Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
Schwalbenweg 5
88213 Ravensburg
Tel. 0751-7912430
Fax 0751-7912440
E-Mail: Info-Dreifaltigkeit.RV@drs.de
Weihnachten
Lesung: Jes 19, 17 – 18a. 19 – 25
Das Land Juda wird für Ägypten zum Schrecken werden. Sooft man Judas Namen erwähnt, erschrickt Ägypten vor dem Plan, den der Herr der Heere gegen Ägypten gefasst hat. An jenem Tag werden fünf Städte in Ägypten die Sprache Kanaans sprechen und beim Herrn der Heere schwören. (...) An jenem Tag wird es für den Herrn mitten in Ägypten einen Altar geben, und an Ägyptens Grenze wird ein Steinmal für den Herrn aufgestellt. Das wird ein Zeichen und Zeugnis für den Herrn der Heere in Ägypten sein: Wenn sie beim Herrn gegen ihre Unterdrücker Klage erheben, wird er ihnen einen Retter schicken, der für sie kämpft und sie befreit. Der Herr wird sich den Ägyptern offenbaren, und die Ägypter werden an jenem Tag den Herrn erkennen; sie werden ihm Schlachtopfer und Speiseopfer darbringen, sie werden dem Herrn Gelübde ablegen und sie auch erfüllen. Der Herr wird die Ägypter zwar schlagen, er wird sie aber auch heilen: Wenn sie zum Herrn umkehren, lässt er sich durch ihre Bitte erweichen und heilt sie. An jenem Tag wird eine Straße von Ägypten nach Assur führen, so dass die Assyrer nach Ägypten und die Ägypter nach Assur ziehen können. Und Ägypten wird zusammen mit Assur (dem Herrn) dienen. An jenem Tag wird Israel als drittes dem Bund von Ägypten und Assur beitreten, zum Segen für die ganze Erde. Denn der Herr der Heere wird sie segnen und sagen: Gesegnet ist Ägypten, mein Volk, und Assur, das Werk meiner Hände, und Israel, mein Erbbesitz.
Evangelium: Joh 1,1-5.9-14
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
Im Anfang war es bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes.
Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen.
Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
Predigt
Liebe Christinnen und Christen,
„Hoffnungsknospen in einer kalten Welt.“
An den vier Sonntagen im Advent und in der Christmette gestern haben wir uns mit diesem Thema beschäftigt.
=> Wir haben an den verschiedenen Sonntagen die unterschiedlichen ehrenamtlichen Dienste in den Blick genommen und dabei immer festgestellt: diese vielen Ehrenamtlichen tragen entscheidend dazu bei, dass unser Gemeinwesen überhaupt funktioniert.
Heute feiern wir Weihnachten – in einer sehr heftigen Zeit mit vielen Bildern von Gewalt, Krieg und Terror und Tod.
Ich habe mich gefragt, wo es da denn noch Hoffnungsknospen gibt, die uns überhaupt feiern lassen.
Dieser Anschlag in Magdeburg erschüttert wieder unsere Sehnsucht nach Ruhe und Frieden, die wir mit Weihnachten verbinden. Aber das Motiv für diesen Anschlag gibt mir zu denken.
Dieser Mann, der fünf zufälligen Menschen den Tod gebracht hat, scheint aufrütteln zu wollen, dass unser Land viel zu nachsichtig mit islamistischen Kräften in Deutschland umgeht. Aber der Preis ist zu hoch!
Dieser Anschlag ist zwar nicht gegen das christliche Weihnachten gerichtet, sondern versteht sich als Weckruf gegen fanatische Islamisten in Deutschland!
Verkehrte Welt!
=> In unseren Kirchen und oft auch in Ihren Wohnungen steht die Weihnachtskrippe, der Stall von Bethlehem.
=> Wir Christinnen und Christen glauben, dass Gott in unserer Welt ein normaler Mensch geworden ist, ein Baby!
In der Bibel wird die Geschichte des Volkes Israel mit seinem Gott beschrieben und gedeutet.
=> Diese Szene in der Krippe nimmt uns hinein in das theologische Geschehen der Heiligen Nacht dort am theologischen Ort Betlehem.
=> Die Geburt eines Kindes - eigentlich ganz normal in unserer Welt - und doch so außergewöhnlich. Dieses Kind, das da geboren wird, verändert die Welt!
=> Bethlehem heute – die Bilder, die uns von dort erreichen sind überaus traurig. Leere Gassen, leere Geburtskirche – keine Touristen –
Angst geht um, Trauer, Krieg, Verzweiflung in diesem sowieso schon geschundenen Ort.
=> Wovon sollen die Familien ernährt werden, wenn es keine Touristen gibt? Schon wieder ein Jahr ohne Touristen!
=> Und dann diese dauernde Bedrohung durch fanatische Muslime oder Juden, die sich gegenseitig das Verderben wünschen.
