Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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3. Advent

Lesung: Zef 3, 14-17

Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem!
Der Herr hat das Urteil gegen dich aufgehoben und deine Feinde zur Umkehr gezwungen. Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte; du hast kein Unheil mehr zu fürchten.
An jenem Tag wird man zu Jerusalem sagen: Fürchte dich nicht, Zion! Lass die Hände nicht sinken!
Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag.

 

Evangelium: Lk 10, 25-37

Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben. Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen.Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!

 

Predigt:

Liebe Gemeinde,

„Ich bin Malala“ –

so heißt das Buch, in dem die jetzt 18-jährige – und damit jüngste Friedensnobelpreisträgerin , die es je gab – ihr Leben beschreibt:

Malala Yousafzai.

1997 ist sie in Pakistan geboren, und die Weltöffentlichkeit ist auf sie aufmerksam geworden im Jahre 2012, als der Schulbus des damals 15-jährigen Mädchens angehalten wurde und radikale, islamistische Kämpfer der Taliban Malala Yousafzai durch Schüsse aus nächster Nähe in den Kopf und in den Hals lebensbedrohlich verletzt haben.

Die junge Frau sollte beseitigt werden, weil sie schon als 11-Jährige – unter einem anderen Namen – im britischen Fernsehen BBC als Augenzeugin über die Gewalttaten der Taliban in ihrer Heimat, in Pakistan, berichtet hat.

 

Vermutlich erinnern Sie sich noch an diese Schreckensherrschaft der Taliban, die ähnlich brutal war wie jetzt der Terror des „Islamischen Staates“: In beiden verbrecherischen Regimen werden Menschen im Namen der Religion gequält und umgebracht und jede Würde wird ihnen genommen.

Die fundamentalistischen Kämpfer der Taliban sind damals größtenteils in Koran-Schulen in Pakistan ausgebildet worden, und sie haben zwischen 1996 und 2001 große Teile Afghanistans beherrscht. In ihrem Terror-Regime sind Mädchen und Frauen systematisch unterdrückt worden – manche von ihnen haben die Taliban als Sklavinnen verkauft, nicht selten auch als Sexsklavinnen.

Die Frauen wurden gezwungen, die Burka zu tragen. Das bedeutet, dass sie sich nur vollkommen verschleiert in der Öffentlichkeit zeigen durften. Musik hören und Tanzen war für Frauen prinzipiell verboten, und sie durften auch nicht mehr außerhalb ihres Hauses arbeiten. Ab 2007 wurde der Schulbesuch für Mädchen ab 8 Jahren verboten, die Schulen wurden zum Teil zerstört. Und wer sich dagegen gewehrt hat, ist umgebracht worden.

 

Malala Yousafzai hat sich gewehrt!!

Als der Schulbesuch für Mädchen verboten wurde, ist sie gerade 10 Jahre alt.

Und sie wehrt sich mit ihren Aussagen im britischen Fernsehen, aber auch mit ihrer Entscheidung, weiterhin zur Schule zu gehen.

 

Und deshalb der Anschlag!

Und deshalb das Bekennerschreiben der Taliban:

Malala Yousafzai widersetzt sich  den Gesetzen der Taliban und hat deshalb den Tod verdient.

6 Tage nach dem Attentat wird das lebensgefährlich verletzte Mädchen nach England ausgeflogen und in einem Krankenhaus in Birmingham behandelt.

Malala überlebt das Attentat. Sie lebt seither mit ihrer Familie in England und Mutter und Tochter gehen dort zur Schule.

An ihrem 16. Geburtstag – also 1 Jahr vor der Verleihung des Friedensnobelpreises – hält Malala Yousafzai  eine Rede vor der UNO, und sie übergibt UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon eine Petition mit 4 Millionen Unterschriften mit dem Ziel: Die UNO soll dafür sorgen, dass alle Kinder dieser Welt ein Recht auf Schulbildung haben.

Diese Rede ist in ihrem Buch veröffentlicht – und ich lese Ihnen jetzt Auszüge daraus vor - berührende Worte eines 16-jährigen muslimischen Mädchens:

 

„Tausende Menschen wurden von den Terroristen ermordet, Millionen wurden verletzt. …

Liebe Schwestern und Brüder, ich bin gegen niemanden. Ich bin auch nicht hier, um aus persönlicher Rache die Stimme gegen die Taliban oder irgend eine andere Terrorgruppe zu erheben. Ich bin hier, um für jedes Kind das Recht auf Bildung einzufordern. Ich möchte Bildung für die Söhne und Töchter der Taliban sowie aller Terroristen und Extremisten. Ich hasse auch den Taliban nicht, der auf mich geschossen hat. Selbst wenn ich ein Gewehr in der Hand hätte und er vor mir stünde: Ich würde nicht auf ihn schießen. Dies sind die Barmherzigkeit und das Mitgefühl, die ich von Mohammed, dem Propheten der Gnade, von Jesus Christus und von Buddha gelernt habe. Dies ist das Vermächtnis der Veränderung, das mir Martin Luther King (und) Nelson Mandela…hinterlassen haben. Dies ist die Philosophie der Gewaltlosigkeit, die ich von Gandhi…und Mutter Teresa gelernt habe. Und dies ist die Vergebung, die ich von meinem Vater und von meiner Mutter gelernt habe. Dies ist es, was meine Seele mir sagt:

Sei friedvoll und liebe alle und jeden.“

( aus: Malala Yousafzai, Ich bin Malala, Droemer Verlag 2013, Seite 396 - 397)

 

„Sei friedvoll und liebe alle und jeden.“ –

Malala  sagt von sich selber, dass sie ihr Barmherzigsein und ihr Mitfühlen von Mohammed, dem „Propheten der Gnade“ gelernt hat – aber eben auch von Jesus Christus und von Buddha.

