Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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Ravensburg West
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Christmette: Seht ihr unsern Stern dort stehen

Lesung: Jes 9, 1-6

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.
Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude. Man freut sich in deiner Nähe, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird.
Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers.
Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
Seine Herrschaft ist groß, und der Friede hat kein Ende. Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich; er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit, jetzt und für alle Zeiten. Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere wird das vollbringen.

 

Evangelium: Lk 2,1-14

In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen.
Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.
Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.
Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr,  der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll:
Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach:
Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.

 

Predigt:

Liebe in der heutigen Nacht versammelte Fest-Gemeinde!

Es war seine letzte Rede, bevor dann im März diesen Jahres seine Zeit als Bundespräsident in unserem Land zu Ende gegangen ist.

Und in dieser letzten Rede fasst Joachim Gauck zusammen, was er uns allen in Deutschland mit in unsere gemeinsame Zukunft geben will.

Und jetzt hören Sie unseren ehemaligen Bundespräsidenten wörtlich:

„Wenn ich mich nun frage, was das Wichtigste ist, was wir unseren Kindern und Kindeskindern mit auf den Weg geben, so ist es für mich vor allem die Haltung: Es ist das Vertrauen zu uns selbst, das Vertrauen in die eigenen Kräfte. Wir bleiben gelassenen Mutes.

Mögen die Ängste uns auch begleiten:

Wir lassen uns das Vertrauen zu uns selbst und zu unserer Demokratie nicht nehmen.

….

Mögen die Unwegbarkeiten der Zeit auch erschrecken: Wir fliehen nicht vor der Verantwortung. So entschieden wie wertetreu geben wir eine tiefe, in uns gewachsene Überzeugung weiter:

Das, was wir geschaffen haben und was uns am Herzen liegt, werden wir bewahren, entwickeln und verteidigen.“

(aus: Joachim Gauck, Seine letzte Rede, Spiegel Online 2017)

Joachim Gauck – 1940 in Rostock geboren, studierter Theologe und in seinen jüngeren Jahren evangelischer Pfarrer – hält in dieser letzten Rede die Hoffnung in uns wach, dass wir mit einem gesunden Vertrauen zu uns selber und zu unseren eigenen Kräften tatsächlich voller Mut und mit Gelassenheit in unsere Zukunft gehen können – trotz aller Ereignisse, die unseren Weltfrieden bedrohen und trotz der immer mehr zunehmenden Individualisierung und Digitalisierung unserer Gesellschaft.

Unser ehemaliger Bundespräsident ist Christ.

Und deshalb verbindet uns mit dem großen Politiker die Idee, dass wir Menschen in jeder Situation unseres Lebens einen Funken Hoffnung haben dürfen.

Der Grund dafür ist, dass  Jesus – der Mann aus Nazareth und geboren in Bethlehem – uns das so verkündet hat.

Wenn wir Christinnen und Christen im erwachsenen Kind von Bethlehem tatsächlich den göttlichen Hoffnungsschimmer für unser Leben entdecken, dann wächst auch das Vertrauen zu uns selber. Dann wird die Angst kleiner und der Mut größer, dann werden wir gelassener,  und es fällt uns leichter, die Verantwortung für uns selber und für unsere Gesellschaft zu übernehmen.

Dass wir Menschen diesem göttlichen Hoffnungsschimmer in unserem Leben trauen dürfen, dazu ermutigt uns das Weihnachtslied, das wir vorher miteinander gesungen haben:

„Seht ihr unsern Stern dort stehen,

helles Licht in dunkler Nacht.

Hoffnung auf ein neues Leben

hat er in die Welt gebracht.“

Einen Stern als Grund unserer Hoffnung feiern wir Christinnen und Christen an Weihnachten.

Ein Stern – ein göttlicher Schimmer, der in unsere Welt hineinstrahlt und der uns Menschen hoffen lässt, dass unser Leben gelingt und ganz und gar nicht sinnlos ist - das ist der wirkliche Grund für den Jubel in dieser heutigen Nacht.

Und Lukas, der Schriftsteller, der für uns die Ereignisse dieser Nacht in seinem Evangelium aufgeschrieben hat, verkündet uns das auf ganz ähnliche Weise:

 

„Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren. ….

Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf  Erden ist Friede bei den Menschen.“

 

Ganz offensichtlich ist sich Lukas sicher:

Der göttliche Hoffnungsschimmer, der mit dem erwachsenen Jesus für uns Menschen sichtbar und erlebbar geworden ist, bringt uns Menschen den Frieden.

Aber es ist eben kein politischer Friede, der alle Gewalt aus unserer Welt verbannt und der alle Völker verbindet.

Es ist ein Friede in unserem Herzen, eine große innere Sicherheit, ein gesundes Vertrauen zu uns selber.

Und mit einer solchen spirituellen Macht gelingt es uns Menschen eher, die Verantwortung für den Frieden in unserem alltäglichen Leben und in unserer Welt zu übernehmen.

Und wir schaffen es leichter – ganz im Sinne von Joachim Gauck – die Werte, die uns wichtig sind, zu „bewahren“, zu „entwickeln“ und zu „verteidigen“.

