Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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4. Advent: Zacharias und Elisabeth

Lesung: Hebr 5, 1-4

Jeder Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen.
Er ist fähig, für die Unwissenden und Irrenden Verständnis aufzubringen, da auch er der Schwachheit unterworfen ist; deshalb muss er für sich selbst ebenso wie für das Volk Sündopfer darbringen.
Und keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde, sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron.

 

Evangelium: Lk 1, 5-25

Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte. Seine Frau stammte aus dem Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabet.
Beide lebten so, wie es in den Augen Gottes recht ist, und hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn.
Sie hatten keine Kinder, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren schon in vorgerücktem Alter.
Eines Tages, als seine Priesterklasse wieder an der Reihe war und er beim Gottesdienst mitzuwirken hatte,wurde, wie nach der Priesterordnung üblich, das Los geworfen, und Zacharias fiel die Aufgabe zu, im Tempel des Herrn das Rauchopfer darzubringen.
Während er nun zur festgelegten Zeit das Opfer darbrachte, stand das ganze Volk draußen und betete.
Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars.
Als Zacharias ihn sah, erschrak er und es befiel ihn Furcht.
Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes geben.
Große Freude wird dich erfüllen und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen.
Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein.
Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren.
Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen.
Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist? Ich bin ein alter Mann und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.
Der Engel erwiderte ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen.
Aber weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können bis zu dem Tag, an dem all das eintrifft.
Inzwischen wartete das Volk auf Zacharias und wunderte sich, dass er so lange im Tempel blieb.
Als er dann herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er gab ihnen nur Zeichen mit der Hand und blieb stumm.
Als die Tage seines Dienstes (im Tempel) zu Ende waren, kehrte er nach Hause zurück.
Bald darauf empfing seine Frau Elisabet einen Sohn und lebte fünf Monate lang zurückgezogen. Sie sagte: Der Herr hat mir geholfen; er hat in diesen Tagen gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande befreit, mit der ich in den Augen der Menschen beladen war.

 

Predigt

 

Liebe am 4. Advent versammelt Gemeinde!

 

Mensch – Gottes Idee? So lautet der Titel unserer diesjährigen Predigtreihe, und wir nehmen hierbei ganz besonders biblische Paare in den Blick.

Am 1. Advent waren das also Adam und Eva, die ersten biblischen Menschen. Der Mensch – als Mann und Frau geschaffen als Gottes Ebenbild. Somit hat jeder Mensch per se eine einzigartige Würde von Gott. In unserer heutigen modernen Welt, wo Gott zunehmend weniger – oder anders – eine Rolle spielt, muss diese Würde neu gedacht werden.

Am 2. Advent gab es sozusagen „Sex and Crime“: König David – und seine erst Geliebte, dann Ehefrau Batseba, die ihrerseits auch Intrigen spann.

Für sie und für uns alle gilt: „Mensch – du bist nicht die perfekte Idee unseres Gottes“ – aber von unserem Gott geliebt - trotz allem Versagen und in allem Unglück!

Am 3. Advent haben wir einen chronologischen Rückwärtsschritt um 1000 Jahre hin gemacht, zurück zum Urvater Abraham und seiner Frau Sara. Diese beiden durften erfahren: Gott geht alle Wege mit, auch die nicht immer ganz geradlinigen.

Und heute, am 4. Advent, gehen wir wieder 2000 Jahre nach vorne. Sie kennen die Verkündigung an Maria, wo es heißt „Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat.“

Somit ist Johannes also ein halbes Jahr älter als Jesus; wir befinden uns etwa am Beginn unserer Zeitrechnung.

Eigentlich hätten wir heute noch einmal dieselbe Lesung wie letzten Sonntag nehmen können; es hätte vom Inhalt her gut gepasst: zwei Frauen, beide schon im vorgerückten Alter – wie ihre Ehemänner ebenso – und beide waren kinderlos, galten als unfruchtbar.

