Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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4. Advent - Carl Rogers

Lesung: 1 Kön 3, 7-9a

Und Salomo sprach: Herr, mein Gott, du hast deinen Knecht anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll. (…) Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht.

 

Evangelium: Mt 1, 18-24

Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Jose, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns.
Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

 

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

das heutige Evangelium soll uns an die Hand nehmen und zur Person des 4. Adventssonntags führen im Rahmen unserer adventlichen Predigtreihe: Dein Friede kommt nicht durch Gewalt.

Josef befindet sich in einer Konfliktsituation. Er hat die unglaubliche Ansage seiner Verlobten gehört. Darauf fasst er den Entschluss sich von ihr zu trennen, will das aber noch einmal bedenken. Es scheint noch nicht so recht zu passen. Was auffällt: es wird nicht berichtet, dass Josef irgendwie agiert: er schreit nicht, er tigert nicht durchs Haus, er fährt nicht aus der Haut – was man gut verstehen könnte. Nein, er denkt darüber nach. D.h. ich stelle mir das so vor: in seinem Inneren werden Argumente abgewogen, er führt stille Selbstgespräche. In der Stille, im Traum hört er den Engel, der zu ihm spricht, ihn ermutigt und ihm sagt, wie es gehen kann. Josef hört und folgt schließlich seinem inneren vom Engel unterstützten Impuls.

Josef befindet sich in einer Konfliktsituation und kommuniziert – mit Maria, mit sich selbst, mit dem Engel. Kommunikation prägt das Leben der Menschen aller Zeiten. Wir können nicht nicht kommunizieren. Auch jetzt kommunizieren wir. Ich bin in der Rolle der Redenden, Sie sind in der Rolle der Zuhörenden. Und doch geben auch Sie mir Signale, sind nicht nur passiv Hörende – ein Nicken, ein Lächeln, ein Stirnrunzeln, ein Kopfschütteln. Auch Sie haben Möglichkeiten mir etwas mitzuteilen. Kommunikation kann heilsam sein oder verstörend, es kann Menschen zusammen- oder auseinanderbringen. Auch Worte können gewalttätig sein. Auch mit Worten kann Krieg geführt werden. Nicht umsonst sprechen wir von Wortgefechten, vom Schlagabtausch, vom Wortstreit oder Zusammenstoß, von Kontroverse oder Auseinandersetzung. Mit Worten kann man manchmal sogar mehr verletzen und gewalttätig werden wie mit Waffen. Mit Worten beginnen so manche Kriege – im Kleinen wie im Großen, mit mir selbst und mit Menschen meiner Umgebung.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Psychotherapeut, Forscher und Autor vieler Bücher Carl Rogers,- die Person, die heute im Mittelpunkt steht – hat sein ganzes Leben über Kommunikation geforscht. Er tut das für die therapeutische Arbeit mit seinen und für seine Klient*innen. Er will herausfinden, welche Bedingungen es braucht, damit Kommunikation hilfreich und heilsam sein kann. Er will herausfinden, wie Menschen Frieden mit sich und ihrer Umgebung schließen können und gesund werden.

Dazu hat er 3 Grundhaltungen des Beraters für die therapeutische Arbeit mit Menschen erarbeitet.

Ich stelle sie kurz vor:

-        Die Grundhaltung der Echtheit oder Unverfälschtheit oder Kongruenz. Das meint, dass Beratende in sich und mit sich selbst möglichst echt und im Einklang sind. Dass sie sich selbst gut kennen, dass ihre Worte in ihrer Person stimmig sind. Diese Grundhaltung ist hier dargestellt mit dem Fenster.

-        Die Grundhaltung der wertschätzenden Akzeptanz des Gegenübers. Das meint bedingungslose positive Zuwendung – als Symbol steht dafür die Muschel mit der Perle. Beratende sehen im Gegenüber die Perle, auch wenn die Schale drumherum grau, schmutzig oder beschädigt ist. Die Perle ist nicht selten verschüttet mit dem, was das Leben um sie herum gebaut hat. In wertschätzender Akzeptanz denken Beratende daran, dass die Perle da ist.

