Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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Weihnachten

Lesung: Jes 52, 7-10

Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König.
Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt.
Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstet sein Volk, er erlöst Jerusalem.
Der Herr macht seinen heiligen Arm frei vor den Augen aller Völker. Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes.

 

Evangelium: Joh 1, 1-5.9-14

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
Im Anfang war es bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

 

Predigt


Liebe an Weihnachten versammelte Gemeinde!


„Es gibt 2 Arten, sein Leben zu leben:
Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an Letzteres.“

Was ist das wohl für ein Mensch, der solche Sätze formuliert?
Es ist kein Theologe  und auch kein Philosoph. Er ist Physiker, und ich bin mir sicher, dass ihn viele von Ihnen kennen:
Albert Einstein – 1879 in Ulm als Kind jüdischer Eltern geboren – 1955 in New Jersey gestorben.
Seine Forschungen zur Struktur von Materie und Zeit haben das physikalische Weltbild völlig verändert. 1922  ist ihm der Nobelpreis für Physik verliehen worden für seine Entdeckung des Gesetzes des Photoelektrischen Effekts. Im Jahre 1999 – also längst nach seinem Tod – wurde er von international anerkannten Fachleuten aus der Physik mit dem Titel „Größter Physiker aller Zeiten“ geehrt. Und nicht selten wird Albert Einstein in Aufsätzen oder in wissenschaftlichen Artikeln als „Genie“ bezeichnet.

Mensch, Albert Einstein, du jüdischer Denker, für mich strahlt auch durch dich das Göttliche  hinein in unsere Zeit:
Mensch, Albert Einstein, du bringst mich auf die Idee, dass es nicht unvernünftig ist, wenn wir Menschen an eine göttliche Wirklichkeit glauben – an eine wundervolle Macht, die unser ganzes menschliches Verstehen und Erforschen übersteigt.

„Es gibt 2 Arten, sein Leben zu leben: Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an Letzteres.“

Das ist die Antwort des Naturwissenschaftlers Albert Einstein auf die Frage:

Mensch – wer bist du? Was ist dein Lebensziel? Und woran glaubst du?

Du, Mensch – kannst du unsere Welt mit rein naturwissenschaftlicher Methodik durchschauen und definieren? Und braucht es dann überhaupt noch einen Gott in deinem Leben?
Du, Mensch – bist du vielleicht nur  ein Zufallsprodukt der Evolution, das aus Proteinen, Aminosäuren und Molekülen besteht?

Albert Einstein hat sich ganz offensichtlich diese Fragen selber auch gestellt und dann entschieden, dass er, in seinem Leben, mit Wundern rechnet. Er sagt ja selber, dass er an Wunder-volles in seinem Leben glaubt.

Ich weiß zwar nicht, was der große Physiker meint, wenn er von einem Wunder spricht. Aber ich ahne, dass der geniale Naturwissenschaftler die Grenzen seiner eigenen Wissenschaft sieht und dass er unsere menschliche Wirklichkeit eben nicht für absolut erklärbar und für naturwissenschaftlich durchschaubar hält.

Mich beeindruckt sein Glauben an Wunder auch deshalb, weil Albert Einstein mit seinen eigenen Forschungen wohl an die Grenze des Denkbaren gestoßen ist. Wer sich – wie er – mit der Mannigfaltigkeit oder mit der Integration auf Untermannigfaltigkeiten beschäftigt, muss einfach überdurchschnittlich intelligent sein und mathematische und physikalische Zusammenhänge genial durchschauen können.


Albert Einstein bringt mich auf die Idee, dass wir Menschen zu Genialem fähig sind, weil unser Universum und jeder Mensch seine Existenz einem letztmächtigen Genie verdankt!

Mensch – du bist ein geniales Wesen, und vielleicht gründet deine Genialität tatsächlich in Gott.


