Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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3. Advent - Friede zwischen den Religionen

Lesung: 1 Kor 15, 19-28

Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.
Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.
Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.
Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.
Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.
Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft entmachtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt.
Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.
Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.
Denn: Alles hat er seinen Füßen unterworfen. Wenn es aber heißt, alles sei unterworfen, ist offenbar der ausgenommen, der ihm alles unterwirft.
Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.

 

Evangelium: Mt 2, 1,2, 9b-11

Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war,
siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten:
Wo ist der neugeborene König der Juden?
Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.
Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.
Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.
Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm.
Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.

 

Predigt

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,

Sie haben sich nicht verhört! Ich habe für Sie tatsächlich im Advent schon das Evangelium von Dreikönig ausgesucht. Ich finde es passt einfach zum heutigen Predigtthema: Kein Friede ohne Friede der Religionen – und wo kommt das schon im Evangelium vor? Oder sogar in der Bibel. (RU Schüler haben gemeint, ohne Religionen hätte es viel weniger Kriege gegeben, da findet man in der Bibel wohl eher schwer eine Stelle, die den Frieden unter den Religionen thematisiert); Ich bin beim Suchen aber auf diese Legende gestoßen, die wir in der Krippe nachstellen. Und vielleicht erinnern Sie sich in drei Wochen ja wieder an das heutige Thema, wenn Sie das Evangelium wiederhören: Die Sterndeuter folgen dem Stern nach Bethlehem, besuchen den neugeborenen Jesus mit seinen Eltern, Maria und Josef, und bringen Geschenke mit, Gold, Weihrauch und Myrrhe. Auch wenn aus den Sterndeutern im Mittelalter Könige gemacht werden, die Bezeichnung „Sterndeuter“ verweist darauf, dass sie aus einer anderen Kultur und Religion kommen, um Jesus zu verehren. Im griechischen Text ist von „Magoi“ die Rede, das ist eine Priesterklasse aus Persien, Zarathustra-Priester, die einen Sternenkult pflegen und Mithras als Erlöser verehren. Im Evangelium bei Matthäus treffen also schon bei der Geburt Jesus Religionen aufeinander: Die Familie Jesus wird zum Gastgeber einer interreligiösen Begegnung. Matthäus schreibt ja für Judenchristen und die kennen die Vorstellung aus dem Alten Testament, dass alle Religionen zu ihrem Gott pilgern werden, wie schon die Königin von Saba zum Tempel in Jerusalem. Auch wenn das eine Unterordnung der einen unter die andere Religion ist, Matthäus will seinen Lesern damit sagen, dass die Jünger Jesu aus allen Religionen stammen können. Die Bibel kennt also beides: Eine Art Offenheit zwischen Religionen, wo sich alle dem Göttlichen unterordnen. Aber sie kennt auch Kriege und gewaltsame Konflikte wegen der Religion: Die Landnahme Josuas, bei der die kanaanäische Urbevölkerung getötet wird, wenn sie nicht die Jahwe-Religion übernimmt oder auch der Prophet Elijah, der 300 Baalspriester förmlich abschlachten lässt, weil sie den falschen Gott verehren.  

Die Christen setzen diesen Krieg im Namen Gottes später fort in den Kreuzzügen, bis hin zum Ersten Weltkrieg, wo man für „Gott und Vaterland“ in den Krieg zieht; ganz zu schweigen vom Zweiten Weltkrieg, bei dem germanische Motive gegen jüdische gesetzt werden und aus einer pseudoreligiösen Überzeugung Juden und andere ermordet werden, damit der Arier als vermeintlich höchste Form des Menschseins siegt. Und selbst aktuell im Ukraine-Krieg könnten die Religionsvertreter den christlichen Glauben anders vertreten als der russische Patriarch Kirill, der die Soldaten mit Kreuzzugsrhetorik antreibt, oder Papst Franziskus, der sehr lange drum herum laviert ist, die Sache beim Namen zu nennen.

