Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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3. Advent

Lesung: Jes 61, 1-2a.10-11

Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.
Denn wie die Erde die Saat wachsen lässt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern.

Evangelium: Lk 10, 25-37

Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben. Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen.Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!

 

Predigt:

Liebe Gemeinde!

Er gilt als ganz Großer in der Menschheitsgeschichte – und so heißt er auch: Alexander der Große. Er fehlt in keinem wichtigen Atlas zur Weltgeschichte, und mir selber sind aus meinem Geschichtsunterricht in der Schule zwei Einzelheiten aus seinem Leben bis heute in Erinnerung geblieben:

„3 – 3 – 3, bei Issos Keilerei“  -  mit diesem Spruch haben wir uns damals  in der Schule die Schlacht Alexanders gegen die Perser gemerkt.

Und meine zweite Erinnerung an Alexander den Großen ist sein bekannter Satz kurz vor seinem Tod, den er wohl fast wörtlich so zu seinen obersten Soldaten gesagt haben soll:

„Es gibt keine anderen Welten mehr zu erobern!“

Wer war dieser Alexander der Große?

356 v. Chr. wird er als Sohn des Königs von Makedonien geboren. Obwohl er kein Grieche war, wird er als Königssohn  mit der griechischen Kultur und Philosophie vertraut gemacht, und er ist wohl eine Zeit lang sogar vom griechischen Philosophen Aristoteles selber  unterrichtet worden.

Schon als 18-jähriger Prinz führt er die makedonischen Truppen in Abwesenheit seines Vaters zum Sieg gegen die Griechen, und er macht ihn dadurch zum Herrscher über das griechische Volk.

Nach der Ermordung seines Vaters wird Alexander dann als 20-Jähriger König in Makedonien und Griechenland. Und mit ihm und mit seinen unglaublich erfolgreichen Feldzügen beginnt das Zeitalter des sogenannten Hellenismus – das ist jene Epoche in der Weltgeschichte, in der die Griechen mit ihrem politischen Denken, mit ihrer Sprache und mit ihrer Philosophie die damalige Welt beherrschen.

Diese  herausragende Stellung in der Weltgeschichte beginnt damit, dass Alexander mit seinen Truppen Asien betritt und gegen die persischen Truppen kämpft. Und dann kommt es eben zu dieser berühmten Schlacht bei Issos, in der Alexander an der Spitze seiner Reitertruppen das persische Heer überrennt.

Aber zu diesem Zeitpunkt  gab es für Alexander noch ganz andere Welten zu erobern:

Ein Jahr später bereits  siegt er mit seinem Heer in Ägypten. Er gründet am Nil das ägyptische Alexandria – eine Stadt, in der Politik gemacht und philosophiert wird und in der Alexander eine große  Bibliothek mit wertvollster Literatur errichten lässt. Mit dieser Eroberung aber wird Alexander zum Pharao in Ägypten und damit endgültig ein ganz Großer  unter den Herrschern in der Menschheitsgeschichte.

Es wird geschätzt, dass er bei seinen Feldzügen ca. 25 000 Kilometer mit seinem Heer zurückgelegt hat und dass dabei ungefähr 750 000 Menschen ums Leben gekommen sind.  Alexander ist getrieben gewesen – so sieht das die Forschung heute - von einer unglaublichen Machtbesessenheit, von Ehrgeiz und Neugier und gleichzeitig von seiner festen Ãœberzeugung, dass das griechische Denken durch ihn und notfalls mit brutalster Gewalt zu den nicht griechischen Barbaren gebracht werden muss. Und dafür war ihm kein Preis zu hoch: Er hat Städte niederbrennen lassen und Dörfer geplündert. Und wenn er auf Widerstand gestoßen ist, dann wurden in seinem Auftrag Männer gekreuzigt und Frauen vergewaltigt.

Mit seiner Thronbesteigung als Pharao in Ägypten wird Alexander aber gleichzeitig zum Göttersohn - er übt die Königsherrschaft der ägyptischen Götter auf Erden aus. Das ägyptische Volk hat ihn deshalb auch als Sohn der Götter verehrt. Das bezeugt eine Inschrift im Tempel von Luxor - das ist eine Stadt in Ägypten, und dort heißt es:

„Es ist der vollkommene Gott, …der Herr der Zeremonien Alexander, welcher Nützliches tut für den Tempel seines Vaters Amun-Re, des Königs der Götter, des Herrn des Himmels. Man handelt für ihn, den lebensspendenden, wie Re.“

(zitiert aus der Doktorarbeit „Alexander der Große – Gott und Gottessohn“ von Tim-Eilert Rolf Lüschen, TU Braunschweig; 2012)

Alexander der Große wird demnach in Ägypten im Tempel wie sein Göttervater Amun-Re verehrt. Mit ihm – so dachten die Menschen damals – beginnt die neue Heilszeit. Der starke Göttersohn Alexander ist als Pharao von den Göttern selber  eingesetzt worden, damit er sie auf Erden vertritt.

Im Jahr 327 v. Chr. schließlich bricht Alexander zu einem Feldzug nach Indien auf. Er nimmt die Felsenfestung Aornos ein – ein Sieg, der nicht einmal dem griechischen Göttersohn Herakles gelungen ist.

