland 11 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr auf dem Müll landen, es aber Tausende von Menschen gibt, die ihr Essen aus Mülleimern zusammenlesen?

Oder ist ihnen bewusst, dass die 85 reichsten Menschen der Welt so viel Vermögen besitzen wie die arme Hälfte der Weltbevölkerung, also Milliarden von Menschen?

Es gäbe noch viele solcher Beispiele, die uns nachdenklich stimmen. Sie haben etwas gemeinsam: Nämlich, dass da etwas aus dem Lot geraten ist. Dass das Maß nicht mehr stimmt. Dass Extreme die Wirklichkeit ausmachen. Und so verwundert es nicht, dass im Katalog der 7 Todsünden auch die sog. „Völlerei“ vorkommt. Völlerei, oder lateinisch „gula“, ist gleichbedeutend mit Fresssucht, Schwelgerei, Ausschweifung. Völlerei bezieht sich aber nicht nur auf Essen und Trinken. Es kann auch überhaupt stehen für einen Lebensstil ohne Maß und ohne Grenzen. Eine Maßlosigkeit, die das rechte Maß, die gute Ordnung zerstört. Egal ob es um es eine vernünftige Ernährung oder die eigene Gesundheit geht. Oder um das gute Miteinander in unserer Gesellschaft.

 â€žNehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunksucht und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren.“ fordert uns Jesus deshalb heute auf. In der Lutherübersetzung heißt es an der Stelle noch etwas deftiger: „Hütet euch aber, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit täglichen Sorgen.“  

Jesus spricht diese deutlichen Worte, als er vom Kommen des Menschensohnes am Ende aller Tage erzählt. Im gleichen Zug fordert er außerdem, allezeit wachsam zu sein und zu beten. Dann ist da noch sein festes Versprechen, dass Himmel und Erde vergehen werden, seine Worte aber nicht.

Worum geht es Jesus hier? Bestimmt nicht in erster Linie um Gesundheitsratschläge. Bestimmt auch nicht, den Menschen ein leckeres Essen zu vergönnen oder sich satt essen zu dürfen. Von anderen Bibelstellen wissen wir, dass Jesus selbst gerne gegessen hat und bei Menschen oft zu Gast gewesen ist. 

Aber bei „Rausch und Trunksucht“, „beim Fressen und Saufen“ nimmt sich der Mensch mehr, als ihm gut tut. Was ihm eigentlich das Leben ermöglichen und verschönern soll, macht es dann immer mehr kaputt. Nicht nur körperlich, sondern auch geistig, seelisch, zwischenmenschlich.

Ich selber habe schon Menschen erlebt, die mit Alkohol große Schwierigkeiten hatten. Was häufig kleingeredet, beschönigt, womit zuweilen sogar angegeben wird, kann fatale Folgen haben. Da habe ich gesehen, wie Menschen spürbar abbauen, sich selber nicht mehr richtig im Griff haben; und wie das alles auch zur schweren Belastung wird für Familie und Freunde. Aus maßvollem und schönem Genuss ist krankhafte Abhängigkeit geworden. Eine Abhängigkeit, die Menschen ihre innere Freiheit und Würde nimmt. Eine Sucht, die es schwer macht, davon wieder los zu kommen.

Essen und Trinken sind aber nicht das einzige Beispiel für Völlerei heute. Maßlosigkeit, suchtartiges Verhalten finden wir auch in vielen anderen Lebensbereichen. Da sind die sog. „Workaholics“, die von ihrer Arbeit nicht mehr lassen können und sich dabei treiben lassen von einem ungesunden Perfektionismus. „Burnout“ hätte nicht Hochkonjunktur in allen Krankenkassen und Gesundheitsprogrammen, wenn in unserer Arbeitswelt nicht manches übertrieben und maßlos geworden wäre.

Oder man denke an die Internetsüchtigen – und das ist kein Witz – die sich fast mehr im virtuellen Raum aufhalten als in der realen Welt und nicht merken, wie der Kontakt zu ihrem Mitmenschen immer mehr verkümmert. Man könnte vielleicht von „Computer- oder Cyber-Völlerei“ sprechen.

(Maßband zur Hand)

Liebe Mitchristen/innen

um nicht maßlos zu werden, brauchen Menschen ein Maß, einen „Maßstab“. Etwas, woran sie sich orientieren, in der Not auch festhalten können.

Christen/innen sind fest davon überzeugt, dass Jesus dieses „Maß“, dieser Maßstab ist.

(Maßband weg)

Er vertraut in seinem Leben konsequent und fest auf seinen himmlischen Vater. Der lebendige Draht nach oben, dieses „Wachen und Beten“, von dem heute im Evangelium die Rede ist, hält ihn auf dem rechten Kurs. Stellt sein Leben auf eine stabile Basis. Bewahrt ihn, sich zu verlieren in den vielen Verlockungen und Sorgen des Alltags. Die Beziehung zu Gott und zu den Bedürftigen seiner Zeit lässt ihn sensibel bleiben für das wirklich Wichtige. Beispiele dafür gibt es im Leben Jesu viele:

 Z.B. wie er mit Kranken, Außenseitern oder Sündern umgeht. Z.B.  wie er mit den Pharisäern und Schriftgelehrten leidenschaftlich um den Willen Gottes streitet und ringt. Beispielsweise, wie wichtig ihm das Beten ist und wie zuweilen kompromisslos er sich stark macht für das Reich Gottes. Nicht zuletzt auch, wie Jesus all das, von dem er redet auch selber lebt.

Liebe Mitchristen/innen,

ich möchte schließen mit einem Zitat von Anselm Grün. Er fasst es so zusammen: „Dabei ist es nicht die Maßlosigkeit, alles haben zu wollen und zu können, die uns glücklich macht, sondern das Genießen. Genuss ist mit viel weniger möglich. Maßlosigkeit aber ist Ausdruck von Beziehungslosigkeit – zu sich selbst, zu anderen, zu Dingen, zu Gott.“

Amen.

@ B. Held, 2014

Hier finden Sie die Predigt im pdf-Format.