Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
Schwalbenweg 5
88213 Ravensburg

Tel. 0751-7912430
Fax 0751-7912440
E-Mail: Info-Dreifaltigkeit.RV@drs.de

 

 

2. Advent

Lesung: Gen 18, 1-18

Der Herr erschien Abraham bei den Eichen von Mamre. Abraham saß zur Zeit der Mittagshitze am Zelteingang.
Er blickte auf und sah vor sich drei Männer stehen. Als er sie sah, lief er ihnen vom Zelteingang aus entgegen, warf sich zur Erde nieder und sagte: Mein Herr, wenn ich dein Wohlwollen gefunden habe, geh doch an deinem Knecht nicht vorbei! Man wird etwas Wasser holen; dann könnt ihr euch die Füße waschen und euch unter dem Baum ausruhen. Ich will einen Bissen Brot holen und ihr könnt dann nach einer kleinen Stärkung weitergehen; denn deshalb seid ihr doch bei eurem Knecht vorbeigekommen. Sie erwiderten: Tu, wie du gesagt hast.
Da lief Abraham eiligst ins Zelt zu Sara und rief: Schnell drei Sea feines Mehl! Rühr es an und backe Brotfladen!
Er lief weiter zum Vieh, nahm ein zartes, prächtiges Kalb und übergab es dem Jungknecht, der es schnell zubereitete.
Dann nahm Abraham Butter, Milch und das Kalb, das er hatte zubereiten lassen, und setzte es ihnen vor. Er wartete ihnen unter dem Baum auf, während sie aßen.
Sie fragten ihn: Wo ist deine Frau Sara? Dort im Zelt, sagte er.
Da sprach der Herr: In einem Jahr komme ich wieder zu dir, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben. Sara hörte am Zelteingang hinter seinem Rücken zu.
Abraham und Sara waren schon alt; sie waren in die Jahre gekommen. Sara erging es längst nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt.
Sara lachte daher still in sich hinein und dachte: Ich bin doch schon alt und verbraucht und soll noch das Glück der Liebe erfahren? Auch ist mein Herr doch schon ein alter Mann!
Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und sagt: Soll ich wirklich noch Kinder bekommen, obwohl ich so alt bin?
Ist beim Herrn etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben.
Sara leugnete: Ich habe nicht gelacht. Sie hatte nämlich Angst. Er aber sagte: Doch, du hast gelacht.
Die Männer erhoben sich von ihrem Platz und schauten gegen Sodom. Abraham wollte mitgehen, um sie zu verabschieden.
Da sagte sich der Herr: Soll ich Abraham verheimlichen, was ich vorhabe?
Abraham soll doch zu einem großen, mächtigen Volk werden, durch ihn sollen alle Völker der Erde Segen erlangen.

 

Evangelium: Mt 5, 38-48

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.
Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.
Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?
Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?
Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.

 

Predigt

Liebe Gemeinde,

„Die Spur des Unendlichen macht sich bemerkbar als Störung in der Ordnung der Welt.“ –

ich habe diesen nachdenkenswerten  Satz beim jüdischen Philosophen Emmanuel Levinas  gefunden:

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts ist er in Litauen geboren und mit russischer Literatur wie Tolstoi oder Dostojewski aufgewachsen; als Student war er ein Schüler von Martin Heidegger, und später hat er selber als Professor für Philosophie an der Pariser Sorbonne gelehrt; 1995 ist Emmanuel Levinas in Paris gestorben.

„Die Spur des Unendlichen macht sich bemerkbar als Störung in der Ordnung der Welt.“

Oder anders gesagt:

„Der Himmel schickt uns….manchmal auch Unerwartetes und  Zumutungen!“

Als Jude kennt Emmanuel Levinas natürlich die Schriften des Alten Testaments, die Tora. Und deshalb denkt der anerkannte Philosoph auch über Gott nach und wie dieses Göttliche in unserer Welt erfahrbar ist.

Nur eine Spur des Unendlichen, des Unbegrenzten macht sich bemerkbar in unserer endlichen, begrenzten Welt – und eben nicht Gott mit seinem ganzen, allmächtigen und ewigen Sein. So denkt der jüdische Philosoph.

Mir gefällt seine Sprache, weil er ganz achtsam versucht, sich an das heran zu tasten, was wir glaubende Menschen meinen, wenn wir „Gott“ sagen.

Es sind zwar nur Spuren dieses Göttlichen, die sich in unserer Welt ahnen lassen, aber diese Spuren gibt es.  Das Göttliche  macht sich bemerkbar  im Leben von uns Menschen – davon ist Levinas überzeugt – und zwar besonders dann, wenn wir es gar nicht erwarten, wenn es gar nicht in unser Denkmuster und in unsere Lebensplanung passt.

