Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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1. Fastensonntag: Superbia

Lesung: Gen 2, 7-9; 3,1-7

Gott, der Herr, formte den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.
Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von gut und böse.
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?
Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.
Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben.
Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.
Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß.
Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.

 

Evangelium: Mt 4, 1-11

In jener Zeitwurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden.
Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger.
Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.
Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht
und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.
Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.

 

Predigt

Menschliches – allzu Menschliches

Das ist das Thema unsere Predigtreihe zur Fastenzeit. Die Fastenzeit ist ja gerade dazu gedacht, einmal ungewöhnliche Gedanken zu denken.

In der Geschichte des Christentums geht es - wie zu allen Zeiten - um die Verhältnisbestimmung von den Menschen zu Gott.

Wer ist der Mensch? Wer ist Gott?

Das war auch das zentrale Thema Jesu!

Im Blick auf diese Verhältnisbestimmung von Mensch und Gott hat Papst Gregor I., der Große, einen Katalog von sieben Todsünden zusammengestellt. So sollten die Menschen bewahrt werden vor der Trennung von Gott.

Im Einzelnen waren das: Stolz, Neid, Zorn, Traurigkeit, Habgier, Völlerei und Unkeuschheit. 

Wer eine dieser Sünden willentlich und in vollem Bewusstsein begeht, trennt sich unwiderruflich von Gott und erleidet so den ewigen Tod. Einzige Rettung vor dieser ewigen Verdammnis ist die Lossprechung in der Beichte.

Weil es bei diesen sog. „Todsünden“ um zentrale menschliche Verhaltensweisen geht, sind wir in unserem Pastoralteam auf die Idee gekommen, diese wichtigen Verhaltensweisen einmal in einer Predigtreihe zu betrachten.

Heute wird es um die Superbia gehen. Das ist der Hochmut, der Stolz, die Ãœberheblichkeit.

Simon Laham hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: Der Sinn der Sünde, die sieben Todsünden und warum sie gut für uns sind.

Simon Laham ist Sozialpsychologe und lehrt an der Universität von Melbourne in Australien.

Im Blick auf den Stolz bzw. Hochmut  unterscheidet er zwei Arten von Stolz.

=> Da gibt es zunächst den Stolz auf eine vollbrachte Leistung. Aufgrund einer solchen Leistung ist ein Mensch stolz auf sich selbst, weil er etwas erreicht hat, dadurch wird die Selbstsicherheit gestärkt und so jemand fühlt sich als Gewinner. Diese Art von Stolz nennt Laham den authentischen Stolz.

=> Dann gibt es die zweite Art von Stolz. Da erscheint ein Mensch als hochnäsig, eingebildet, egoistisch und überheblich. Das ist der anmaßende Stolz. Er kommt von einer großen Selbstüberschätzung und Arroganz. Da steht keine Leistung dahinter.

Sie werden es gleich ahnen, dass es bei unserer Todsünde „Stolz“ um die zweite Art geht: Arroganz und Überheblichkeit.

Unsere heutigen Bibeltexte sind da eine Hilfe für das Verständnis von Stolz bzw. Überheblichkeit.

Die Sündenfallgeschichte kennen Sie alle sicher schon seit ihrer Kindheit. Den Menschen ist erzählt worden, dass wegen diesem Sündenfall die Menschen aus dem Paradies vertrieben worden seien. Die Sünde der Menschen war der Hochmut, dass sie werden wollten wie Gott.

Die Wirkungsgeschichte ist enorm. Die Frauen haben wegen dieser Geschichte unsägliches Leid und Herabwürdigung erfahren müssen durch Männer, die sich aus dieser Geschichte eine Vorrangstellung abgeleitet haben.  

Aber der biblische Schriftsteller des 7. Jahrhunderts vor Chr. spottet letztlich über den Mythos den der Mensch von sich selber gemacht hat. Wer vom Baum der Erkenntnis isst, wird werden wie Gott. Sie haben davon gegessen und dann verstecken sich die beiden frisch gebackenen „Götter“ Adam und Eva vor Jahwe. Was ist da passiert?

Sie erinnern sich sicher an den Dialog zwischen Eva und der Schlange. Da wird ganz langsam die Begehrlichkeit der Eva angestachelt. Es muss doch etwas ganz Besonderes sein, wenn man vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse essen könnte, weil dann die Menschen werden wie Gott.

