Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

PfarrbĂĽro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
Schwalbenweg 5
88213 Ravensburg

Tel. 0751-7912430
Fax 0751-7912440
E-Mail: Info-Dreifaltigkeit.RV@drs.de

 

 

Ostersonntag: "Wie im Himmel, so auf Erden"

Lesung: Apg 10. 34a-37-40

In jenen Tagen  begann Petrus zu reden und sagte:
Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat:
wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm.
Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet.
Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben.
Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkĂĽndigen und zu bezeugen: Das ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten.
Von ihm bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt.

 

Evangelium: Joh 20, 1-9

Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frĂĽhmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem JĂĽnger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Da gingen Petrus und der andere JĂĽnger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere JĂĽnger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab.
Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein.
Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das SchweiĂźtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.
Da ging auch der andere JĂĽnger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte.
Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.

 

Predigt

 â€žâ€¦.wie im Himmel, so auf Erden.“

Liebe, in der Freude ĂĽber Ostern versammelte Gemeinde!

Es war wenige Tage nach der Wahl unseres neuen Papstes Franziskus:

Freitagabend – spät – eine Gesprächsrunde zur Zukunft unserer Kirche im Schweizer Fernsehen mit dem Thema:

„Katholische Kirche, quo vadis?“.

Es diskutieren: Der Generalvikar des Bistums Chur, eine Ordensschwester und ein ehemaliger Professor fĂĽr Pastoraltheologie.

Am meisten beeindruckt mich die Dominikanerin Ingrid Grave - mit ihrer theologischen Kompetenz und mit einer spĂĽrbaren Begeisterung fĂĽr Jesus und seiner Botschaft vom Reich Gottes.

Sie spricht über ihre Ideen, wie wir Christinnen und Christen uns dem Glaubwürdigkeitsproblem der römisch katholischen Kirche in unserer Zeit stellen können.

3 ihrer Denkanstöße sind mir im Gedächtnis geblieben, und ich denke, sie könnten auch richtungsweisend sein für uns alle hier, in unserer Seelsorgeeinheit:

Kirche hat Zukunft – so sieht es die Ordensschwester - wenn wir alle:

Hören – zuallererst hören, was die Menschen bewegt, die auf der Suche sind nach unserem Gott – wirklich hinhören, ergebnisoffen sein.

Und dann: Auf unsere Sprache achten –  so von unserem Gott sprechen, dass die Menschen in unserer Kultur und in unserer Zeit tatsächlich auch verstehen, was wir meinen, wenn wir „Gott“ sagen oder „Auferstehung“.

Und schließlich: Notwendige Veränderungen nicht länger hinausschieben – als Kirche vor Ort selber kreativ und lebendig sein und nicht warten, bis der neue Papst vielleicht wichtige Schritte der Veränderung möglich macht.

Und jetzt hören Sie die Dominikanerin wörtlich:

„Dass Frauen in allen kirchlichen Gremien, in denen kirchliche Entscheidungen getroffen werden, nicht mitreden dürfen, liegt daran, dass sie nicht zur Weihe zugelassen werden.“

(aus: Arena, Katholische Kirche, quo vadis, Schweizer Fernsehen, 15.3.2013, 22.26 Uhr)

 

Ingrid Grave hat noch nicht ganz ausreden können, da formuliert der Stellvertreter des Bischofs von Chur, Dr. Martin Grichting, seine Haltung, wenn es um die Veränderungen in unserer Kirche und um die Rolle der Frauen geht.

Er gibt zunächst zu, dass es tatsächlich eine Benachteiligung der Frauen in der römisch katholischen Kirche gäbe, wenn es um die Mitsprache gehe, meint aber dann, dass das Wesentliche doch sei – und jetzt wörtlich –

„dass wir Menschen das ewige Heil in Gott finden. Und da gibt es für Frau und Mann keinen Unterschied.“

(Arena, Schweizer Fernsehen, 15.3.2013)

 

Eher Lachen oder eher  Weinen? – Wie geht es Ihnen, liebe Gottesdienstfeiernde, mit so einer Aussage?

In Gott heil werden – das ist tatsächlich das größte Glück und der tiefste Sinn im Leben von uns Menschen.

Dass dieses Heilwerden in der Wirklichkeit des Göttlichen allerdings erst nach unserem Tod sein soll – also in die Ewigkeit verschoben – das ist theologisch doch eine sehr gewagte Behauptung!!!

Gottes Heil erst im Himmel erfahren – und nicht schon hier, auf Erden?!

Im Osterevangelium, das Sie eben gehört haben, erzählt Johannes, der Schreiber dieser Verse, von einer ganz anderen Erfahrung:

3 Menschen werden berührt vom auferstandenen Jesus, und es ist für sie ganz offensichtlich eine Erfahrung gewesen, als wäre der Himmel schon hier, auf Erden.

Jesus begegnen, das hat wohl für die Menschen damals bedeutet, dass sich Himmel und Erde berühren – und das nicht nur zu seinen Lebzeiten, sondern auch über seinen Tod hinaus.

Für Maria Magdalena, Petrus und den Lieblingsjünger Jesu ist Jesus ganz eindeutig auch nach seinem Tod kein Wesen jenseits des Erfahrbaren gewesen, sondern er bleibt der berührende, der heilmachende und der kraftspendende Jesus – aber jetzt vom Himmel her!

Und diese frohe Oster-Nachricht erzählt der Evangelist Johannes in farbigen Bildern:

Da laufen Männer zum Grab – ein Wettlauf am frühen Ostermorgen!

