Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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1. Advent

Lesung: Jes 63, 16b-17.19b; 64, 3-4 (gekürzt)

Du, HERR, bist unser Vater, Unser Erlöser von jeher ist dein Name. Warum lässt du uns, HERR, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbbesitz sind! Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen, sodass die Berge vor dir erzitterten.
Seit Urzeiten hat man nicht vernommen, hat man nicht gehört; kein Auge hat je einen Gott außer dir gesehen, der an dem handelt, der auf ihn harrt.
Du kamst dem entgegen, der freudig Gerechtigkeit übt, denen, die auf deinen Wegen an dich denken.

 

Evangelium: Joh 6, 63

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:

Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. 

 

Predigt

Mensch bleiben – allem zum Trotz!

=> Dieses Thema haben wir uns gegeben für die Predigten im Advent und zu Weihnachten.

Dieses Jahr 2020 ist seit Mitte März anders verlaufen, als wir uns alle das vorgestellt hatten.

=> Wer hätte gedacht, dass ein Virus so eine Pandemie auslösen kann, die dann die ganze Welt durcheinander wirbelt. Wer hätte so etwas für möglich gehalten und noch sind wir nicht am Ende.

=> Heute beginnt der Advent, die Zeit der Erwartung. Sehnsüchtig erwarten alle das Ende der Pandemie, um endlich wieder zu einer Normalität zurück zu kehren.

=> Aber wie sieht es mit der Erwartung eines Erlösers aus?

=> Sehnsüchtig wird der Impfstoff überall auf unserem Planeten erwartet. Täglich kommen Meldungen wie weit die Entwicklung oder Zulassung vorangekommen ist.

=> Wird der Impfstoff zum Erlöser der Menschheit?

 

Mensch bleiben – allem zum Trotz!

=> Diese Welt mit all ihren Sicherheiten und geglaubten Wahrheiten wird zurzeit gewaltig aufgemischt.

=> Worauf kann man sich denn letztlich noch verlassen? Was gibt noch Sicherheit – auch in der Denkweise unseres Glaubens?

=> Wo ist Gott in diesen Wirren?

=> In diesem Jahr ist der Nobelpreis für Physik zu einem Viertel an Prof. Dr. Reinhard Genzel verliehen worden. Er ist der Direktor des Max Planck Instituts für extraterrestrische Physik in München.

=> Er ist geehrt worden mit zwei weiteren Wissenschaftlern dafür, dass er den Beweis erbracht hat für die Existenz eines schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Es gibt sogar ein Bild von diesem „Schwarzen Loch“.

=> Mich fasziniert dieser Blick in die Unendlichkeiten unseres Universums. Und mit diesem Beweis der Existenz so eines „Schwarzen Lochs“ ist eine Hypothese von Albert Einstein bewiesen worden, die der schon vor ca. 100 Jahren aufgestellt hat aufgrund seiner Überlegungen und Berechnungen.

=> Seit ca. 100 Jahren wird in der Physik von einem „big bang“ gesprochen und es entwickelt sich die Theorie von diesem Urknall.

=> Heute ist der „Urknall“ die Grundhypothese der Physiker für die Entstehungsgeschichte unseres Universums und moderne Menschen glauben an diese Hypothese. 

=> Wahrscheinlich sind sie jetzt gespannt, wie ich die Kurve kriege zu unserem Thema:

 

Mensch bleiben – allem zum Trotz

=> Ich habe diesen kleinen Ausflug in die Astrophysik gemacht, um Ihnen unsere veränderte Situation im Blick auf die Bilder zu zeigen, die heutige Menschen im Kopf haben.

=> Diese Bilder erklären so viel oder so wenig, dass da für den Glauben an Gott vermeintlich kein Platz mehr ist.

=> Vor allem junge Leute wenden sich von diesem Glaubensgebäude der Kirchen ab, weil sie mit diesen Bildern nicht mehr zurechtkommen, die da von Gott gezeichnet werden.

=> Sie glauben lieber an einen Urknall, weil so vermeintlich alles geklärt ist. Da braucht es keinen Gott zur Erklärung.

=> Wo und wie kann aber in diesem heutigen Weltbild Gott verortet werden?

=> Exemplarisch möchte ich Ihnen da eine Möglichkeit zeigen anhand einer Persönlichkeit, die Sie vielleicht selbst noch gekannt haben:

=> Carl Friedrich von Weizsäcker. Er ist geboren worden im Jahr 1912 in Kiel, gestorben 2007 am Starnberger See.

=> Er war Physiker, Philosoph und Friedensforscher – wie man über ihn lesen kann.

=> Sein jüngerer Bruder Richard war unser Bundespräsident.

=> Carl Friedrich von Weizsäcker ist eine spannende Persönlichkeit des letzten Jahrhunderts. In diesem vergangenen Jahrhundert hat die Physik das bis dahin gängige Weltbild vollkommen verändert.

=> Weizsäcker gehört zu einer Gruppe von Physikern um Werner Heisenberg, die sich mit der Möglichkeit der Kernspaltung beschäftigt haben.