Da sind im Garten tausend Bäume, aber ausgerechnet dieser verbotene Baum wird so reizvoll, dass beide sich für den Regelverstoß entscheiden mit allen Konsequenzen. Ihnen ist gesagt worden ist, dass sie dann sterben werden. Aber das tritt nicht ein.

Die Schlange hat Recht. Weder Adam noch Eva sterben. Aber sie bekommen eine Erkenntnis: sie sind nackt!! Sie sind nicht wie Gott geworden, aber sie erkennen, dass sie nackt sind!! Eine bahnbrechende Erkenntnis!

Aber daran wird schon klar, dass es hier nicht um die Beschreibung eines realen Geschehens geht, sondern um einen Blick auf die Menschheit insgesamt.

Kinder haben kein Problem mit ihrer Nacktheit bis sie ins Jugendalter kommen. Plötzlich wollen sie nicht mehr nackt sein.

Adam und Eva werden in dieser Geschichte erwachsen. Sie wollen nicht mehr nackt sein. Sie lernen, dass sie auch die Verantwortung übernehmen müssen für alles was sie tun. Durch ihre eigenen Entscheidungen haben sie ihr Paradies verspielt.

Das gilt bis zum heutigen Tag.

Obwohl wir Menschen, vor allem hier in Deutschland, in den letzten Jahrzehnten viele Aspekte vom Paradies wieder zurückgewonnen haben, leben wir doch nicht im vollendeten Paradies.

Z.B.:

-      Arbeit gehört zum Menschsein, aber die Schinderei auf den Äckern haben wir heute so nicht mehr.

-      Das Verhältnis von Mann und Frau ist deutlich anders als das zu der Zeit war, in der der Verfasser der Sündenfallgeschichte gelebt hat. Heute sind sich Mann und Frau wirklich gegenseitig Hilfe und sie ergänzen sich. Das war nicht immer so. In diesen biblischen Zeiten war die Frau das Eigentum des Mannes wie ein Esel oder eine Ziege.

-      Das Paradies kann Wirklichkeit werden durch die Kräfte in unserer Welt und die Arbeit der Menschen.

Aber trotzdem bleiben die Erfahrungen von Qual und Schmerz, von Brutalität und Unordnung. Und es sieht so aus, als ob die Menschen auf der Suche nach diesem Paradies sich gegenseitig von den Pforten des Paradieses wegdrängen.

Deswegen ist dem biblischen Schriftsteller so wichtig zu betonen, dass das alles auf dem Hintergrund geschieht, dass Gott seine Schöpfung und alle seine Geschöpfe liebt.

Der Mensch hat dabei aber eine Sonderstellung. Er ist von Gott beauftragt, über die Schöpfung zu herrschen. Er ist Herr über Tiere und Pflanzen, aber er hat nicht die Aufgabe wie Gott zu sein. Der Mensch soll aber in Verantwortung vor Gott seinen Auftrag für die Schöpfung wahrnehmen.

Und jetzt ahnen Sie vielleicht, wie es weitergehen könnte mit dem „anmaßenden Stolz“ und der Überheblichkeit von Menschen und Systemen in unserer Zeit.

Die Triebfedern für das Verhalten von Menschen  und auch von anonymen Systemen sind oft nur Lieblosigkeit, Habgier und Geltungssucht.

Eine liebevolle verantwortungsbewusste Rückbindung an den Schöpfer des Universums wird eher belächelt oder ist nicht vorgesehen.

Wie oft werden glaubende Menschen von oben herunter behandelt und als dumm und zurückgeblieben hingestellt. Dabei geht es doch gerade darum, dieses Band der Liebe und des Lebens  zwischen Gott und den Menschen zu pflegen und zu verstärken.

Wir leben zunehmend in einer Welt, in der alles machbar erscheint, wenn man es nur will. Wir haben es mit einem mechanistischen Weltbild zu tun.

-      Da werden Menschen zu Ersatzteillagern und im Arbeitsprozess sind sie nicht schöpferisch tätig, sondern „Menschenmaterial“, das gewinnmaximierend eingesetzt werden muss.

