Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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4. Advent

Lesung: Mi 5, 1-4a

Aber du, Betlehem-Efrata, so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Sein Ursprung liegt in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen.
Darum gibt der Herr sie preis, bis die Gebärende einen Sohn geboren hat. Dann wird der Rest seiner Brüder heimkehren zu den Söhnen Israels.
Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des Herrn, im hohen Namen Jahwes, seines Gottes. Sie werden in Sicherheit leben; denn nun reicht seine Macht bis an die Grenzen der Erde.
Und er wird der Friede sein.

Evangelium: Lk 1, 39-45

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

 

Predigt

Liebe Mitchristen*innen,

wir leben in unruhigen Zeiten. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung zählt momentan 21 Kriege weltweit. 424 politische Konflikte werden gegenwärtig ausgetragen, davon 46 hochgewaltsame – das ist die höchste Zahl seit 25 Jahren. Und mit dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland gab es 2014 sogar in Europa wieder kriegsähnliche Auseinandersetzungen. Bei allen Krisen sticht eine ganz besonders heraus: die große Syrien-Krise. Ein Machthaber, der um jeden Preis an der Macht bleiben will. Und religiöse Fanatiker, für deren menschenverachtende Skrupellosigkeit es keine Worte gibt. Sie ruinieren ein Land und treiben Millionen in die Flucht.

Unruhige Zeiten, in denen wir leben. Und doch – das zeigt gerade auch ein Blick auf die deutsche Geschichte - ist Frieden alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Ja, es scheint, als würden Gewalt und Krieg Menschen auf ihrem Weg durch die Zeiten immer begleiten. Vom Ausmaß mal mehr, mal weniger. Aber weltweit gesehen - und das ist erschreckend – immer irgendwo und auf irgendeine Weise.

Und so verwundert es nicht, dass schon im AT viele Propheten Visionäre des Friedens sind. Dass ihre Rede von Gott immer verbunden ist mit der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit. Den Propheten Micha haben wir gerade gehört. Jesaja ist bekannt für sein Bild von den Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. Sie sind Ausdruck der großen prophetischen Sehnsucht nach Frieden. Ja, dass Frieden als Kennzeichen für die Nähe Gottes gilt. Ja, dass Gott selbst der Friede sein wird.

Christen*innen glauben, dass Gott uns in Jesus sein Gesicht gezeigt. Und sich dieses Gesicht eben für Frieden und Gerechtigkeit sogar schlagen lässt, ohne zurückzuschlagen. „Selig die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden!“ sagt Jesus. Oder „Wenn dich einer auf die Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!“.  Oder „Liebt eure Feinde und betet für sie“. Und auch  in der Weihnachtsgeschichte, die wir bald hören werden, singen Engel: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erde ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ Die Ankunft Jesu in unserer Welt – sie geht einher mit der Ankunft des Friedens unter den Menschen.

„Mensch Gott“ heißt unsere Predigtreihe im Advent. Wir machen uns auf die Suche nach Menschen, in deren Leben Gottes Wirken besonders aufscheint. Nach Mahatma Ghandi, Rigoberta Menchú und Mala Yousafzai  soll es heute um Frère Roger gehen. Und zwar deshalb, weil für ihn Versöhnung und Frieden zur Berufung und Lebensaufgabe geworden sind: Versöhnung zwischen Christen unterschiedlicher Konfessionen, deren Spaltung er für einen Skandal hält. Versöh-nung zwischen Menschen – ganz gleich woher sie kommen.

Frère Roger, Begründer der ökumenischen Bruderschaft von Taizé, heißt mit bürgerlichem

Namen Roger Louis Schutz-Marsauche. Das Kind eines Schweizers und einer Französin wächst im Zürcher Unterland auf. Auch wenn sein Vater reformierter Pfarrer war, hat sich Frère Roger als Jugendlicher wenig für den Glauben interessiert. Eine schwere Lungentuberkolose und die tödliche Krankheit seiner Schwester Lily haben ihn jedoch verändert. Fortan versuchte er es wieder mit dem Beten. Und er fand seinen persönlichen Weg zu Gott.