Ich habe es bereits in meiner Predigt am letzten Sonntag erwähnt: keine Kinder zu haben, war in der damaligen Zeit ganz besonders schlimm. Auch heute vermissen Menschen, bei denen es mit dem Nachwuchs einfach nicht klappen will, schmerzlich die Zusammengehörigkeit und die Geborgenheit der Familie, aber zu biblischen Zeiten – und übrigens auch heute noch in Ländern der so genannten dritten oder vierten Welt – waren Kinder die Altersversorgung. Ohne sie stand man irgendwann mit leeren Händen da.

In unserem heutigen Evangelium klingt aber auch noch etwas anderes an: im letzten Vers sagt da Elisabeth: „Der Herr hat gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande befreit, mit der ich in den Augen der Menschen beladen war.“ – Kinderlosigkeit galt in biblischer Zeit als Strafe Gottes, und es wurde – auch schon in Vers 7 - Elisabeth zugeschrieben, dass dem so war.

Elisabeth wird mal mehr, mal weniger darunter gelitten haben.

Inzwischen waren beide, Elisabeth und Zacharias – wie auch Abraham und Sara – schon im fortgeschrittenen Alter.

Heute verhilft die moderne Medizin ja inzwischen fast in jedem Alter noch zum Kindersegen – was man davon halten soll, steht auf einem anderen Blatt.

Damals hatten Zacharias und Elisabeth aber wohl mit dem Kapitel „Kinder“ abgeschlossen.

Sie lebten ihr Leben, und wie es heißt „so, wie es in den Augen Gottes recht ist und hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn.“

Dieser Lebensstil mag ihnen sozusagen schon in die Wiege gelegt worden sein, denn nicht nur Zacharias war ein Priester, auch Elisabeth entstammte einer Priesterfamilie (Am Rande bemerkt: damals war es selbstverständlich, dass die Priester eine Familie hatten).

Und als Priester hatte Zacharias wieder einmal Dienst im Tempel. Wie es hieß: er gehörte der  Gruppe Abija an. Diese war die achte Wochenabteilung der 24 priesterlichen Dienstklassen. Jede von ihnen hatte 2-3mal jährlich je eine Woche Dienst im Tempel, und die einzelnen Dienste, also Aufgaben, bestimmte das Los.

Das Rauchopfer, die Aufgabe von Zacharias, eröffnete den Opferdienst am Morgen. Zum Abschluss des Opferdienstes wurde das Volk vom Priester gesegnet.

Soweit war alles „wie immer“ – doch dann geschah es: dem Priester Zacharias erscheint ein Engel.

Nun sind Engel in den letzten Jahren wieder geradezu in Mode gekommen, Engelfiguren, Engelschmuck, Bücher über Engel, das finden Sie allenthalben. Und kaum jemand möchte ja wohl auf den Gedanken an einen persönlichen Schutzengel verzichten.

Aber gleich eine Engelerscheinung? Was würden Sie sagen, wenn Ihnen jemand von einer Begegnung mit einem himmlischen Engel erzählt? Also, meine Reaktion wäre vermutlich ähnlich wie ich es letzte Woche formuliert habe, als es darum ging, dass Gott selbst zu einem spricht. Ich würde mir schwertun, das zu glauben, womöglich an der geistigen Gesundheit meines Gegenübers zweifeln.-

Wenn jemand erzählt, dass ihm um ein Haar etwas Schlimmes passiert sei, aber es gut ausging, und er dazu sagt: „Mein Schutzengel war auf Zack!“ – dann können wir das normalerweise gut hören und annehmen.

Wenn aber ein Engel aus dem Himmel als solcher direkt neben einem steht, sieht die Sache verständlicherweise anders aus.

Kein Wunder, dass Zacharias zunächst erschrickt und ihn Furcht befällt, wie es im Evangelium heißt. Bei anderen „himmlischen Begegnungen“ in der Bibel ist es ja genauso – denken Sie nur einmal an das, was wir bald an Weihnachten hören werden – die Hirten auf dem Feld, denen der Engel auch erst einmal sagen muss „Fürchtet euch nicht.“

Das Wort „Engel“ stammt von dem lateinischen Wort „angelus“, im Griechischen übrigens fast ebenso „aggelos“, was wiederum eine direkte Übersetzung des hebräischen Malach ist – der Gesandte, der Bote.