Es scheint, als ob der Tübinger Professor Hans Küng immer noch Recht hat, wenn er sagt, dass kein Weltfriede möglich ist ohne Frieden der Religionen. Deshalb hat er den Dialog der Religionen gefördert und ein gemeinsames Weltethos auf der Basis dieser Religionen entwickelt.

Aber wie geht dieser Dialog mit anderen Religionen als Christ? Ist da nicht sogar der Christusglaube ein Hindernis oder im Weg, wenn ich mit Juden und Muslimen über Gott reden will.

Im heutigen Evangelium folgen die Sterndeuter, einem Stern, einem Licht, und kommen bei Jesus an. Und das zeigt worum es geht: Die Menschen, die Jesus begegnet sind, haben etwas vom göttlichen Wirken bei ihm erlebt. Er transparent für Gott, hat göttliches Wirken wie ein Licht durch seine Person scheinen lassen. Das ist das, was man als das Christushafte an Jesus bezeichnen kann: Was im Menschen von Gott durchscheint. Sie treffen einen, der wieder und wieder verzieht und eine neue Chance gibt, einen, der auf einen barmherzigen Vater setzt, der alle Menschen liebt, einen, der die Schwachen schützt und stärkt, einen der nicht auf auf Waffengewalt oder Kapital setzt, sondern darauf, dass Menschen einander zugewandt sind, mitfühlen und sich gegenseitig helfen. Jesus verkörpert es in persona. Er nennt das, wofür er lebt, das Reich Gottes. Er identifiziert sich so mit dieser Idee, dieser Vision, dass er darin ganz aufgeht. Paulus beschreibt das im Korintherbrief, den wir gerade gehört haben damit, dass Jesus am Ende alles, was ihm unterworfen ist und sich selbst, Gott, dem Vater und der mütterlichen Kraft, unterordnet.

Jesus, der Christus, will sicherlich kein Hindernis sein, das im Weg zu einer Versöhnung steht, sein Wesen ist ja die Hingabe, die ihn selbst transparent macht für Gottes Wirken. Ein Mensch, der dafür einsteht, dass Gott alles in allem ist.

Athanasius, einer der Kirchenväter aus dem 4. Jh., vergleicht ihn mit einem Lichtstrahl, der aus Sonne kommt. Er ist immer verbunden mit der Sonne, seinem Ursprung und seiner Quelle und sein Wesen besteht darin, das Licht der Sonne weiterzuleiten. Er ist Teil dieses Lichts und ohne ihn wird sich das Licht nicht ausbreiten. Aber nur wenn er ganz dieses Licht ist, wird es sich ungehindert ausbreiten. Daher heißt es im Glaubensbekenntnis über ihn: Gott von Gott, Licht von Licht, wahrer Gott vom wahren Gott.

Das Bild vom Licht, das Menschen leitet, wird auch von den Konzilsvätern des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgegriffen. Die Konzilsteilnehmer haben sich damals damit beschäftigt, wie man als Christ nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und des Genozids an den Juden mit anderen Religionen neu umgehen kann. Bisher hatte man ja gedacht, man müsste die anderen missionieren und zum Christentum bekehren, weil wir als Christen allein und exklusiv die Wahrheit haben. Und diese Mission geschah oft dem Schwert. Im Zweiten Vatikanischen Konzil haben die Bischöfe einen neuen Weg gesucht, wie man an Jesus Christus als den Weg und die Wahrheit glauben kann. Und wie man trotzdem mit den anderen Religionen in einen echten Dialog gehen kann, in ein Gespräch, in dem ich mit meinem Gesprächspartner die Wahrheit suche.

