Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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1. Advent

Lesung: Jes 2, 1-51

Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat.
Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg. Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.

 

Evangelium: Mt 23, 1-11

Darauf sprach Jesus zum Volk und zu seinen Jüngern und sagte: Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und die Pharisäer.  Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht.  Sie schnüren schwere und unerträgliche Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, selber aber wollen sie keinen Finger rühren, um die Lasten zu bewegen.  Alles, was sie tun, tun sie, um von den Menschen gesehen zu werden: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, sie lieben den Ehrenplatz bei den Gastmählern und die Ehrensitze in den Synagogen und wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt und die Leute sie Rabbi nennen.  Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein.  Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

 

Predigt:

Lichtblicke im Ewigen –

 

Haben Sie den Lichtblick gehört? –

„Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht!“

 

Liebe Mitchristen,

=> da stehe ich jetzt ganz schön in einem Zwiespalt, denn ich gehöre ja auch zu diesem „Bodenpersonal“ Gottes, das offensichtlich schon vor 2000 Jahren, also zur Zeit Jesu, so ein Glaubwürdigkeitsproblem gehabt hat.

=> Damals waren es die Schriftgelehrten und Pharisäer, heute sind es die Priester, Bischöfe, Kardinäle und der Papst!

 

… befolgt alles, was sie euch sagen, richtet euch aber nicht nach ihren Taten …

 

=> Das ist eine gewaltige Provokation für uns heutige Christen, die sich mit diesen ungeheuerlichen Skandalen beschäftigen müssen, die zurzeit unsere Kirche erschüttern.

=> Jeden Tag werden wir mit neuen Nachrichten aus dem Vatikan konfrontiert, die mich fassungslos machen. Zuerst vor ca. 10 Jahren ein Finanzskandal, zwischendurch der Missbrauchsskandal und jetzt wieder ein Finanzskandal!!

=> Die Kirche kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus.

 

=> Heute beginnt der sog. „Synodale Weg“. Da reden das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken und die deutschen Bischöfe miteinander.

Es geht um fundamentale Reformen in der Kirche.

=> Vier Bereiche sollen besprochen werden in den nächsten zwei Jahren:

·        Macht und Gewaltenteilung in der Kirche,

·        Sexualmoral der Kirche,

·        Priesterliche Lebensform, Zölibat,

·        Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche.

=> Mit dieser Veranstaltung soll das Image der katholischen Kirche etwas verbessert werden …

Ob das durch solche medienwirksame Inszenierungen gelingen wird?

 

… befolgt alles, was sie euch sagen, richtet euch aber nicht nach ihren Taten …

 

Das ist der Rat des Evangeliums, der Rat Jesu!

Und wir werden erleben, ob dieser Synodale Weg ein Lichtblick sein wird.

 

=> In den letzten Jahren erscheinen in Deutschland immer wieder Bücher, die sich mit Skandalen in der Kirche beschäftigen:

=> „Die Nonnen von Sant‘ Ambrogio“, „Der Heilige Schein“, „Von der Kirche missbraucht“, „Von Hirten und Schafen in der katholischen Kirche“, „Krypta“, „Zölibat – 16 Thesen“, „Verdammtes Licht, der Katholizismus und die Aufklärung“ … usw.

=> Ein bunter Reigen von Autorinnen und Autoren, die sich mit Erfahrungen oder auch wissenschaftlichen Forschungen dem System „Römisch Katholische Kirche“ stellen.

=> Einer dieser Wissenschaftler, der zurzeit höchste Aufmerksamkeit bekommt ist Prof. Dr. Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster. Er ist Priester unserer Diözese und wir haben miteinander in Tübingen studiert.

Er ist für mich ein Lichtblick in unserer Kirche!

 

=> Mit seinen Forschungen in den Archiven des Vatikans ist ihm vor Jahren schon eine ungeheuerliche Entdeckung gelungen, weil eine Prozessakte aus dem 19. Jahrhundert falsch einsortiert war.

Er hat sie ausgewertet und damit das Buch „die Nonnen von Sant‘ Ambrogio“ geschrieben.

Darin schildert er einen Skandal um den sexuellen Missbrauch von Nonnen in diesem Kloster Sant‘ Ambrogio in Rom im 19. Jahrhundert, der vor dem Licht der Öffentlichkeit vertuscht worden ist.

=> Dieses Buch ist ein Bestseller geworden in den letzten Jahren seit seinem Erscheinen. Es ist im Kern das Protokoll eines Prozesses, der sich mit dem sexuellen Missbrauch von Nonnen durch Priester in diesem Kloster befasst, letztlich aber werden die beschuldigten Priester „nur“ strafversetzt und es wird der Mantel des Schweigens darüber gelegt.