Und dieser himmlischen Bote hat also an Zacharias eine wunder-volle Botschaft zu überbringen: Zacharias beziehungsweise sein Frau Elisabeth wird einen Sohn bekommen, und dieser wird groß sein vor dem Herrn sein, erfüllt mit dem Geist Gottes.

Was für eine Nachricht! Eine wahrhaftige frohe Botschaft, ein Evangelium sozusagen.

Und Zacharias? Ist keineswegs außer sich vor Freude – nein, er kann es nicht glauben, er zweifelt.

Er, der Priester, der doch eigentlich die Heiligen Schriften seines Volkes kennen müsste, wo es solche wunderbaren gottgeschenkten Kinder durchaus schon gegeben hat – sei es bei Abraham und Sara, von denen wir letzte Woche gehört haben, oder auch bei Hannah und Elkana mit ihrem Sohn Samuel, er zweifelt.

Bei sich selbst und seiner Frau, da kann er es sich nicht vorstellen.

Und die „Strafe“ für diese Kleingläubigkeit folgt auf den Fuß: Zacharias verstummt.

Wobei, was Lukas hier als himmlische Strafaktion für das Nicht-glauben-wollen deutet, könnte ich auch noch anders interpretieren: es hat Zacharias schlicht und ergreifend die Sprache verschlagen.

Was ja bei derartig grandiosen Ereignissen schon mal der Fall sein kann, wenn das anscheinend Unmögliche doch noch Wirklichkeit wird.

Wie ist das überhaupt mit dem Unmöglichen? Rechnen wir tatsächlich noch damit?

Trauen wir Gott etwas zu?

Wenn ich Kommunionkindern erkläre, was Fürbitten sind, sage ich auch immer: „Aber Gott ist kein Automat – Münze rein, Ware kommt raus. Das funktioniert bei Gott nicht nach dem gleichen Prinzip: Bitte an Gott gerichtet – schwupps, erfüllt.“

Gott ist nicht berechenbar; Gott ist und bleibt der „ganz Andere“, wie der große evangelische Theologe Karl Barth es formuliert hat. Dementsprechend reagiert und handelt er auch nicht nach unseren menschlichen Maßstäben und Vorstellungen. Vielleicht dauert es lange, bis wir von Gott eine Antwort bekommen.

Vielleicht haben wir das Gefühl, wir bekommen gar keine Antwort.

Vielleicht fällt die Antwort ganz anders aus, als erwartet.

Aber vielleicht macht Gott auch einmal das Unmögliche möglich.

Wie dem auch immer sei – um Gottes Antwort, Gottes Stimme zu hören, brauchen wir auf jeden Fall eines: Ruhe. Stille.

Von daher war es vielleicht auch mal gar nicht verkehrt für Zacharias, nicht reden zu können.

Sich ganz auf die Stille einlassen zu müssen – sozusagen unfreiwillige Schweigeexerzitien zu halten. Gott die Chance zu geben, in seinem Leben zu Wort kommen zu können.

Und dann das, was Gott zu sagen hat, sacken zu lassen. Zeit haben, um es zu verarbeiten, um darüber nachzudenken – nicht gleich zum nächsten Tagesordnungspunkt oder Termin weiterzugehen.

 

Liebe Gemeinde!

Auch wenn wir dieses Jahr einen langen Advent mit fast einer Woche Zeit zwischen viertem Adventssonntag und Heiligabend haben, so geht es doch jetzt mit großen Schritten auf Weihnachten zu.

Gerhard Krombusch, der kürzlich verstorbene Direktor des Instituts für Religionspädagogik und Medienarbeit des Erzbistums Paderborn hat ein kurzes Gedicht verfasst:

Zeit für Ruhe, Zeit für Stille,

Atem holen und nicht hetzen,

unser Schweigen nicht verletzen.

Lass uns in die Stille hören.

Genau das wünsche ich ihnen und uns allen in diesen letzten Tagen des Advents, aber auch über Weihnachten: Zeit für Ruhe und Stille, zum Atem holen und Zeit dafür, in die Stille zu lauschen – und vielleicht einmal etwas ganz Unerwartetes zu hören.

Amen.

© B. Vallendor, 2016

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.