In der Philosophie von Emmanuel Levinas begegnet uns auf den ersten Blick gar kein lieber Gott, „der alles so herrlich regieret“. Da schickt uns der Himmel eben keine Sicherheit, sondern zunächst einmal Verunsicherung und eben kein uneingeschränktes Glück, sondern missglückte Lebensentwürfe und durchkreuzte Pläne!

Der jüdische Philosoph stellt sich unseren Gott als eine unendliche Macht vor, die für uns Menschen auch eine Zumutung sein kann, eine Macht, die unerwartet und vielleicht sogar bedrohlich  „in unser Denken einfällt“. Aber genau so können wir Menschen sie ahnen, diese Spuren des Göttlichen in unserem alltäglichen Leben: Wenn wir überrascht  sind oder irritiert oder verunsichert oder sogar verzweifelt.

In unserer heutigen Lesung haben Sie alle miterlebt, wie sich eine solche Zumutung anfühlen kann, die der Himmel uns bis heute schickt:

Sara, die Urmutter der Israeliten, wird überrascht von unserem Gott -Jahwe greift in ihr Leben ganz plötzlich und auf ganz außergewöhnliche Weise ein.

Noch einmal zu Ihrer Erinnerung:

Abraham begegnet dem Göttlichen bei den Eichen von Mamre. Der Schreiber des Buches Genesis wählt für diese Begegnung mit Gott das Bild vom Festmahl: Der gastfreundliche Abraham bewirtet Gott an seinem Tisch, und Gott verspricht ihm dabei, dass er der Vater eines großen gläubigen Volkes sein werde. Abraham wird in dieser Erzählung als Vorbild im Glauben hingestellt – als einer, der alles tut, damit Gott – in Gestalt der drei Männer – in seinem Leben ankommen kann. Er lässt sich also tatsächlich „vom Himmel schicken“. Abraham soll sich aufmachen, und dann werden die Israeliten zu einem großen gläubigen Volk werden. Und Abraham glaubt und vertraut.

Und was tut Sara?

Auch sie hört die göttliche Verheißung, dass sie einen Sohn zur Welt bringen werde. Und sie fängt an zu lachen.

Der Himmel schickt  Sara  in die Welt, damit  durch sie und durch ihren Sohn  Israel zu einem großen Volk wird, und Saras Antwort ist Lachen!

Und sie hat auch gute Gründe dafür: Bei der Begegnung mit Gott ist sie schließlich  schon eine reife Frau und eben nicht mehr in dem Alter, in dem Frauen üblicherweise ihre Kinder bekommen. Sara hat ganz offensichtlich ihre Familienplanung schon abgeschlossen – voller Trauer natürlich, weil sie bis dahin ja noch keine Kinder zur Welt gebracht hat.

„Die Spur des Unendlichen macht sich bemerkbar als Störung in der Ordnung der Welt!“

Sara denkt kritisch über die Zusage Jahwes nach – und lacht. Und dieses Lachen hat ihr bis heute üble Vorwürfe von den vorwiegend männlichen Bibelwissenschaftlern eingebracht: Wenig Gottvertrauen wird ihr da unterstellt und viel weibliche Überheblichkeit. Gott auslachen, das dürfen Frauen in den von Männern dominierten biblischen Forschungen nicht ungestraft – und das, obwohl auch Abraham bei seiner allerersten Begegnung mit dem Göttlichen lacht.

Wenige Verse vor unserem heutigen Lesungstext  lässt der Verfasser des Buches Genesis Gott zu Abraham sagen:

„Ich segne (Sara), so dass Völker aus ihr hervorgehen.“

Und dann weiter:

„Da fiel Abraham auf sein Gesicht nieder und lachte.“

(Gen 17, 17)

Trotzdem aber  bleibt Abraham bei vielen männlichen Bibelwissenschaftlern das Vorbild für uns glaubende Menschen – und Sara wird  getadelt für ihren Unglauben.

Der Alttestamentler Franz Delitzsch sagt es im 19. Jahrhundert so:

„Ihr Lachen….war Spott des Zweifelns, Abrahams Lachen war Wonne des Staunens. Er bedurfte der Glaubensermutigung, sie der Zurückführung zur Glaubensdemut.“

(aus: Feministisch gelesen, Band I, Kreuzverlag, Seite 35)

Was für ein Segen, dass Gott sich von solchen Männertheorien nicht beeinflussen lässt!!!

„Ist beim Herrn etwas unmöglich?“ –

so begegnet Jahwe der lachenden Sara, und dann berührt er sie mit seinem Segen, und das Kind kommt zur Welt -  trotz ihrer Zweifel und trotz ihrem Lachen!

