Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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2. Advent

Lesung: 1 Sam 1, 20.24a.26a-28 – 2,11.18a – 3, 2-10

Hanna wurde schwanger. Als die Zeit abgelaufen war, gebar sie einen Sohn und nannte ihn Samuel, denn (sie sagte): Ich habe ihn vom Herrn erbeten. Als sie ihn entwöhnt hatte, brachte sie ihn zum Haus des Herrn in Schilo; der Knabe aber war damals noch sehr jung.Und Hanna sagte: Ich habe um diesen Knaben gebetet und der Herr hat mir die Bitte erfüllt, die ich an ihn gerichtet habe. Darum lasse ich ihn auch vom Herrn zurückfordern. Er soll für sein ganzes Leben ein vom Herrn Zurückgeforderter sein. Und sie beteten dort den Herrn an.
Darauf kehrte Elkana (mit Hanna) in sein Haus nach Rama zurück, der Knabe aber stand von da an im Dienst des Herrn unter der Aufsicht des Priesters Eli. Der junge Samuel aber versah den Dienst vor dem Angesicht des Herrn.Eines Tages geschah es: Eli schlief auf seinem Platz; seine Augen waren schwach geworden und er konnte nicht mehr sehen. Die Lampe Gottes war noch nicht erloschen und Samuel schlief im Tempel des Herrn, wo die Lade Gottes stand. Da rief der Herr den Samuel und Samuel antwortete: Hier bin ich. Dann lief er zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Eli erwiderte: Ich habe dich nicht gerufen. Geh wieder schlafen! Da ging er und legte sich wieder schlafen. Der Herr rief noch einmal: Samuel! Samuel stand auf und ging zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Eli erwiderte: Ich habe dich nicht gerufen, mein Sohn. Geh wieder schlafen! Samuel kannte den Herrn noch nicht und das Wort des Herrn war ihm noch nicht offenbart worden. Da rief der Herr den Samuel wieder, zum dritten Mal. Er stand auf und ging zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass der Herr den Knaben gerufen hatte. Eli sagte zu Samuel: Geh, leg dich schlafen! Wenn er dich (wieder) ruft, dann antworte: Rede, Herr; denn dein Diener hört. Samuel ging und legte sich an seinem Platz nieder. Da kam der Herr, trat (zu ihm) heran und rief wie die vorigen Male: Samuel, Samuel! Und Samuel antwortete: Rede, denn dein Diener hört.

 

Evangelium: Mk 1, 1-8

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes:
Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen.
Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!
So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden.
Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen.
Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.
Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.
Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.

 

Predigt:

Liebe im Advent versammelte Gemeinde,
„Götterkinder – Kinder Gottes“, so lautet der Titel unserer diesjährigen Predigtreihe in der Advents- und Weihnachtszeit.
Wir wollen mit Ihnen einen Blick werfen in die Vergangenheit, und in den alten Mythologien die Bilder entdecken, die auch heute noch unseren Glauben prägen.
An vergangenen Sonntag hat uns Pfarrer Hübschle von der Steinzeit bis zur ägyptischen Mythologie geführt, wo Ramses II sich als Göttersohn auf eine Ebene mit den höchsten Göttern stellt.
Heute am 2. Advent sind wir beim „Volk Gottes“ angekommen, im Gebiet des heutigen Israel.
In der Lesung haben wir die Geschichte von Samuel gehört, wie er in den Tempel kommt, und, wie es heißt „von da an im Dienst des Herrn stand.“ Er schlief sogar im Tempel des Herrn vor der Bundeslade – man stelle es sich vor! Diesen Tempel dürfen wir uns allerdings noch nicht allzu groß und üppig vorstellen. Auch stand dieser Tempel in Schilo und nicht in Jerusalem.
Der große erste Tempel in Jerusalem wurde erst von Salomo, einem Sohn Davids, erbaut.
Und Samuel war ein Prophet, zeitweilen auch Richter, aber noch kein König in Israel.
Um einmal einen Bogen über die Geschichte der ersten Könige Israels zu spannen:
Die Zeit, in welcher Samuel in den Tempel kam, war die so genannte „vorstaatliche Zeit“. Die Phase der Landnahme gilt als abgeschlossen, nun muss das Land gegen äußere Feinde gesichert werden. Dafür sind die Richter, שֹׁפְטִים, šofetîm zuständig. Bei den Richtern unterscheidet die Forschung die kleinen von den großen Richtern. Es scheint so, als hätten die großen Richter als charismatische Heerführer gegen Israels Feinde gekämpft, die kleinen Richter gelten dagegen als tatsächliche Richter oder lokale Fürsten (zitiert nach www. Bibelwissenschaft.de) .
Wie in der Bibel überliefert wird, forderte aber das Volk nun einen König, wie ihn auch die benachbarten Völker hatten.
Daraufhin salbe Samuel in Gottes Auftrag Saul zum ersten König Israels.
Zunächst war Saul ein erfolgreicher Herrscher, dann aber handelte gegen Gottes  Befehle, woraufhin sich Gott von ihm abwandte und Samuel beauftragte, einen neuen König zu erwählen.
Sie alle kennen die Geschichte, die dann folgt (und Sie sehen sie auch hier dargestellt): der kleine David, der junge Schafhirte, wird zum König gesalbt.
Wir befinden uns jetzt übrigens in der Zeit ungefähr 1000 v. Chr..
Und wie Pfr. Hübschle bereits letzten Sonntag erwähnt hat,  bekommt der neue König dann mit der Thronbesteigung ganz selbstverständlich den Titel eines „Sohnes Gottes“, weil er im Auftrag und im Namen seines göttlichen Vaters das Amt des Königs übernommen hat. Seine Macht hat er ausschließlich von Gott. Er soll das Volk nach den Geboten Gottes regieren in Recht und Gerechtigkeit. So ein König ist der Messias, der Gesalbte Gottes.
In zwei der Psalmen, die auch David zugeschrieben werden - „Ein Psalm Davids“-, wird ebenfalls darauf verwiesen: So heißt es in Psalm 2, der überschrieben ist „Der Herr und sein Gesalbter“: „Ich selbst habe meinen König eingesetzt“ und „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt.“
In Psalm 110 – betitelt mit „Die Einsetzung des priesterlichen Königs auf dem Zion“ lesen wir noch: „Dein ist die Herrschaft am Tage deiner Macht, wenn du erscheinst in heiligem Schmuck; ich habe dich gezeugt noch vor dem Morgenstern.“
Kleine Hinweise, dass der König tatsächlich als mehr galt als eben „nur“ ein Regierungsoberhaupt, nämlich tatsächlich als ein Kind Gottes, wie es auch in den umliegenden Kulturen der Fall war.
Wobei der Begriff „Kind“ oder „Sohn“ nicht im Sinne eines bestimmten Alters oder Lebensabschnittes zu verstehen ist. Die Könige Israels waren Erwachsene, keine jungen Kindkönige; der Begriff „Kind“ oder „Sohn“  muss unbedingt als Ausdruck der Beziehung zu ihrem göttlichen Vater verstanden werden.
Und im Gegensatz zu den Gotteskinderkönigen anderer Kulturen war diese so benannte Beziehung nicht ausschließlich dazu gedacht, Macht und Herrschaft zu legitimieren.
„Die Gottessohnschaft ist in Israel kein Blanko-Scheck für den König, sondern er bleibt der Weisung Gottes, der Thora, verpflichtet“ – so formuliert es Joachim Kügler (Kügler, S. 31 in „welt und umwelt der bibel 4/2010).
Somit ergibt sich also, wie gesagt, für den König aus seiner Gottessohnschaft auch eine Verpflichtung, nämlich für sein Volk zu sorgen und es den Weisungen Gottes gemäß zu regieren.
David selbst war König über das größte Reich, das die Israeliten jemals hatten. Er galt als der Heilsbringer, weil er fast 40 Jahre lang dafür gesorgt hat, dass das Volk in Sicherheit leben konnte.