=> Einer der Beschuldigten war ein anerkannter Theologe, der maßgeblich für das Zustandekommen des Unfehlbarkeitsdogmas beim Konzil verantwortlich war. Er war ein direkter Berater des Papstes.

 

=> Mit den Büchern „Verdammtes Licht“ und „Zölibat – 16 Thesen“ räumt Hubert Wolf mit Behauptungen des katholischen Lehramtes auf, die sich im Licht der historischen Wissenschaft nicht mehr halten lassen. Beide Bücher sind in diesem Jahr erschienen und sie sind für mich ein Lichtblick.

Hubert Wolf schildert in diesen Büchern, wie sich das Lehramt der Kirche als „alleinwissend“ in dieser Zeit hingestellt hat.

=> Im 16. Jahrhundert hat sich das Lehramt mit der wissenschaftlichen Erkenntnis des Galileo Galilei angelegt und ihn zum Abschwören gezwungen.

=> Die herrschende Meinung des kirchlichen Lehramtes war, dass die Erkenntnisse der Heiligen Schrift nicht durch Beobachtungen widerlegt werden können, weil die Heilige Schrift als ihren Urheber Gott hat und der kann sich bekanntlich nicht irren, weil er ja der Schöpfer der Welt ist. Das war die Beweisführung.

=> Autoren von Büchern, die dieser Lehre widersprechen werden, werden gemaßregelt und die Bücher kommen auf den Index, auf die Liste der verbotenen Bücher. Die Inquisition hat damals gefordert, dass diese Bücher umgehen verbrannt werden müssen.

=> Die schlimmsten Irrlehren dieser Zeit, die durch die Inquisition bekämpft werden, sind der Ruf nach Reformen und nach Freiheit.

=> Das Lehramt der römischen Kirche dieser Zeit nimmt für sich in Anspruch, einzig und alleine die Wirklichkeit beschreiben zu können. Die Quelle für die Erkenntnisse des Lehramtes ist allein die Bibel.

 

… befolgt alles, was sie euch sagen, richtet euch aber nicht nach ihren Taten …

 

=> Naturwissenschaften gegen das Lehramt der Kirche! Diese Auseinandersetzung hat das Lehramt inzwischen verloren, weil die Zeit weitergegangen ist.

=> Aufgrund der Möglichkeiten des Buchdrucks sind viele Schriften und Bücher erschienen, die die Zensur der Inquisition nicht mehr beherrschen kann.

=> Heute interessiert sich ein Wissenschaftler wie Hubert Wolf nicht mehr für das kirchliche „Imprimatur“ – „Es kann gedruckt werden“.

=> Das Buch wird auch ohne kirchliche Genehmigung gedruckt. Es ist den Menschen heute egal, ob so ein Buch auf dem „Index“ steht, also ob es für Katholiken verboten ist, so ein Buch zu lesen.

 

=> 1992 hat Johannes Paul II Galileo Galilei rehabilitiert und das Urteil gegen ihn aufgehoben.

Auch das war ein Lichtblick im Fluss der Zeit.

=> Das Zeitalter der Aufklärung im 18. und 19. Jahrhundert hat schließlich endgültig dem kirchlichen Lehramt den Boden entzogen insofern es um naturwissenschaftliche Erkenntnisse und den Gebrauch der Vernunft gegangen ist.

=> Dieses Lehramt hat aber noch im 20. Jahrhundert gemeint, es könne den Katholiken immer noch Vorschriften machen, die das Leben der Menschen unmittelbar berührt.

=> Das betrifft vor allem die Sexualmoral, die die Kirche lehrt. Und auch da ist die Entwicklung weiter gegangen.

=> Welcher junge Mensch orientiert sich denn tatsächlich noch an den Lehrsätzen der Kirche, wenn es um das Sexualleben geht?

=> Obwohl wir als Kirche tatsächlich wichtige Impulse geben könnten – wie ich meine - für diesen wichtigen Bereich der menschlichen Entwicklung, interessiert das junge Menschen überhaupt nicht mehr.

=> Kirche taucht als hilfreiche Instanz für glückendes Leben nicht mehr als Ratgeberin auf.

Ganz im Gegenteil: Kirche gilt als veraltet, ewig gestrig, langweilig und uninteressant.

 

=> Da ist in den letzten 30 – 40 Jahren viel versäumt worden.