Lukas, unser Evangelist, malt ein romantisches Bild von diesem Augenblick, in dem dieser göttliche Hoffnungsschimmer  in unsere Welt hinein geboren wird:

In einem Stall, zwischen Tieren, die den geschenkten Frieden symbolisieren!

Dort, in diesem Stall, wohnt das Große und Rettende im Kleinen und im scheinbar Ohnmächtigen.

Und die Nacht wird hell durch den Stern, der vom Himmel her strahlt.

Dieses bei Lukas so stimmungsvoll gemalte Bild von der Nacht, in der das göttliche Licht in unsere Welt  kommt, verbindet uns Christinnen und Christen mit den Glaubenden in anderen Religionen:

In der 97. Sure des Koran wird erzählt, wie dem Propheten Mohammed die Verse des Koran aus dem Himmel übergeben werden. Und auch das geschieht in einer Nacht – und jetzt wörtlich –

„ die „Friede und Heil bringt…..bis zum Erglühen der Morgenröte.“

Wenn uns Christinnen und Christen aber mit den glaubenden Männern und Frauen im Islam das Vertrauen in das göttliche Licht verbindet, dann muss es doch möglich sein, dass wir mit unserer gemeinsamen spirituellen Macht den dummen und gewaltbereiten Extremen in den Religionen ins Angesicht zu widerstehen.

Für uns Christinnen und Christen wird aber in dieser Nacht, in der das göttliche Licht wie ein Stern vom Himmel in unsere Welt kommt, nicht nur die Hoffnung auf Frieden geboren, sondern ein kleines Kind, das dann als erwachsener Mann ganz klar formuliert, welche Haltung es in uns Menschen braucht, damit dieser Frieden spürbar und der göttliche Hoffnungsschimmer erlebbar wird in unserer Welt.

Jesus hat moralische Werte verkündet und auch gelebt, die bis heute wegweisend sind für eine Gesellschaft der Menschlichkeit und des Vertrauens.

Es gehört zu unserer christlichen Religion, dass wir gerade im Kleinen und im Hilflosen die Macht des Göttlichen in unserer Welt entdecken.

Jesus bringt uns bis heute auf die Idee,

dass wir womöglich bei all den Menschen, die uns anlügen, ihre eigene Angst vor der Wahrheit spüren,

dass wir bei all den Menschen, die voller Neid und Hass sind und die uns das Leben besonders schwer machen, die ganz tiefen eigenen Verletzungen ahnen.

Und: Jesus ermutigt uns auch, dass wir hinter der Maske der Arroganz und des knallharten Egoismus ein krankhaftes kleines Selbstbewusstsein vermuten.

Es ist der Auftrag des erwachsenen Kindes von Bethlehem, dass wir Christinnen und Christen uns bei jedem einzelnen Menschen auf die Suche nach dem göttlichen Hoffnungsschimmer machen, der auch in seiner oder in ihrer Seele wohnt und der aber womöglich zugeschüttet ist  mit Geldgier, Machtbesessenheit, Selbstüberschätzung oder eigenen tiefen Verletzungen.

Mächtige Männer mit großer politischer Verantwortung fallen mir dabei ein – Männer, die durch ihre Dummheit und ihre psychischen Störungen den Weltfrieden massiv gefährden und andere Menschen gering achten.

Aber solche Männer – und ganz sicher auch Frauen – können uns auch in Ravensburg, auf dem Marienplatz, über den Weg laufen.

Sie alle strahlen dieses göttliche Licht überhaupt nicht aus.

Und wenn wir solchen Menschen liebe-voll ins Angesicht widerstehen wollen, dann braucht es dieses Vertrauen zu uns selber und diese Macht unserer Spiritualität, die uns sicher sein lässt:

Mit Jesus ist ein mächtiger göttlicher Stern in unsere Welt gefallen, der auch uns manchmal kraftlose Menschen nach den Sternen greifen lässt, damit wir das Unmögliche wagen und selber zu kleinen Hoffnungsschimmern für andere werden.

Liebe Gemeinde,

„Sterne fallen in die Welt“ –

so heißt die Predigtreihe im Advent und über Weihnachten in diesem Jahr in unseren Gemeinden.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie es für möglich halten, dass mit dem erwachsenen Kind von Bethlehem ein göttlicher Hoffnungsschimmer vom Himmel gefallen ist und dass Sie dieser Stern vom Himmel in Ihren Herzen berührt.

Vielleicht sind die folgenden Verse von Klaus Nagoni  ein guter Wegbegleiter bei Ihrer lebenslangen Suche nach dem göttlichen Stern:

          „Vom Himmel gefallen

ein Stern

tief gesunken

ins Menschenall.

 

Verloren in einer Krippe

wo niemand sucht.

Versteckt

im gedroschenen Stroh

der Leute.

Bis ich ihn finde.

Oder er mich.

Und trage ihn

behutsam

damit nicht ein Strahl

abbricht.

Und bringe ihn dir.“

 

Amen.  

© A. Böhm, 2017

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.