Für mich ist Malala Yousafzai ganz eindeutig so ein Mensch, mit dem die göttliche Liebe in unsere Welt kommt:

Mensch, Malala –

durch dich ahnen wir, wie befreiend, wie liebevoll und wie barmherzig unser Gott sein muss – über alle Religionsgrenzen hinweg!

Mensch, Malala, unser Gott wird spürbar für uns -  durch dich!

 

„Sei friedvoll und liebe alle und jeden!“ –

 

diese Lebensphilosophie der jungen Malala Yousafzai ist gleichzeitig aber auch eine perfekte und eine berührende Zusammenfassung unseres heutigen Evangeliumstextes:

 

Lukas entfaltet in dieser Bibelstelle den wichtigsten Auftrag an alle, die zu unserer christlichen Religion gehören:

 

„Du sollst deinen Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.“

Wir Christinnen und Christen sollen  mitfühlend, gewaltfrei und liebevoll unseren Lebensweg gehen – mit unserem Gott und seinen göttlichen Kräften an unserer Seite.

Malala Yousafzai hat ganz offensichtlich schon als junges muslimisches Mädchen diese Liebes-Idee Jesu für sich selber entdeckt. Sie ist auch ganz offensichtlich vom Gedanken Jesu beseelt, dass unsere Welt heiler wird, wenn wir Menschen aus allen Religionen mitfühlend und barmherzig sind, so wie es uns im Evangelium der Mann aus Samarien – der Ausländer, der Andersgläubige - vorlebt.

Mich beeindruckt sehr, wieviel Malala Yousafzai mit ihren 16 Jahren schon über ihr eigenes Leben und über Gott nachgedacht haben muss – sonst hätte sie eine solche Rede vor der UNO niemals halten können.

Mich beeindruckt  ihre  menschliche Größe und ihre Toleranz, anderen Religionen und anderen Religionsgründern gegenüber.

Und: Mich beeindruckt auch, wie mutig sie ist und wie sie mit ihrer eigenen Angst umgeht. Der folgende Satz bringt das zum Ausdruck. Er stammt aus ihrer Rede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahre 2014:

„Ich hatte 2 Optionen, die eine war zu schweigen und darauf zu warten, getötet zu werden. Und die zweite war, die Stimme zu erheben und dann getötet zu werden. Ich habe mich für die zweite entschieden.“

(Wortlaut aus der Rede von Malala Yousafzai anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises 2014)

 

Diesen Mut wünsche ich uns Christinnen und Christen und allen gläubigen muslimischen Frauen und Männern, wenn wir uns gemeinsam dem Terror entgegenstellen – jetzt, ganz aktuell dem Terror des „Islamischen Staats“.

 

Ich bin mir sicher, dass wir Glaubende in den großen Weltreligionen gemeinsam die entscheidende welt-verändernde Macht sein können, wenn wir das Leiden der Menschen sehen und spüren und wenn wir mutig mit der Kraft unseres Gottes politische Entscheidungen treffen und handeln.

Noch einmal ein Satz von Malala Yousafzai aus ihrer Rede bei der Preisverleihung:

„Wieso ist es so leicht, Waffen zu geben, aber so schwer, Bücher zu geben?!“ Wieso ist es so einfach, Panzer zu bauen, aber so schwer, Schulen zu errichten?!“

(Wortlaut aus der Rede von Malala Yousafzai anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises 2014)

Ich wage es, auf diese Fragen meine Antwort zu geben:

Weil mit Waffen und mit Panzern viel  mehr Geld zu verdienen ist als mit dem Bauen von Schulen für Frauen und Kinder,  die sich dann womöglich auch noch als gebildete Menschen gegen die herrschenden Unterdrücker wehren.

Mensch, Malala,

du mutige, gläubige und tolerante Frau aus Pakistan!

Du hast viel von unserem gemeinsamen Gott verstanden,  und du hast dich auch ganz tief, in deiner Seele, von ihm berühren lassen.

Mensch, Malala,

du machst mir Mut, dass es auch in deiner Religion kluge, einfühlsame und barmherzige Frauen und Männer gibt, die sich mit ihrem Leben und mit ihrem entschlossenen Handeln der islamistischen Gewalt entgegenstellen

Mensch, Malala, Gott möge immer an deiner Seite sein – und du sollst jetzt auch hier das Schlusswort haben – noch einmal mit Sätzen aus deiner Rede vor der UNO:

„Pakistan ist ein friedliebendes, demokratisches Land. … Und der Islam ist eine Religion des Friedens, der Menschlichkeit und der Brüderlichkeit. … Wir fordern sämtliche Regierungen auf, die verpflichtende, kostenfreie Schulbildung für jedes Kind auf der ganzen Welt einzuführen. Wir fordern sämtliche Regierungen dazu auf, den Kampf gegen Terrorismus und Gewalt aufzunehmen und Kinder vor Brutalität und körperlichem Schaden zu beschützen. … Und so lasst uns den globalen Kampf gegen Analphabetismus wagen. … Lasst uns zu unseren Büchern und Stiften greifen. Das sind unsere mächtigsten Waffen. Ein Kind, en Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern.“

(aus: Malala Yousafzai, Ich Malala, Seite 398 – 401)

Amen.

© A. Böhm, 2015

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.