Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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Ravensburg West
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2. Advent: Ein Stern - vom Himmel gefallen - zieht Spuren von Gottes Macht

Lesung: Jes 61, 1-2a.10-11

Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.
Denn wie die Erde die Saat wachsen lässt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern.

 

Evangelium: Mt 5, 14-16

Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.
Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus.
So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.

 

Predigt:

Liebe Gemeinde,

„Ein Stern – vom Himmel gefallen – zieht Spuren von Gottes Macht!“

Der Mann, der so einen Gedanken in seinem Kopf hat, heißt Gregor Linßen, ist 1966 in Neuss geboren und hat an der Musikhochschule in Düsseldorf Ton- und Bildingenieur – und dazu noch Querflöte – studiert.

Er arbeitet derzeit als Komponist und Liedermacher und ist gleichzeitig Dozent für Neues Geistliches Liedgut an der Kirchenmusikschule in Essen.

„Ein Licht in dir geborgen“ –

Dieses Lied, das wir vorher miteinander gesungen haben, ist im Jahre 1990 entstanden – und es ist Teil eines größeren Werkes von ihm mit dem Titel „Lied vom Licht – Lieder einer Messe“.

„Ein Stern - vom Himmel gefallen – zieht Spuren von Gottes Macht!“

Ganz offensichtlich ist der Textschreiber Gregor Linßen davon überzeugt:

Sternenlichter sind Spuren des Göttlichen,  und diese Spuren der Wirklichkeit, die wir Christinnen und Christen „Gott“ nennen, sind für jeden Menschen  tatsächlich spürbar  -  und zwar in uns selber.

 

Hören Sie den Künstler Gregor Linßen noch einmal wörtlich:

 â€žSo wächst ein Licht in dir geborgen, die Kraft zum neuen Beginn.“

Können Sie sich vorstellen, dass in Ihnen allen ein Licht strahlt, das vom Göttlichen erzählt?

Diesen spannenden Gedanken entdecke ich nicht nur im Liedtext von Gregor Linßen – er begegnet uns auch im heutigen Evangelium:

„ Ihr seid das Licht der Welt.“

Matthäus lässt Jesus diesen wichtigen Satz sagen, nachdem er vorher seine Seligpreisungen verkündet hat. Vermutlich kennen manche von Ihnen diese Verse der Bergpredigt, in denen Jesus zentrale Inhalte unserer christlichen Religion formuliert.

In den Seligpreisungen fordert er uns Christinnen und Christen bis heute auf, keine Gewalt anzuwenden, Trauernde zu trösten oder den Frieden voranzubringen.

Spannend ist jetzt, dass Jesus uns allen eben gerade nicht verkündet, dass wir zu Lichtern für unsere dunkle Welt werden, wenn wir im Sinne der Bergpredigt handeln, sondern wir Menschen sind Lichter für die Welt, und deshalb haben wir die Kraft und den Mut der Terror- Gewalt zu widerstehen und die Angst vor dem Fremden zu bezwingen.

„Ihr seid das Licht der Welt!“ –

Jesus lässt im heutigen Evangelium keinen Zweifel aufkommen:

Wir Menschen sind  Lichtfunken für diese Welt! Wir sind es, und wir müssen es nicht erst im Laufe unseres Lebens werden.

Wie kleine Leuchtsterne sind wir.

Jesus will uns im heutigen Evangelium die Sicherheit geben, dass in unserem Innersten ein Funke des Göttlichen verborgen ist. Darin aber liegt die unantastbare Würde von uns Menschen begründet – egal zu welcher Kultur oder zu welcher Religion wir Menschen gehören.

Und wir müssen es nur für möglich halten, dass in jedem und in jeder von uns dieser göttliche Leuchtfunke ist.

Diese Zusage im heutigen Evangelium könnte uns alle tatsächlich zum wirklichen Leben befreien, weil nämlich dann unser Lebensglück nicht mehr davon abhängt, wie reich oder wie erfolgreich wir sind. Wir sind dann auch nicht mehr so angewiesen auf das Wohlwollen und auf die Wertschätzung anderer Menschen. Und gleichzeitig sind unsere verborgenen Schwächen und unsere geheimen Ängste keine so große Bedrohung mehr für uns selber.

Unsere menschliche Größe gründet dann nämlich darin, dass wir alle kleine Lichter des Göttlichen für die Welt sind – Sternenlichter, so als wären wir vom Himmel gefallen, damit die Welt die göttliche Dimension ahnen kann.

„Ein Stern - vom Himmel gefallen – zieht Spuren von Gottes Macht.“

Und jetzt frage ich Sie noch einmal:

Können Sie sich vorstellen, dass in Ihnen allen tatsächlich so ein Lichtfunke ist, der vom Göttlichen erzählt?

Seit meinem Studium begleitet mich ein Satz des großen Mystikers Meister Eckhart.