=> Atommodelle und Quantenphysik werden entwickelt.

=> Carl Friedrich von Weizsäcker ist fasziniert von diesen Möglichkeiten, die die Kernspaltung eröffnet. => Es wird ihm mit Werner Heisenberg und einigen anderen klar, dass mit Kernspaltung auch der Missbrauch in kriegerischen Auseinandersetzungen möglich wird.

=> Sie entscheiden sich 1939 dafür, dem Heereswaffenamt zu melden, dass diese Erfindung der Kernspaltung noch viele Jahre dauern wird, bis sie als Bombe zur Anwendung kommen könnte.

=> Daraufhin wird diese Forschung durch das Heereswaffenamt nicht mehr mit Vordringlichkeit gefördert.

=> Die Kernphysiker experimentieren dann mit einer „Uranmaschine“ in Hechingen.

=> Carl Friedrich von Weizsäcker gibt im Rückblick zu, dass es für ihn eine große Versuchung war, als Physiker einfach seine Forschungen voran zu treiben, ohne darauf zu achten, was die Politik eines Adolf Hitler daraus machen könnte.

=> Allerdings waren sich die Forscher um Werner Heisenberg einig, dass sie ihre Ergebnisse auf keinen Fall in die Hände der Nationalsozialisten geben wollten, die damit dann eine Bombe bauen könnten.

=> Später, nachdem die Welt die verheerende Wirkung von zwei Atombomben in Japan erlebt hat, setzt ein intensives Umdenken ein.

=> Carl Friedrich von Weizsäcker hat sich nach dem Krieg vor allem dafür eingesetzt, dass Atomwaffen weltweit geächtet werden.

=> Als bekennender evangelischer Christ und hoch geachteter Kernphysiker wird er zu einer zentralen Figur in der Friedensforschung der Nachkriegszeit.

=> Er hat sich trotz der Versuchung durch Macht und Geld für die Werte des Christentums entschieden.

Er hat seine Seele nicht verkauft – wie man sagt.

Er ist sich selbst und seinen Prinzipien treu geblieben.

 

Mensch bleiben – allem zum Trotz!

=> Aufgrund seiner Philosophie ist er ein überzeugender Repräsentant für modernes Denken, in dem auch Gott noch seinen Platz hat.

=> Er hat dann festgestellt, dass jede Antwort, die die Naturwissenschaften auf die Frage nach dem Woher und Wohin findet, immer wieder neue Fragen aufwirft. => Und an den Grenzen des Vorstellbaren in diesem Universum - im Makrokosmos genauso wie im Mikrokosmos - bleibt immer noch die letzte Frage nicht beantwortet: warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts.

=> Für den Carl Friedrich von Weizsäcker als dem philosophischen Denker, gibt es schließlich diese Wirklichkeit, die er in der Quantenphilosophie niederlegt.

=> Er ist der festen Überzeugung, dass hinter diesen phänomenalen Ergebnissen der Forschung der Geist Gottes den Forschern zu ihrer Erkenntnis verholfen hat, ob sie das nun so sehen wollen oder nicht.

=> Gott bleibt in seiner Quantenphilosophie die Ursprungshypothese für unser Universum.

=> Anders ist dieses Universum für Carl Friedrich von Weizsäcker nicht zu erklären. Allerdings braucht es neue Bilder und eine andere Sprache, um von Gott zu reden.

Er kommt im Laufe seines langen Lebens zu folgender Erkenntnis:

Das Eigentliche des Wirklichen, sozusagen die Wirklichkeit der Wirklichkeit, ist Geist.

Das ist eine provozierende Spekulation, ein spekulativer Traum, den er mit außerordentlicher Behutsamkeit mutig vorträgt.

=> Damit ist die Welt eines reinen Materialismus mit einem Schlag erledigt.

=> Gott wird verortet mitten im Leben der Menschen, in ihrem Geist.

Dort ist die Wirklichkeit! Dort ist Gott.

 

=> Vorhin haben wir in der Lesung den Ruf des Propheten Jesaja gehört, der Gott den „Erlöser von jeher“ nennt, „der denen Gutes tut, die auf ihn hoffen“.

In der Hoffnung auf Gott finden die Menschen ihren Erlöser, ihre Erlösung.

=> Vielleicht hilft diese Sicht auf die Wirklichkeit unserer Welt dazu, dass Gott wieder einen Platz findet bei den Menschen.

Das Eigentliche des Wirklichen, sozusagen die Wirklichkeit der Wirklichkeit, ist Geist.

=> Vielleicht ist das auch ein erlösender Gedanke mitten in unserer notvollen Corona-Zeit.

=> Ich wünsche es uns allen.

Es ist der Geist, der lebendig macht, sagt Jesus mit den Worten des Johannes.

=> Und Carl Friedrich von Weizsäcker sagt über den Geist in unserer Welt, dass er die Wirklichkeit der Wirklichkeit ist.

=> So kann sich unser Thema entfalten:

Mensch bleiben – allem zum Trotz!!

Amen.

© R. Hübschle 2020

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.