Ich deute dieses „Wer-ist-schneller-am Ort-der-Auferstehung?“ als Versuch unseres Evangelienschreibers, die Vorgänge im Innersten, im Herzen von uns Menschen in ein Bild zu bringen – und zwar die Vorgänge in uns,  wenn wir ergrĂĽnden möchten, was „Auferstehung“ ist.

Alle 3 Personen in unserem heutigen Evangelium versuchen das auf ihre je eigene Weise:

Da ist Maria Magdalena – die sensible, traurige Frau, die unter Tränen Abschied nimmt vom Glück und von der Liebe ihres Lebens.

Da ist Petrus, der denkende Mann, der sich ins Grab beugt und prĂĽft, was sich da in der Grabkammer abspielt – denn: Es muss doch Beweise geben fĂĽr dieses un-glaubliche Geschehen, und das SchweiĂźtuch und die Leinenbinden sind jedenfalls noch da – das findet  der Analytiker, der nachforschende Petrus heraus.

Und schließlich ist da der „Lieblingsjünger“ Jesu – und der „sieht und glaubt“.

Nicht ein Wahrnehmen mit den Augen ist da gemeint, kein oberflächliches Hinschauen, sondern ein „Sehen mit dem Herzen“.

Und dann entscheidet sich der Jünger, der wohl eine besondere Beziehung zu Jesus gehabt haben muss, dass er dem, was er sieht, auch traut. Und er glaubt, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist und dass seine Liebe auch weiterhin spürbar bleibt: „wie im Himmel, so auf Erden!“

Johannes setzt in unserem heutigen Osterevangelium in phantasievollen Bildern in Szene, was in jedem und in jeder von uns vorgeht, wenn wir auch heute noch an die Auferstehung und an das Ostergeschehen glauben möchten.

Mit seiner „Wettlauf-Erzählung“ will er uns Christinnen und Christen bis heute auf die Idee bringen, dass wir mit GefĂĽhl und Intuition – wie Maria Magdalena – gleichzeitig aber auch mit unserem gesunden Menschenverstand und mit unseren intellektuellen Fähigkeiten – wie der Apostel Petrus – uns dieser Wirklichkeit annähern, die wir „Auferstehung“ nennen. Und zusätzlich braucht es dann auch noch den LieblingsjĂĽnger in uns – und der erinnert uns daran, dass wir trotz aller Intuition und trotz aller Reflexion niemals ganz erfassen  werden, wie das Leben nach dem Tod und wie der Himmel ist.

Und deshalb braucht es immer auch unsere ganz persönliche Entscheidung zu glauben.

Nicht die reine Logik bringt uns der Wahrheit über das himmlische Sein näher und auch nicht das pure Gefühl.

Der Logik fehlt die Intuition und die Wärme in unseren Herzen, und reine Intuition hat keine Argumente, die verständlich machen können, woran wir Christen und Christinnen an Ostern glauben.

Es braucht also die Balance zwischen Vernunft und Gefühl, zwischen analytischem Denken und Intuition, damit wir Menschen bis heute sagen können:

Ich glaube.

Und: Es ist die Liebe in uns – da bin ich mir immer sicherer, je älter ich werde – die uns Menschen dazu bewegt, diese Balance zu wagen.

Es ist die Liebe, die uns Menschen ahnen lässt, dass bei unserem Gott auch Un-mögliches möglich ist –

„nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden“.

Liebe Gemeinde,

unser Heilsein, unser Glück, Gerechtigkeit und Menschlichkeit beginnen im Hier und Jetzt – und nicht erst in der Ewigkeit.

Das ist der Jubel von Ostern fĂĽr uns Christinnen und Christen.

Jesus hat zu seinen Lebzeiten und dann auch nach seinem Tod den Himmel für uns Menschen geerdet und das Göttliche in unsere Welt gebracht. Mit Jesus erleben wir tatsächlich Göttliches in unserer Welt:

Göttliche Ideen vom Menschlichsein und von der Liebe und göttliche Kräfte, die unser Denken und unser liebe-volles Handeln beflügeln – jetzt und hier – auf Erden.

Und Jesus hat niemals eine Vertröstung aufs Jenseits verkündet. Wer das in seinem Namen tut, hat nichts von der Reich-Gottes-Botschaft verstanden – und auch nichts vom „Vater unser“, wenn es da heißt:

„dein Reich komme – wie im Himmel, so auf Erden“!

Mit diesem Vers im „Vater unser“ bitten wir Gott immer wieder um seine Kraft, dass auch wir alle den Himmel erden, damit dieses himmlische Reich anbrechen kann  und die Menschen wirklich im GlĂĽck leben hier, auf unserer Erde.

Ich wĂĽnsche Ihnen allen fĂĽr Ihr ganz persönliches Leben mit Gott die kraftvolle Liebe einer Maria Magdalena, das ehrliche Suchen nach der Wahrheit eines Apostels Petrus, die bewusste Entscheidung fĂĽr Gott, wie sie der „LieblingsjĂĽnger trifft  â€“ und:

Den Mut zu widersprechen, wie es die Dominikanerin Ingrid Grave und viele andere Frauen und Männer in aller Öffentlichkeit tun.

Mögen Sie in diesem Geist und voller Jubel mit Menschen, die sie lieben, Ostern feiern:

„wie im Himmel“ – aber schon hier, „auf unserer Erde“.

Amen.

© A. Böhm, 2013

 

Diese Predigt finden Sie hier als pdf.