Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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2. Advent

Lesung: Jes 11, 1-10

An jenem Tag wächst aus dem Baumstumpf Isais ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.
Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.
Er erfüllt ihn mit dem Geist der Gottesfurcht. Er richtet nicht nach dem Augenschein, und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er, sondern er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes. Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib. Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist. An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais sein, der dasteht als Zeichen für die Nationen; die Völker suchen ihn auf; sein Wohnsitz ist prächtig.

 

Evangelium: Mt 5, 14-16

hr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.

 

Predigt:

Liebe Gemeinde

vor vier Tagen ist ihr der Alternative Nobelpreis in Abwesenheit verliehen worden, und sie ist zweifellos eine der auffallendsten Persönlichkeiten des Jahres 2019 weltweit:

Greta Thunberg – 2003 in Stockholm geboren als Tochter einer Opernsängerin und eines Schauspielers.

Schon als Kind ist bei ihr das Asperger Syndrom diagnostiziert worden, und heute bezeichnet sie ihre psychische Erkrankung als Geschenk. Diese Krankheit – so sagt sie es selber – helfe ihr dabei, Situationen noch klarer analysieren und noch konsequenter handeln zu können, weil sie ein ausgeprägteres Interesse habe an allem, was um sie herum geschieht.

Bekannt geworden ist die 16-jährige junge Frau, nachdem sie sich am 20. August 2018 – also am ersten Schultag nach den Sommerferien in Schweden – mit einem Schild in der Hand vor den schwedischen Reichstag gesetzt hat. Auf dem Schild war zu lesen:

„Schulstreik für das Klima“.

Gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern und der Lehrerinnen und Lehrer ihrer Schule, hat sie diesen täglichen Streik  bis Anfang September fortgesetzt.

Danach war die 16-Jährige dann nur noch freitags vor dem Regierungsgebäude zu sehen.

Die schwedischen Zeitungen sind damals sehr schnell auf die junge Schulstreikerin aufmerksam geworden, die ihren Schulabschluss übrigens in Klasse 9 – trotz des regelmäßigen Streiks – mit hervorragenden Noten geschafft hat.

Greta Thunberg setzt zur Zeit ein Jahr ganz mit der Schule aus.

2018 hat sie auf der UN-Klimakonferenz gesprochen, 2019 beim Weltwirtschaftsforum und jetzt, seit zwei Tagen, nimmt sie an der Klimakonferenz in Madrid teil.

Sie trifft sich mit dem UN-Generalsekretär und mit dem Papst. Eine Begegnung mit dem amerikanischen Präsidenten Trump lehnt sie ab und nennt ein solches Gespräch Zeitverschwendung.

Weltweit haben sich mittlerweile zehntausende Schülerinnen und Schüler ihrer Streik-Idee angeschlossen:

Die „Fridays for Future“-  Bewegung ist entstanden.

Und das Thema „Klimawandel“ ist mittlerweile in allen Medien präsent.

Bei einer Rede in Helsinki im Jahre 2018 stellt Greta Thunberg bei einer Klima-Demonstration klar, dass wir Menschen die Welt niemals retten werden, solange wir uns an die geltenden Spielregeln halten. Wenn es um den Schutz der Umwelt geht – davon ist die junge Frau ganz offensichtlich überzeugt – dann brauchen wir als Weltgemeinschaft neue Spielregeln.

Und es gilt, nicht länger nur zu reden, sondern zu handeln und zwar schnell!

Bei der Klimakonferenz in Katowice stellt Greta Thunberg klare und unmissverständliche Forderungen.

Sie wirft den Verantwortlichen in der internationalen Politik öffentliches Versagen vor. Ihr Handeln in der Klimapolitik bezeichnet sie als untragbar und vergleicht es mit dem Verhalten kleiner Kinder.

Und jetzt Greta Thunberg wörtlich:

„Was ich  auf dieser Konferenz zu erreichen hoffe, ist die Erkenntnis, dass wir einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sind. ….

Zuerst müssen wir dies erkennen und dann so schnell wie möglich etwas tun, um die Emissionen aufzuhalten, und versuchen, das zu retten, was wir noch retten können.“

(zitiert in: The Guardian, 4.12.2018)

Und in einem Interview im ZDF-„heute journal“ im Februar diesen Jahres fasst die junge Schwedin ihre Kritik an der internationalen Umweltpolitik mit folgendem Satz zusammen:

„Ich mag es nicht, wenn Menschen das eine sagen und das andere machen.“

(zitiert aus: ZDF-heute journal, 6.Februar 2019)

Mich beeindruckt diese Frau – zunächst  wegen ihrer messerscharfen Analyse zur Klimaveränderung.

Kevin Anderson, Professor für Klimawandel und Energie an den Universitäten von Manchester und Uppsala, sagt über Greta Thunberg:

„Ich habe in den Gesprächen mit ihr oft den Eindruck, mit einer jüngeren Kollegin unseres Instituts zu diskutieren. …..