-        Die Grundhaltung der Empathie – dafür steht als Symbol das Fell, etwas Weiches, Warmes. Empathie meint, sich in das Gegenüber so einzufühlen, dass man in seine Welt eintauchen kann - und gleichzeitig ganz bei sich bleibt. Empathie meint,  ganz aktiv zuzuhören und immer wieder nachzufragen, bis man das Gegenüber und das, was es sagt, versteht.

Sie sagen nun vielleicht: schön und gut, aber wir sind ja keine Therapeut*innen. Was wollen wir damit? Ein Stück haben Sie damit Recht. Aber nur ein Stück. Es ist nämlich interessant, dass Carl Rogers diese drei Grundhaltungen auch in der Arbeit mit Großgruppen erforscht hat und beobachtet hat, wie sich Menschen verändern, wenn sie in dieser Weise wahr-genommen werden. Workshops zu verschiedenen Themen schreibt er aus. Ein von Rogers in diesen 3 Grundhaltungen geschultes Team von 7-10 Personen agiert in den Workshops und Diskussionen so gut es ihnen möglich ist echt, wertschätzend und empathisch. Es ist verblüffend, was sich dadurch verändert: Diskussionen werden anders geführt, in der Sache weiterhin divergent, ohne aber zu verletzten, Machtgelüste auszuleben oder das Gegenüber klein machen zu wollen. Denk-Schubladen werden geduldig und liebevoll geöffnet und auf Stimmigkeit überprüft. Differenzierungen werden möglich. Beziehungen und Verständnis füreinander entstehen, Menschen kommen ins Nachdenken, erwägen Argumente und hören einander zu. Sie dürfen sein, wie sie sind und sagen was sie denken ohne Angst vor Abwertung oder Gesichtsverlust haben zu müssen. Sie dürfen gleichzeitig Korrektur und Weiterentwicklung erfahren.

Diese Grundhaltungen sind also tauglich und hilfreich auch jenseits therapeutischer Prozesse, wenn es darum geht, Kommunikation zu gestalten.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

die Arbeit von Carl Rogers ist für mich ein gutes Beispiel dafür, wie Frieden im täglichen zwischenmenschlichen Alltag mit jeder Kommunikation, mit jedem Wort beginnen kann – oder verhindert wird. Es bringt mich zum Nachdenken, dass die Art und Weise wie ich kommuniziere, zum Frieden beitragen kann – ober eben auch nicht.

Wenn ich die Bücher, Forschungsergebnisse und Beispielgeschichten von Carl Rogers lese, erinnern sie mich oft an das wie Jesus gelebt, agiert und kommuniziert hat, wie er vom Reich Gottes gesprochen hat und wie er dieses Reich Gottes erlebbar gemacht hat.

Wenn – wie wir in der Lesung gehört haben -  Salomo Gott um ein hörendes Herz bittet – ist es nicht genau das, was in den angesprochenen 3 Grundhaltungen ausformuliert ist:

-        mit offenem Herzen auf das hören, was in mir ist, um zu Echtheit, zu Kongruenz zu kommen, so wie Josef im Evangelium

-        mit offenem Herzen das Gegenüber hören – wertschätzend und akzeptierend

-        mit offenem Herzen und viel Wärme mir selbst und den Anderen begegnen

So wäre ich gewappnet für Konfliktsituationen in mir und mit anderen.

Ich bin überzeugt: langfristig können diese 3 Grundhaltungen von Carl Rogers Puzzlesteine des Weges zu göttlichem friedlichem Miteinander mit großer Kraft sein. Gott schenke dazu die nötige Liebe und Geduld.

Amen.

© G. Geiger, 2022

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.