=> Alle, weder Juden, noch Muslime und auch die Christinnen und Christen, haben keine Lebensperspektiven in dieser Situation, weil es keinen Frieden gibt.
Die Politik ist seit Jahrzehnten unfähig, Regelungen zu finden, die alle miteinander in Frieden leben lassen.
=> Ich frage mich wie das gehen soll, dass es Frieden gibt, wenn
ein auserwähltes Volk,
ein alleinseligmachendes Christentum und
ein alleingültiger Islam
an ein und demselben Ort, nämlich in Jerusalem meinen, dass dieser Ort nur ihnen gehört?
=> Offensichtlich ist es doch so, wo diese drei großen Organisationen bzw. Religionen aufeinandertreffen, da scheint es kaum Kompromisse zu geben.
=> Im Bild unserer Predigtreihe scheinen da alle Knospen sofort zu verwelken!
=> Und trozdem gibt es da einen Hoffnungsschimmer.
Alle drei großen Religionen, berufen sich in ihren Theologien auf das Erste Testament!
Alle drei kennen und schätzen den Propheten Jesaja.
=> Alle drei reklamieren für sich, dass ihr Gott der wahre Gott sei!!
=> Wie geht das zusammen?
=> Was ist die Wahrheit?
=> In der Vorbereitung auf diese Predigt zu Weihnachten ist mir dieser Lesungstext aus dem Jesajabuch in die Hände gefallen.
=> Sicher haben Sie es gemerkt: nach Auskunft des Propheten Jesaja denkt Gott ganz anders!
Der Text ist übrigens in unserer Leseordnung nicht vorgesehen.
=> Er ist für mich aber ein Schlüsseltext für eine theologische Auseinandersetzung zwischen den drei großen monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam.
=> Er steht in der Bibel. Damit gilt auch dieser Text als geoffenbartes Wort Gottes!
Wenn dann noch alle drei ihre Grundlagen ernst nehmen würden, dann könnte das der Schlüssel sein, um die theologischen und politischen Streitigkeiten zwischen den drei großen Religionen, zu beenden.
=> Unser Text ist der Schluss des 19. Kapitels des Jesaja-Buches.
Da will ich heute mit Ihnen etwas genauer hinschauen:
=> Zunächst geht es politisch um Israel und um Ägypten im 8. Jahrhundert vor Christus. Die beiden Länder sind Todfeinde, denn Ägypten ist das Land der Unterdrückung.
=> Und es geht um Assur, den schrecklichen Aggressor, der im 8. Jahrhundert vor Christus ganz Palästina verwüstet hat.
=> Israel ist das kleine Land zwischen den beiden Großmächten.
=> Der Lesungstext ist die Idee von dem, was Gott mit diesen drei Nationen vorhat.
=> Aber die Nationen stehen für viel mehr als nur für Israel, Ägypten und Assur:
=> Die aufgeführten Nationen sind Symbole für alle miteinander verfeindeten Völker und Religionen schlechthin.
=> In Israel stellt man sich die Zukunft so vor:
Am Ende der Tage werden alle zum Zion kommen, sich alle zu Israel bekehren und mit Israel zusammen Gott auf dem Zion anbeten. Die Stadt Jerusalem ist auf dem Zion gebaut worden. Jerusalem ist die Stadt Gottes!
=> Bei den Christen ist das so ähnlich - nur unter anderen Vorzeichen:
=> die Christen meinen, dass sich am Ende alle zum Christentum bekehren werden und dann werden sie alle gemeinsam ganz friedlich Gott entgegengehen.
=> Gott hat da aber ganz andere Ideen sagt Jesaja:
"An jenem Tag werden fünf Städte in Ägypten die Sprache Kanaans sprechen und beim Herrn der Heere schwören. (...) An jenem Tag wird es für den Herrn mitten in Ägypten einen Altar geben, und an Ägyptens Grenze wird ein Steinmal für den Herrn aufgestellt."
=> Mitten in Ägypten!
Da ist nicht vom Zion die Rede! Und es gibt keine Vermittlung durch Israel!
=> Die Vision des Jesaja besagt, dass die Menschen in Ägypten damit beginnen, auf ihre eigene Weise den einen Gott zu erkennen und ihn zu verehren!
Unvorstellbar!!
=> Israel sagt: das ist völlig unmöglich, die müssen doch zuerst sich zum Judentum bekehren. Dort ist das Heil.
=> Die Christen sagen: das geht doch gar nicht!
Die müssen doch zuerst getauft werden. Dann können sie zum Heil kommen.
=> Der Islam sagt: das wahre Heil findet sich nur in der Hingabe an Gott, die durch Mohammed begründet ist.
=> Merken Sie es? Jesaja kümmert sich schon in seiner Zeit nicht um solche Einwände. Er geht sogar noch viel weiter. Ich zitiere:
"Wenn sie" - die Ägypter - "beim Herrn gegen ihre Unterdrücker Klage erheben, wird er ihnen einen Retter schicken, der für sie kämpft und sie befreit."