-      ­Da werden Menschen mit Computern verglichen: wer etwas vergisst, hat es gerade nicht im „Arbeitsspeicher“, wer langsam ist, hat einen veralteten „Prozessor“ und ein Herzinfarkt ist gleichbedeutend mit einem „Systemabsturz“.

So eine mechanistische Sichtweise unserer Welt ist gefährlich, weil sie aus dem Blick verliert, dass Maschinen funktionieren, Menschen aber leben.

Wir heutigen Menschen sind permanent der Versuchung ausgesetzt, solchen einfachen Weltbildern zu folgen.

Die Verheißung, die da in Aussicht gestellt wird lautet: wenn du so denkst, dann gehörst du dazu, du bist modern, du brauchst keinen Gott, um dein Leben sinnvoll zu gestalten. Das Ziel des Lebens ist sowieso der Tod. Also lebe jetzt.

Anders ist das bei den Menschen, die sich in ihrem Weltbild auf Gott stützen und aus dieser Beziehung ihre Kraft schöpfen.

Für sie heißt die Verheißung: du bist Teil der ganzen Schöpfung, Teil des Universums, dein Leben ist sinnvoll, weil von Gott getragen. Das Ziel deines Lebens ist das Leben bei und mit Gott.

Und jetzt merken Sie vielleicht, wo wir gelandet sind. Wir sind mitten im Evangelium von der Versuchung Jesu.

Der Versucher sagt:

„Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.“

Jesus antwortet:

„Der Menschen lebt … von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“

Das heißt, dass die Beziehung zu Gott mehr Leben schenkt als alles Brot.

Am heiligsten Ort des Judentums, auf dem Tempel von Jerusalem, wird Jesus auf die zweite Probe gestellt mit einem Bibelzitat:

„Wenn du Gottes Sohn bist, so stürze dich hinab; denn es heißt in der Schrift:

seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“

Und auch hier erweist sich Jesus als bibelfest, weil er seine Beziehung zu Gott nicht auf die Probe stellen will. Er muss keinen Beweis liefern für die Existenz Gottes.

Die letzte Versuchung ist die heftigste. Da geht es um Macht, Macht über die ganze Erde. Jetzt sieht es so aus als hätte Jesus wirklich die Chance, ein für alle Mal eine friedliche Ordnung zu errichten für alle Menschen, wenn er sich vor dem Versucher niederwirft und ihn anbetet.

Aber auch da weiß Jesus aus seiner Gottesbeziehung heraus, dass das nicht so sein wird. Der Versucher ist nicht der Herr über die ganze Erde, sondern Gott. Gott allein gebührt die Anbetung!

Jesus zeigt durch sein Leben und Lieben, dass er sich bedingungslos dem Willen Gottes unterwirft. Er steht ganz im Dienst des Reiches Gottes. Er selbst verkörpert diese Botschaft. Weil seine Gottesbeziehung so unverbrüchlich ist, bleibt er authentisch er selbst – auch in allen Versuchungen.

Jesus selbst erliegt nicht der Selbstüberschätzung. Er ist auch nicht hochmütig, weil er Gottes Sohn ist.

Er hat das alles nicht nötig, weil er ganz bei sich ist. Seine Beziehung zu Gott steht felsenfest. Und er weiß, dass nur die Macht der Liebe diese Welt voran bringen und die Schöpfung zur Vollendung führen wird.

Superbia – anmaßender Stolz – Hochmut – Überheblichkeit führen die Menschen in die falsche Richtung, weil die Beziehung mit Gott aus dem Blick gerät. Hilfreich ist es da zu wissen, welcher Geist die Triebfeder ist, die uns Menschen bewegt.

Deswegen schließe ich mit einem Gedicht von Michael H. F. Brock, das den Impuls gibt für Ihre eigenen Gedanken:

Kennst du den Namen

Deines Geistes –

Der dich treibt

Im Wüstensand –

Mit Engelszungen –

Kennst du den Namen –

Frag ihn

Den Geist

Doch lass dich

Nicht von allen

Geistern treiben –

Wenn er dir

Flüstert

Nach vierzig Tagen –

Kehr um und glaube

Dann war es Geist

Aus: Gottesdienste vorbereiten, Fundgrube für Meditation und Gebet, Gabriele Miller, Michael H.F. Brock, Anne Enderwitz, Aachen 2001, S. 41

 

© R. Hübschle 2014

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.