Oder vielleicht gerade deshalb?!

Ich deute diese Begegnung zwischen Abraham, Sara und der göttlichen Spur in unserer Welt so:

Bei uns Menschen liegen Zweifel und Hoffnung, Ängste und Vertrauen, Glauben und Nicht-Glauben-Können ganz eng beieinander. Und unser Gott segnet auch die Zweifel und auch die Ängste und auch das Nicht-Verstehen und auch das unsichere Lachen.

Und da sind Männer nicht anders als Frauen und Frauen nicht anders als Männer. Die Geschichte von uns Menschen mit Gott ist nicht ohne Zweifel und nicht ohne unseren Schrei „Warum – Gott???!!“ denkbar. Aber: Hinein in all diese Situationen unserer Verzweiflung und hinein in diese Zumutungen vom Himmel her spricht Gott sein „Mir ist nichts unmöglich!“ – das ist die Botschaft unserer heutigen Lesung. Und dabei geht es um viel mehr als um die biologische Fähigkeit einer alten Frau, ein Kind zur Welt zu bringen. Da geht es um die tief in unseren Herzen verborgene Sehnsucht, dass wir Menschen einen Gott spüren möchten, der sagt: „Ich bin da!“

Das ist ja auch die Zusage Gottes an Mose beim brennenden Dornbusch, den der Himmel am letzten Sonntag in der Predigt in unsere Welt geschickt hat.

„Ich bin euer Gott!“  - vielleicht ist das für Sie alle eine mutmachende Zusage, wenn Sie selber nach der Wahrheit über unseren Gott suchen oder wenn Sie mit etwas Unerwartetem oder mit einer Zumutung, die der Himmel Ihnen schickt, zu kämpfen haben.

„Der Himmel schickt uns auch Zumutungen und Störungen in unserem Denken und Planen.“

Und wenn wir Menschen dieses Unerwartete nicht aus unserem Leben wegschieben, sondern liebevoll und mit Gelassenheit und vielleicht sogar  mit einem erlösten inneren Lachen annehmen lernen, dann kann es – wie bei der alttestamentlichen Sara – zum Segen und zum Glück für uns werden. Und plötzlich wird dann dieses Lachen der Sara zu einem Loblied auf unseren Gott, der seine Spuren in unserer Welt hinterlässt – auch wenn diese Spuren unser Denken durchkreuzen – oder eher weil sie unser Denken durchkreuzen: zu unserem Glück.

Liebe Gemeinde,

der Gott des Alten Testaments, der Gott des Abraham,  des Mose und der Sara ist unberechenbar, undurchschaubar – und manchmal eine Zumutung. Er durchkreuzt die Gedanken bei den Glaubenden im Volk Israel.

Und wir Christinnen und Christen machen mit Jesus und mit seiner Reich-Gottes-Botschaft, wie sie im Neuen Testament verkündet wird, die Erfahrung, dass auch er Unerwartetes verkündet und eine Zumutung für seine Zeit gewesen ist – denken Sie daran, welche bösen Reaktionen er ausgelöst hat, weil er die Männer und Frauen seiner Zeit am Sabbat von psychischen und physischen Leiden geheilt hat – gegen die Ordnung und gegen das Gesetz seiner Zeit.

Und dann hören Sie im heutigen Evangelium:

„Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, halte ihm auch die linke hin.“

Wo gibt’s denn sowas??? Ich bin mir sicher: Sowas gibt’s bei all den Menschen, die in ihrem Herzen spüren, dass zum Göttlichen  Wunder-volles und  Liebe gehört -  und weder Wunder, noch Liebe passen in die Ordnung und in die Gesetze unserer Welt.

Der Himmel hat uns zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte Frauen und Männer geschickt, die geahnt haben, dass sich das Göttliche in unserer Welt bemerkbar macht. Und ein ganz Großer, den der Himmel zu uns in unsere heutige Zeit geschickt hat und der diese Zumutung, - wie sie Jesus heute im Evangelium verkündet -  tatsächlich auch gelebt hat, ist jetzt gestorben: Nelson Mandela. Wie nur wenige Menschen hat er auf ganz eindrucksvolle Weise die Ordnung in unserem irdischen Denken mit Liebe gestört.

„Die Spur des Unendlichen macht sich immer wieder bemerkbar“  als wunder-volle und liebe-volle Störung in den Ordnungen unserer Welt – und das ist für uns Menschen bis heute zum Segen – nicht nur für die alttestamentliche Sara.

Amen.

© A. Böhm, 2013

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.