Das Lehramt der römischen Kirche hat sich nicht als ernstzunehmender Gesprächspartner gegenüber den Erkenntnissen der Naturwissenschaften in Stellung gebracht, die moderne Menschen beherrschen.

=> Glaube an Gott und Naturwissenschaften gelten fast als unversöhnliche Gegenüber, wobei der Glaube an einen personalen Gott immer mehr verdunstet und die Erkenntnisse der Naturwissenschaften unkritisch geglaubt werden.

Hier ist der Lichtblick, dass Menschen ihren Weg suchen und gehen.

=> Das Lehramt der römischen Kirche hat vorausdenkenden Menschen wie den Professoren Hans Küng und Eugen Drewermann die Lehrerlaubnis entzogen, weil diese nach Ansicht der Verantwortlichen der Glaubenskongregation nicht mehr den katholischen Glauben gelehrt haben.

=> Anstatt sich die Erkenntnisse dieser großen Theologen zunutze zu machen, haben sie sie vor die Türe gesetzt.

=> Und trotzdem haben sich zahllose Menschen auf der ganzen Welt an den Büchern dieser beiden Theologen orientiert und sich deren Sichtweise zu eigen gemacht, weil sie dem Leben und Denken der modernen Menschen viel näher stehen, als die Positionen des Lehramtes. Beide haben sich immer am Evangelium Jesu orientiert.

Diese beiden Männer sind für mich exemplarische Lichtblicke für gelingendes Leben aus dem Glauben, aber in einer modernen Welt.

 

=> Die römischkatholische Kirche in Deutschland steht tatsächlich an einem entscheidenden Wendepunkt.

=> Es braucht dringend die Rückbesinnung auf die Wurzeln – auf Jesus von Nazareth und seine frohe Botschaft.

=> Diese Botschaft gilt es heute so zu verkünden, dass die Menschen Atem schöpfen können in einer Atmosphäre der Befreiung von vielen Zwängen.

=> Es kann in der Zukunft nicht mehr sein, dass so viel Energie verschwendet wird im Kampf um die Rolle der Frau in der Kirche. Unsere Gesellschaft verträgt es nicht mehr, dass Frauen – nur wegen ihres Geschlechtes – von allen Ämtern ausgeschlossen werden. Das wäre niemals im Sinne Jesu gewesen.

=> Die erste Zeugin der Auferstehung ist die Apostolin der Apostel: Maria Magdalena!

=> Im Blick auf die Sexualmoral ist es höchst geboten wirklich hilfreich zu sein für junge Menschen, die in ihrer Entwicklung dringend Orientierung brauchen, aber mit sturen Verboten nichts anfangen können.

=> Die Machtfrage im System Kirche muss zusammenstimmen mit unserem gesellschaftlichen System, das auf Gewaltenteilung aufgebaut ist.

=> Und es muss dringen geändert werden, dass die Funktion des Leiters einer Gemeinde einzig und allein an unverheiratete Männer gebunden wird.

 

=> Wenn der Synodale Weg mit dem Ergebnis endet, dass es gut war, dass man miteinander geredet hat, dann wird das verheerende Folgen haben für das System Kirche.

=> Vielleicht wird der „Synodale Weg“ aber auch zu einem Lichtblick, weil mutig konkrete Reformen angegangen werden.

Allerdings bin ich da im Moment noch sehr skeptisch.

 

=> Aber vielleicht findet der Heilige Geist ja noch einen Weg. Wir werden sehen.

… befolgt alles, was sie euch sagen, richtet euch aber nicht nach ihren Taten …

 

Der wirkliche Lichtblick im Strom der Zeit ist letztlich aber Jesus von Nazareth selbst. Er und seine Botschaft haben das Potential auch in der Zukunft diese Welt zu gestalten.

=> Es gilt, nicht dieses traurige Bild anzuschauen, das die Kirche in der Öffentlichkeit abgibt.

Nein!

=> Wir dürfen uns die Freude am Evangelium nicht nehmen lassen, die hier vor Ort lebt.

=> Hier machen Menschen die Erfahrung, dass sie auch in schwierigen Zeiten getragen werden. In der konkreten Gemeinschaft finden Menschen Trost, Halt und Rat.

=> Hier sind alle willkommen, ohne dass sie gleich etwas liefern müssen.

=> Hier, in den konkreten Gemeinden der Seelsorgeeinheit, dürfen Menschen aufatmen und sein wie sie sind. Das macht froh.

Das ist der Lichtblick, der sich im Ewigen verliert.

Amen

© R. Hübschle 2019

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.