Greta weiß unglaublich viel über den Klimawandel. ….sie schafft es, Unmengen von Information zu prägnanten, einfachen, ehrlichen Botschaften zusammenzufassen.“

(zitiert aus: Claus Hecking, Interview mit Kevin Anderson, spiegel online, 28.März 2019)

Die fachliche Kompetenz ist das eine – mich fasziniert an dieser jungen Frau aber noch mehr ihr Mut und ihre Klarheit, mit der sie Wahrheiten erkennt und ausspricht und dann auch ihre Zielstrebigkeit, mit der sie handelt.

Ein solches konsequentes Handeln fordert auch Matthäus in unserem heutigen Evangelium von all den Frauen und Männern, die sich an Jesus von Nazareth orientieren:

„Ihr seid das Licht der Welt.“ –

Matthäus reichen zwei Verse, um klarzustellen, was uns als Christinnen und Christen ausmacht:

Wie Lichtblicke sollen wir sein – inmitten der Dunkelheiten unserer Zeit! Heller und menschlicher soll das Zusammenleben der Menschen und der Völker durch unser Handeln werden.

Als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu werden wir also – im Denken des Matthäus – daran gemessen, wie sehr wir hineinstrahlen in die Lebenswelten der Menschen.

Und:

So sinnlos, wie es ist, ein Licht zuerst anzuzünden und danach ein Gefäß darüberzustellen, das kein Licht mehr durchlässt, so sinnlos ist es auch, sich auf Jesus zu berufen und selber kein Lichtblick für unsere Welt zu sein.

„So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen.“ –

„τα καλ εργα“ heißt es im griechischen Urtext und damit ist edles und moralisch gutes Handeln gemeint.

Was das konkret bedeutet, beschreibt Matthäus in den Versen, die unserem heutigen Evangelium unmittelbar vorausgehen.

Es sind die Seligpreisungen:

Trauernde trösten – keine Gewalt anwenden – Frieden schaffen – sich für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzen!

Immer dann,  wenn wir Christinnen und Christen mit Mut und Entschlossenheit diese Ideen auf unsere „Lebensschilder“ schreiben, dann werden wir selber zu Lichtblicken in unserem Alltag und in unserer Welt – und die Menschen werden auf uns aufmerksam.

So werden wir alle dann zu kleineren oder zu größeren Lichtblicken für andere Menschen.

Und: Diese Lichtspuren, die auch Sie alle dann hinterlassen, gründen im Ewigen, weil die Kräfte, die Ihnen in diesem Handeln dann zufließen, nicht nur aus Ihnen selber kommen.

Es sind göttliche Lichtblicke, die dann durch uns alle in der Welt aufleuchten:

Und das gilt für Ihr Zusammenleben als Paar oder in der Familie.

Das gilt für den Kampf um mehr Freiheit oder Gerechtigkeit unter den Völkern – und das gilt genauso für die Bewahrung unserer bedrohten

 

 

Liebe Gemeinde,

„Ich mag es nicht, wenn Menschen das eine sagen und das andere machen.“ –

weil Greta Thunberg nicht nur mutig und entschlossen den Mächtigen dieser Welt ins Gewissen redet, sondern selber konsequent handelt und als Schülerin ein völlig neues Leben führt, ist sie – vermutlich nicht nur für mich – ein Lichtblick in unserer Zeit.

Sie hat jetzt schon – mit 16 Jahren – ihre Lichtspuren in unserer Welt hinterlassen, und sie wird das auch weiterhin tun.

Dabei ist ihr Mut, sich eben nicht  an die geltenden Spielregeln zu halten, sondern selbstbewusst selber zu denken, auch wegweisend für uns Christinnen und Christen, wenn wir alle immer mehr zu Lichtblicken für unsere Zeit werden wollen.

Und:

Die 16-Jährige könnte tatsächlich auch unsere Ratgeberin sein, wenn wir mutig und zielstrebig konkrete Schritte der Veränderung in unserer Kirche gehen.

Stellen Sie sich einmal vor, eine ältere und treue Kirchenbesucherin würde sich täglich vor den Rottenburger Dom setzen mit einem Schild in der Hand, auf dem steht:

„Ich möchte die dringend nötigen Reformen in der Kirche noch erleben!“

Dieser Vorschlag ist fast wörtlich so formuliert worden von einem Gast und Theologen bei der Veranstaltung „Konzil von unten“, die vor zwei Wochen in unserem Gemeindesaal, hier in Dreifaltigkeit, stattgefunden hat:

Sich als Christinnen und Christen nicht immer an die Spielregeln halten  – nicht nur über Veränderungen reden oder stapelweise Papiere erstellen, die dann in irgend einer Schublade verstauben –

sondern selber handeln und nicht so viel fragen –

auf diese Vorgehensweise haben sich die über 100 Versammelten geeinigt, die miteinander beraten haben, wie der lähmende Reformstau in unserer Kirche überwunden werden könnte.

Das Ziel ist: Die Kirche soll wieder zu einem Lichtblick werden inmitten einer Welt der menschlichen Einsamkeit, der politischen Verunsicherung auf der Suche nach Werten – und:

Die Kirche soll sich wieder neu inspirieren lassen  von der Kraft aus dem

Diese Lichtblicke, die im Ewigen gründen, wünsche ich Ihnen für Ihr persönliches Leben, und nicht nur zur Veränderung unserer Kirche.

Amen.

 

© A. Böhm, 2019

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.