1937 bis 1943 studierte Frère Roger Theologie an der freikirchlichen Fakultät Lausanne und in Straßburg und beschäftigte sich in seiner Abschussarbeit mit dem benediktinischen Mönchsideal. Doch neben der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Glauben wurde in ihm das Bedürfnis immer größer, sein Christsein mit anderen zu teilen und in einer Gemeinschaft zu leben. Eine Sehnsucht, die seinem Leben und Wirken für immer eine Richtung geben sollte.

Auf der Suche nach einem Haus, das ein gemeinschaftliches Leben mit anderen Menschen ermöglichen würde, landete Frère Roger 1940 schließlich in Taizé – damals ein 50-Seelen-Dorf. In den Schrecken und Wirren des 2. Weltkriegs versteckte er dort Juden und Flüchtlinge vor dem NS-Regime. Gegen Ende des Krieges kümmerte er sich mit ein paar Freunden und seiner Schwester Geneviève um Kriegswaisen und auch um deutsche Kriegsgefangene. Und für Frère Roger wurde in diesen Jahren immer klarer: „ Hass erzeugt nichts als Hass“. Umso mehr fühlte er sich bestärkt, seinen eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen. 1949 schließlich gaben die ersten 7 Brüder aus dem Helferkreis Rogers ihr Versprechen ab, fortan gemeinsam arm, ehelos und nach dem Evangelium zu leben. Die Communauté von Taizé war entstanden. Heute zählt die Gemeinschaft 100 Brüder aus 25 Nationen, die auf verschiedene Weise evangelisch, katholisch, orthodox oder anglikanisch sind.

 

Liebe Mitchristen*innen,

Frère Roger, Taizé – sie stehen aus meiner Sicht für ganz wichtige Elemente unseres Glaubens. In ihnen, so finde ich, ist etwas spürbar geworden von diesem Gott, der sich in der Bibel der „Ich-bin-da“ oder „Gott mit uns“ nennt. Ich selbst war schon drei Mal mit Jugendlichen für eine Woche in Taizé. Und was mich am meisten beeindruckt hat, war die unglaublich gute und herzliche Stimmung  in all den Tagen. Obwohl alle in einfachen Baracken oder Zelten leben, obwohl morgens jeder für einen Arbeitsdienst wie Putzen oder Küche eingeteilt wird, obwohl es zum Essen nur einfache Gerichte und überschaubare Portionen gibt, obwohl Taizé mitten im Nirgendwo liegt – selten habe ich so viele gut gelaunte und hilfsbereite junge Menschen gesehen. Und – selten habe ich es erlebt, dass drei Mal täglich Hunderte von Menschen gerne in die Kirche gehen, miteinander beten, singen, ein Wort aus der Bibel hören und Stille halten. Oder sich in den Nachmittagsrunden gerne über einen Bibeltext austauschen.

Diese einfache, herzliche, einladende Weise, wie Frère Roger und seine Brüder das Evangelium  gelebt haben, hat seither unzählige, v.a. auch junge Menschen, berührt. Und das Glaube Freude machen und ein richtig positiven Lebensgefühl schenken kann – so wie es ja auch im heutigen Evangelium bei Elisabeth und Maria anklingt – konnte ich an vielen Gesichtern in Taizé ablesen.

Am Ende möchte ich Frère Roger in einem Zitat selbst zu Wort kommen lassen. Er beschreibt es so:

„Jene Eingebung hat mich seit meiner Jugend wohl nie mehr verlassen: Ein Leben in Gemeinschaft kann ein Zeichen dafür sein, dass Gott Liebe und nur Liebe ist. Allmählich reifte in mir die Überzeugung, dass es darauf ankam, eine Gemeinschaft ins Leben zu rufen, eine Gemeinschaft von Männern, die entschlossen sind, ihr ganzes Leben zu geben, und die versuchen, sich stets zu verstehen und zu versöhnen. Eine Gemeinschaft, in der es im Letzten um die Güte des Herzens und die Einfachheit geht.“

© B. Held, 2015

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.