=> Das ist skandalös und schlicht unvorstellbar: da wird Ägypten, dem Erzfeind, der Retter, der Messias verheißen und nicht dem ausgewählten Volk Israel!!!
=> Das ist eine messianische Verheißung für Ägypten!
=> Und als ob das alles noch nicht reichen würde, heißt es dort weiter:
"An jenem Tag wird eine Straße von Ägypten nach Assur führen, so dass die Assyrer nach Ägypten und die Ägypter nach Assur ziehen können."
=> Die Todfeinde versöhnen sich und das ohne Vermittlung des auserwählten Volkes.
Und dann kommt das Ungeheuerliche:
"Und Ägypten wird zusammen mit Assur (dem Herrn) dienen."
=> Unabhängig vom Judentum!
Denken Sie das einmal weiter …
=> Die anderen Völker, die ehemaligen Erzfeinde, erkennen Gott und verehren ihn auf ihre Weise!
Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Dürfen die das?
=> So etwas steht im Buch Jesaja und ist niedergeschrieben worden wahrscheinlich im 8. Jahrhundert vor Christus.
=> Lassen Sie das mal in Ihre Seele sinken auf dem Hintergrund der Vorstellungen, die die Menschen sich von Gott und von den Religionen machen.
=> In dieser Idee des Jesaja kommen die beiden Feindvölker über alle Grenzen von Nation und Religion zum Glauben an den einen Gott.
Sie verehren ihn auf ihre Weise. So will es Gott!!
Die dürfen das!
=> Aber dann setzt der Prophet sogar noch eins drauf:
"An jenem Tag wird Israel als drittes dem Bund von Ägypten und Assur beitreten, zum Segen für die ganze Erde."
=> Das auserwählte Volk stößt als letztes dazu! Das ist einfach unglaublich – steht aber so bei Jesaja!
Und jetzt denken wir das einmal hinein in unsere Zeit.
=> Da müssen wir Christinnen und Christen uns die Frage gefallen lassen, wann wir uns endlich dazu aufraffen, dass wir einem solchen weltumspannenden Friedensbund das Wort reden.
Das wäre die Weihnachtsbotschaft, die die ganze Welt ergreifen könnte.
=> Und dann gibt es da noch diesen letzten Satz in diesem Abschnitt. Gottes Botschaft – durch Jesaja – für die Menschen:
"Denn der Herr der Heere wird sie segnen und sagen: Gesegnet ist Ägypten, mein Volk und Assur, das Werk meiner Hände und Israel mein Erbbesitz."
Diese Reihenfolge ist gewaltig!! Zuerst Ägypten, dann Assur und zum Schluss Israel!
„Wort des lebendigen Gottes“!
=> Das ist für mich die universale Weihnachtsbotschaft, wie ich sie nirgendwo sonst bisher in der Bibel gefunden habe. Das ist die Vorstellung von einem weltumspannenden Frieden.
So will das Gott für unseren Planeten, sagt Jesaja!
=> Was wäre das für ein Segen!
=> Alle Völker dieser Erde finden auf ihre je eigene Weise den Weg zum Heil.
Und alle sind genau so ok wie sie sind:
„sein Volk“, das „Werk seiner Hände“ und „sein Erbbesitz“.
=> Die Vision von einem weltumspannenden Frieden könnte mit der Rückbesinnung der Religionen auf ihren Urgrund, möglich werden.
=> Diese Vision öffnet die Perspektive für eine ganz besondere Knospe, die sich öffnet:
=> Stellen Sie sich vor, dass wir im Dialog mit Muslimen glauben dürfen, dass auch Muslime Menschen sind, die unser Gott als Werk seiner Hände betrachtet.
=> In der Auseinandersetzung mit der Arabischen Welt, von Syrien bis nach Saudi Arabien, wäre es segensreich, im Bewusstsein zu verhandeln, dass Gott auch zu diesen Völkern "mein Volk" sagt.
=> Allerdings ist dafür die Grundvoraussetzung, dass die Menschen und die Völker sich vor Gott verantwortlich wissen und dem entsprechend ihre Politik gestalten. Aber dieser Glaubenshintergrund fehlt.
=> Wir Christinnen und Christen könnten mit diesem Friedensbund loslegen, weil wir wissen, dass nur so Friede wird in unserer Welt.
Das ist ein großes Wort!
Aber das größte Wort hat Gott in unsere Welt hineingesprochen wie es im Johannesprolog geheißen hat:
Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott!
Ich wünsche uns allen diesen Mut zum Aufbruch – so wie Gott das offensichtlich täglich tut in unserer Welt, ohne auf die Person, die Religion oder die Herkunft zu achten. Sein Wort gilt – bis zu heutigen Tag!
Amen.
© R. Hübschle 2024
HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.