Er hat am Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts gelebt und er sagt:

„Das Seelenfünklein ist die Kraft, die mit Gott vereint.“

Mystische Menschen - wie Meister Eckhart - nehmen sensibel wahr, was ist. Sie trauen ihrer Intuition, weil sie darin die göttliche Spur in ihrem Leben entdecken.

Und: Sie gehen sich selber auf den Grund und begegnen dann auch ihrer eigenen Ohnmacht und ihrem eigenen Begrenztsein.

Bei den mystischen Menschen führt das aber eben gerade nicht dazu, dass sie sich dann klein oder minderwertig fühlen.

Bei ihnen  erwächst daraus eine ruhige Gelassenheit und ein großes Selbst-Bewusstsein und Urvertrauen.

Sigmund Freud, gestorben im letzten Jahrhundert und Begründer der Tiefenpsychologie, hat sich auch mit mystischen Erfahrungen beschäftigt. Er beschreibt das Ziel der Mystik als das Erreichen einer höchsten Bewusstseinsebene, auf der sich der mystische Mensch ganz eins fühlt mit sich selber und mit dem ganzen Universum.

Genau diese Erfahrung aber beschreibt Meister Eckhart als Begegnung mit dem Göttlichen.

Die Tiefenpsychologie vermutet im Innersten unserer Seele das Kollektive Unbewusste – mystische Menschen entdecken im Innersten unserer Seele die Spur des Göttlichen.

Und bei Meister Eckhart heißt das dann „Seelenfünklein“.

Es gibt Neurologen in unserer Zeit, wie z.B. Thomas Fuchs, Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie an der Universität Heidelberg, die solche mystischen Erfahrungen erforschen.

Und solche Wissenschaftler stellen tatsächlich während einer Meditation oder im Loslassen und im Staunen vor Gott messbare Veränderungen im Gehirn fest.

Diese Forschungsergebnisse zeigen: Mystische oder spirituelle Erfahrungen rufen bei uns Menschen einen außergewöhnlichen Gehirnzustand hervor.  Mehr lässt sich aus diesen Ergebnissen nicht ableiten, aber auch nicht weniger. 

Aber auf dem Hintergrund solcher Erkenntnisse können spirituelle Erfahrungen von uns Menschen zumindest nicht mehr nur als pure Einbildung abgetan werden, meine ich.

Meister Eckhart hatte solche neuzeitlichen Forschungen nicht vorliegen. Und trotzdem war er sich sicher:

Es gibt im Innersten von uns Menschen diesen Funken des göttlichen Lichts.

Und 600 Jahre später formuliert es Gregor Linßen in seinem Lied ganz ähnlich:

„So wie die Nacht flieht vor dem Morgen,

so zieht die Angst aus dem Sinn,

so wächst ein Licht in dir geborgen,

die Kraft zu neuem Beginn.“

Wenn ich die beiden Männer richtig verstehe, dann könnte auch in jedem und in jeder von uns eine große Gelassenheit und ein großes Urvertrauen wachsen, wenn wir es für möglich halten würden, dass dieser göttliche Funke in unsere Seele fällt.

Und dann zieht ganz sicher die „Angst aus dem Sinn“:

Unsere Angst vor Terror und Krieg, genauso wie unsere Angst vor dem Altwerden oder vor der Einsamkeit – und ganz sicher auch unsere Angst vor dem Fremden.

Vielleicht kommt Ihnen jetzt diese in unserer Welt wohl für immer ungeklärte Frage in den Sinn, warum es überhaupt Terror und Ängste im göttlichen Plan mit uns Menschen gibt.

Auch ich kann Ihnen darauf keine Antwort geben, aber ich sage Ihnen meinen Gedanken dazu:

Der göttliche Funke ist wirklich in uns allen. Aber er hat ganz offensichtlich  noch kein so mächtiges Friedensfeuer oder Liebesfeuer entfachen können, das unsere Welt vollkommen von Gewalt und Angst befreien könnte.

Ich erlebe aber immer wieder in Begegnungen mit Menschen, wie mich diese göttlichen Funken wärmen und berühren, wenn sie aus den Augen von Menschen strahlen.

Und das ist für mich Glück – auch wenn die ungeklärten Fragen bleiben.

 

Liebe Gemeinde,

gerade jetzt, in der Adventszeit, in der überall so viele Lichter das Dunkel unserer Zeit hell machen, wünsche ich Ihnen ein kleines  Licht vom Himmel in Ihr Herz – einen göttlichen Funken, der Ihr Leben hell macht und Ihre Ängste vertreibt.

So einen kleinen Stern meine ich, der „vom Himmel gefallen“ ist und den Sie dann erleben als eine kleine Spur „von Gottes Macht“.

Amen.

© A. Böhm, 2017

 

Hier finden Sie die Predigt im pdf-Format.