Und jetzt wird Alexander der Große endgültig als Göttersohn bestätigt:  Wer als König eine solche Eroberung schafft, kann nur im Auftrag der Götter handeln - davon waren die Menschen in Ägypten, genauso wie in Griechenland  Ã¼berzeugt. Und deshalb wird dann das gesamte Leben dieser bedeutenden Göttersöhne  umgedeutet:  Sie sind schon bei ihrer Geburt Söhne der Götter gewesen, so haben die Menschen damals gedacht.  Und mancher Held in der Antike ist dann außerdem noch von einer  jungfräulichen Götter-Mutter geboren worden  - so z.B. der ägyptische Gott Amun-Re oder der griechische Philosoph Platon.

Weil aber die großen Herrscher in der Antike  Söhne der Götter gewesen sind, haben die Menschen ihre Macht nie angezweifelt. Sie sind als Vermittler zwischen Himmel und Erde verehrt worden - in Ägypten, genauso wie im Judentum oder in Griechenland.

Und warum verehren wir Christinnen und Christen dann  bis heute einen Gottes-Sohn, der Jesus von Nazareth heißt, wenn doch diese Bezeichnung „Gottes-Sohn“ und seine Geburt aus einer göttlichen Jungfrau in der Antike gar nichts Außergewöhnliches war?

Falls Ihnen, liebe Gemeindemitglieder, jetzt solche Gedanken durch den Kopf gehen, dann frage ich Sie  ganz direkt zurück:

Wo auf dieser Welt wird heute noch der makedonische Pharaonen-Gott Alexander  verehrt - und wo überall der christliche Gottes-Sohn Jesus von Nazareth? Beide Männer – Alexander und Jesus – sind mehr als 2 000 Jahre tot. Der eine steht zwar noch überall in den Geschichtsbüchern, aber der andere fasziniert als göttliches Wort bis heute die Menschen -  Ã¼berall auf der Welt. Seine Reich-Gottes-Idee hat  bis heute überlebt – im Gegensatz zum riesigen Königreich des Alexander, das übrigens mit seinem Tod ganz schnell wieder zerfallen ist.

Im Gegensatz zum brutalen, machtbesessenen Götter-Sohn aus Makedonien, ist der jungfräulich geborene Gottes-Sohn aus Nazareth bis heute eine Lichtgestalt. Und er wird in unserer christlichen Religion zurecht verehrt – als wirklicher Vermittler zwischen Himmel und Erde.

Dafür gibt es gute theologische Gründe – und die entscheidenden stehen im heutigen Evangelium: Jesus begegnet uns in diesem Text als König der Liebe und als Sohn eines Gottes, der selber die Liebe ist. Zwischen Jesus und dem Gewalt-Herrscher  Alexander liegen Welten. Der eine hat die Welt mit brachialer Gewalt erobert, der andere erobert die Herzen von uns Menschen bis heute: Mit Liebe! Das ist eine Welt, die dem Pharao-Gott sein Leben lang verborgen geblieben ist! Und Jesus, der Jude, ist dabei geprägt von den Visionen des Propheten Jesaja, wie wir sie vorher in der Lesung gehört haben. In seinem Gleichnis vom barmherzigen Fremden aus Samaria entfaltet Jesus  diese Gedanken des Jesaja weiter. Und diese Botschaft des Lukas heißt:

Wer wirklich an den Gott des Gottes-Sohnes aus Nazareth glaubt, geht achtsam durch die Welt, lässt sich im täglichen Geschäft unterbrechen, wenn Menschen Gewalt  angetan wird, und handelt – voller Liebe.  So lässt sich die „Weltherrschaft“ unseres christlichen Gottes-Sohnes  zusammenfassen.  Mit dem Gotteskind in Bethlehem ist tatsächlich die Zeit angebrochen, in der die Menschen heil werden an Leib und Seele – und die Geschundenen und die Geknechteten zuallererst!  Und mit dieser Liebes-Idee unseres christlichen Gotteskindes  sollen wir alle bis heute unsere Welt erobern.

Lukas knüpft mit seinem Evangelium also zwar ganz bewusst an die Mythen der Götter-Söhne in der Antike an,  und er verkündet Jesus von seiner Geburt an als göttliches Kind, das von einer Jungfrau geboren wird. Aber wie sehr sich Jesus sein Leben lang von den göttlichen Helden der Antike  unterscheidet, wird bereits durch die Ankündigung seiner Geburt durch den Engel offensichtlich. Lukas lässt Maria als Antwort auf diese göttliche Verkündigung  einen Hymnus singen – das Magnificat. Darin lobt sie die Größe unseres Gottes, weil er  die bestehenden Machtverhältnisse in der Welt auf den Kopf stellt – genau die  Machtverhältnisse, die ein Alexander der Große stabilisiert hat. Maria singt: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“(Lk  1,52)

Was für eine Befreiung  - bis heute! Und was für ein liebender Gott, der das vollbringt durch seinen Sohn – verkündet aus dem Mund der Frau, die das Göttliche in die Welt hinein getragen hat.

 

Liebe Gemeinde!

Alexander steht groß in den Geschichtsbüchern – und die Götter-Tempel der Griechen sind bis heute groß-artige Bauwerke.

Aber ich bin stolz darauf, dass ich als Christin in meinem Leben einem Sohn Gottes nachfolge, der Jesus von Nazareth heißt – auch wenn ich weiß, dass eine ganze Reihe wichtiger Männer in der Antike auch so  genannt wurden und ebenfalls  eine Jungfrau als Mutter haben.

Für mich ist Jesus  der Große in der Weltgeschichte – als König der Gerechtigkeit und der Liebe.

Sind Sie auch stolz auf ihn?

Amen.

© A. Böhm, 2014

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.