Die Könige Israels - Gotteskinder
Übrigens: nicht nur die Könige Israels, auch wir alle dürfen uns als  Gotteskinder bezeichnen. Natürlich kann man das zunächst metaphorisch verstehen – wenn wir Gott unseren Vater nennen, so ist die logische Schlussfolgerung, dass wir dann die Söhne und Töchter sind.
Aber ich spiele auf etwas anderes an: in der Taufe werden wir mit Chrisam gesalbt. Somit sind auch wir „Gesalbte“ und stehen in der Tradition der Könige, Priester und Propheten des Alten und des Neuen Bundes.
Liebe Gemeinde,
jetzt habe ich Ihnen einiges zum Königtum und zur Gotteskindschaft im alten Israel erzählt.
Ich möchte aber noch einmal zurückkehren zu unseren heutigen Schrifttexten; zunächst zur Hauptperson unserer heutigen Lesung – Samuel.
Samuel war, wie gesagt, kein König. Er war Priester, auch Richter, und ein Prophet.
Und er war „dicht dran“ an Gott.  Wie es in der Bibel heißt „Er wuchs beim Herrn heran.“ – sicher zum einen im allerwörtlichsten Sinne, da er im Tempel aufwuchs. Zum anderen aber lebte er ganz gemäß Gottes Weisungen und Geboten – ich würde durchaus so weit gehen, zu sagen, dass man ihn als ein Kind Gottes bezeichnen könnte.
So lesen wir auch einige Verse später im Buch Samuel: „Samuel wuchs heran und der Herr war mit ihm und ließ keines von all seinen Worten unerfüllt. Ganz Israel erkannte, dass Samuel als Prophet des Herrn beglaubigt war.“ (1 Sam 3, 19f).
Wenn ich mit meinen Schülerinnen und Schülern über Propheten rede, und was die so tun, dann erkläre ich immer, dass  Propheten keine Hellseher sind die „auf magische Weise die Zukunft voraussagen“, sondern dass Propheten vielmehr die Zeichen der Zeit klar erkennen, und sie betrachten und deuten im Sinne Gottes. Von Gott und in seinem Namen sind sie berufen und inspiriert. Dementsprechend reden sie dann zu ihrem jeweiligen Volk – belehrend, ermahnend, aufrüttelnd. Manche bezeichnen die Propheten deswegen auch als „Gotteskünder“ oder als „Mahner Gottes“.
Prophet zu sein war kein leichter Beruf oder vielmehr keine leicht Berufung. Gegen den Trend der Zeit, gegen das Denken und Handeln der Mächtigen mussten die Propheten auftreten und Gottes Worte und Weisungen verkünden -  und dabei ihren Finger auf Fehler und Schwachpunkte legen – wahrlich keine angenehme Aufgabe.  Manche, die von Gott berufen wurden, wollten diese Berufung zunächst gar nicht annehmen – wie zum Beispiel der Prophet Jona, dessen Flucht übers Meer, gefolgt von der Episode mit dem großen Fisch wohl allen von Ihnen bekannt ist.
Jona war also einer, der vor dem Ruf, der Berufung durch Gott flüchtete - denn für ihre deutlichen Worte wurden die Propheten – oder Menschen mit einer prophetischen Gabe –oft verlacht und verspottet; schlimmstenfalls sogar bestraft und landeten im Gefängnis.
Denken wir nur an den Propheten aus dem heutigen Evangeliums, Johannes der Täufer, den seine klaren Worte an den König Herodes bezüglich seiner Ehe mit der Frau seines Bruders zunächst ins Gefängnis beförderten und ihm letztendlich den Tod brachte.
Unsere heutigen Schrifttexte haben gezeigt: Sowohl im Alten oder Ersten Testament als auch im Neuen oder Zweiten finden wir Menschen, die als Propheten auftreten und dem Volk Gottes den Weg weisen. Wobei durchaus auch gewarnt wird: „Hütet euch vor falschen Propheten“ – so lesen wir bei Matthäus. Offensichtlich gab es durchaus Menschen, die entsprechend auftraten und behaupteten, im Namen Gottes zu sprechen. Schon der Prophet Jeremia klagt über diejenigen, die ihre eigenen Gedanken als Gottes Wort verkünden und für ihre Prophezeiungen Geld nehmen – ein Phänomen, das uns auch heutzutage noch begegnet.
Alle drei großen monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – kennen in ihren Schriften Propheten als Gotteskünder und Mahner Gottes.
Und wie ist es bei uns, heute?
Gibt es heute noch Propheten?
Da ich gerne mit dem Computer und dem Internet arbeite, habe ich einmal bei einer allseits bekannten Suchmaschine die Stichworte „moderne Propheten“ eingegeben.
Ich könnte Sie jetzt raten lassen – was denken Sie, waren die ersten konkreten Namen, die genannt wurden?
Es waren zum einen Martin Luther King, zum anderen Papst Franziskus.
Wenn ich Propheten als Verkünder und Mahner Gottes verstehe, die kritisch beobachten und auf die Missstände unserer Zeit und Welt aufmerksam machen, dann kann ich bei beiden uneingeschränkt zustimmen.
Aber es sind auch große Fußstapfen, die diese beiden hinterlassen haben und hinterlassen – und bei anderen, die mir hier noch einfallen würden, zum Beispiel dem Dalai Lama oder auch Mutter Teresa, ist das nicht anders - große Persönlichkeiten.
Da können wir nicht ohne weiteres mithalten, möchte ich einfach mal behaupten. Dennoch – oder gerade deshalb - möchte ich Sie einladen, sich einmal wieder – in dem Bewusstsein, dass wir alle Kinder Gottes sind – Zeit zu nehmen um über Gottes Ruf an Sie nachzudenken, denn – so hat es Peter Janssens in dem Musikspiel „Elisabeth von Thüringen“ 1984 formuliert: 
Propheten sind wir alle, auch du und ich.
Wenn wir mit wachen Sinnen durch die Straßen gehn,
wenn wir mit vielen Händen am selben Strick ziehn.
Wenn wir mit lauten Stimmen alle Satten störn,
wenn wir mit offnen Ohren Gottes Worte hörn.
Wenn wir mit flinken Fingern an der Armut drehn,
wenn wir mit andren Augen Gottes Schöpfung sehn.
Wenn wir mit starken Kräften Friedenshäuser baun,
wenn wir mit frohen Herzen in die Zukunft schaun.
Wenn wir mit kleinen Träumen Hoffnungskörner sän,
wenn wir mit beiden Beinen auf dem Boden stehn.
Propheten sind wir alle, auch du und ich.
Amen.

© B. Vallendor, 2014

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.