Ich selber verstehe von der Einstein-Mannigfaltigkeit absolut nichts. Ich habe mir aber von einem Freund meiner Tochter, der Wirtschaftsmathematik studiert, erklären lassen, dass es um einen Grundbaustein für die Relativitätstheorie geht. Und mit diesem Grundbaustein wird in der Mathematik und in der Physik versucht, die Raum-Zeit-Krümmung zu beschreiben. Ich selber versteh davon überhaupt nichts!

Du, Mensch – welche genialen Gedanken kannst du dir machen? Und wie genial konstruiert muss wohl dein Gehirn sein?

Wenn ich über Albert Einstein staune, dann bestärkt mich das in meiner Ahnung, dass unser Gott noch viel undurchschaubarer und noch viel genialer sein muss als die Einstein-Mannigfaltigkeit.

Mensch, Gott,  und warum hast du dann unsere Welt nicht ganz ohne Terror und ganz ohne Leiden geschaffen? Ganz offensichtlich kommt bei dieser Frage unsere menschliche Genialität an ihre Grenze:
Es wundert mich schon, warum diese geniale göttliche Macht trotzdem – oder gerade deshalb  - eine liebende Macht sein soll.

„Es gibt 2 Arten, sein Leben zu leben: Entweder so, als wäre nichts ein Wunder oder so, als wäre alles ein Wunder.“

Und dann noch der eindrucksvolle letzte Satz:

„Ich glaube an Letzteres.“

Albert Einstein hat ganz offensichtlich seine Entscheidung getroffen: Er rechnet mit Wundern in seinem Leben.  Er glaubt daran, dass Unvorhersehbares und Unglaubliches zu unserer Welt gehört.
Und von so einem unglaublichen Ereignis erzählt auch unser heutiges Weihnachtsevangelium: 

Gott – ein Mensch??

Der heutige Evangeliumstext – der sogenannte Johannesprolog  - erzählt – wie jedes Jahr am 1. Weihnachtsfeiertag – vom Wunder der Geburt Jesu. Johannes malt dabei aber eben nicht diese romantischen Bilder vom Kind im Stall mit dem Stern und mit den Hirten – so wie das Lukas in seinem Evangelium tut.
Der Johannesprolog ist ein theologischer Text und ein literarisches Kunstwerk, das zunächst vor allem unseren Verstand herausfordert:

Gott spricht sein Wort hinein in unsere Welt. Und dieses Wort hat einen Namen: Jesus von Nazareth. Dieses machtvolle göttliche Sprechen schafft eine neue Wirklichkeit: Durch den Menschen Jesus von Nazareth kommen Männer und Frauen ganz neu zum Leben. Sie finden zu sich selber, weil sie von Jesus geliebt werden, so wie sie sind.

Mensch, Gott, du bist vielleicht doch nicht nur eine jenseitige geniale Macht, sondern eine Kraft, die uns Menschen berührt und die in unserer Welt ankommt.
Dieser göttlichen Kraft ist aber mit dem Instrumentarium der Physik nicht beizukommen.
Es ist eine Kraft, die uns Menschen auf wunder-volle und liebe-volle Weise heil macht und befreit – ganz im Sinne Jesu.
Von dieser Kraft ist ein Mahatma Gandhi beseelt gewesen und eine Rigoberta Menchu, eine Malala Yousafzai und ein Frere Roger. Auch durch diese Frauen und Männer spricht unser Gott sein Wort hinein in unsere Welt – bis zum heutigen Tag. Und mit diesen Frauen und Männern geschehen auch in unserer Zeit noch Wunder!!


Liebe Gemeinde,



„Ich glaube an Letzteres - an ein Leben voller Wunder.“ 

- so sagt es Albert Einstein.

Ich wünsche Ihnen allen die Erfahrung, dass es Wunder gibt:
Wunder, wenn es um Ihre persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen geht, aber auch Wunder in Ihrer Beziehung zu Gott.


„Mensch“ – trau dich und glaub an Wunder. Und dann wird  unser Gott spürbar – für jede und für jeden von uns.

Ich wünsche Ihnen allen frohe Weihnachten.

Amen.

© A. Böhm, 2015

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.