Die Konzilsväter haben eine Lösung, die das Christushafte an Jesus betont, als Wahrheit gelten lässt und gleichzeitig Dialog ermöglicht. Sie verwenden auch die Metapher, das Bild vom Licht und seinen Strahlen. Wie der Stern von Bethlehem oder die Sonne mit ihren Strahlen. Mit Blick auf das heutige Evangelium wird so der Dialog der Religionen zum weihnachtlichen Ereignis. Jesus ist für uns Christen dieses Licht, freilich sehen wir es ja nicht in seiner ursprünglichen Klarheit, sondern mit geschichtlichem Abstand, der dieses Licht trübt. Das Neue ist aber, dass dieses Licht der Wahrheit nun auch anderen zugestanden wird. Die Konzilsväter sagen:

„Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.

Unablässig aber verkündet sie und muß sie verkündigen Christus, der ist "der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat (4).

Deshalb mahnt sie ihre Söhne, daß sie mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenarbeit mit den Bekennern anderer Religionen sowie durch ihr Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern.“

Soweit der Konzilstext. Die Autoren zeigen später, wie sie das meinen: Das Licht der Wahrheit sehen sie bei Muslimen in ihrer absoluten Hingabe an Gott und im Almosen und Fasten, das sie pflegen, bei Buddhisten in der Mediation und der Form der Weisheit, bei Juden in ihren Geboten und ihrer Treue zu Gott und bei Atheisten, wenn sie kritisch hinterfragen und die Wahrheit suchen. Für mich heißt das, dass das Christus-Geschehen hier inkognito präsent ist.

Wie geht das konkret? Ich erlebe es in Stuttgart im Zusammenleben mit Muslimen. An unserer Schule bieten islamischen Religionsunterricht an und feiern einmal im Jahr gemeinsam Gottesdienst. Das hat sich am Anfang schon seltsam angefühlt wenn wir gemeinsam beten und Gott ansprechen, unter verschiedenen Namen eben: Allah, Vater unser. Aber ich habe dabei erlebt, dass es geht, sogar wenn ich als Christ zu Jesus Christus bete, weil er durchlässig ist für den Gott, den auch Muslime als den Allbarmherzigen ansprechen.

Dass wir das so leben, führt auch dazu, dass ich kritische Nachfragen bekomme, ob wir von Islamisten unterwandert werden, oder dass mich Briefe erreichen, in denen AfD-nahe Mitbürger vermeintliche Nachfragen stellen, die keine echten Fragen sind oder Zuschriften von Christen, die mir vorwerfen, dass wir Christus verraten, wenn wir uns nicht zu ihm bekennen als die exklusive alleinige Wahrheit, bei der es nur ein Dafür gibt oder ein Dagegen.  

Ich finde unseren Weg richtig: Bei uns an der Schule leben Christen und Muslime leben zusammen. Wir machen gemeinsam, was gemeinsam geht, wir diskutieren aber auch über Fragen, die uns kritisch erscheinen, wie das Kopftuch, das viele Mädchen bei uns tragen. Und bei uns Katholiken gibt es ja auch genug Kritikpunkte, die man ansprechen muss.

Ich sehe es als Aufgabe, jungen Leuten einen Weg zu eröffnen, wie sie Familie sein können, auch wenn sie aus verschiedenen Religionen kommen. In der Seelsorgeeinheit hier können Sie diese Vision erleben, in unserem Familienzentrum „Momos Welt“. Den Mut dazu bekommen wir von dieser Botschaft des Lichts: Denn wir sind mit allen Menschen eingeladen, die das Gute suchen – bei dem neugeborenen Jesuskind in Bethlehem, und nachher auch Tisch Jesu, wo er die Gemeinschaft unter uns Menschen und mit Gott möglich macht.

Stellen Sie sich doch selber einmal dieser Frage: Wie offen bin ich denn dafür, dass Gott in unsere Welt kommen will? Offen auch über die Grenzen unserer Religion hinaus, weil ganz offensichtlich überall hin das Licht der Wahrheit scheint?

Ich wünsche Ihnen gute Gedanken heute am 3. Adventssonntag.

Amen.

© S. Warthmann, 2022

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.