Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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1. Advent
Lesung: Ex 3,1-6
Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht? Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
Evangelium: Mt 24, 29-36
Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen.
Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zum andern.Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.
Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr das alles seht, dass das Ende vor der Tür steht.
Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
Predigt:
… der Himmel schickt uns …
Liebe Mitchristen,
worum soll es denn da gehen? Im Advent ist man doch gewöhnlich hier in der Kirche gewohnt, ganz langsam auf Weihnachten eingestimmt zu werden.
=> Genau diesem Ziel soll unsere Reihe von Predigten dienen, die sich ergänzen, damit Sie sich auf Weihnachten einstimmen können.
=> Ich denke, dass bei dieser Vorbereitung hin und wieder auch ungewöhnliche und vielleicht auch neue Ideen auftauchen werden. Lassen Sie sich da inspirieren für Ihr Leben.
=> Sie haben heute zwei Texte aus der Bibel gehört, die Ihnen beide wahrscheinlich nicht unbekannt waren.
=> Die Geschichte vom brennenden Dornbusch und diesen Teil der Endzeitrede Jesu, wie sie uns Matthäus überliefert.
=> Die Endzeitrede Jesu ist von der Leseordnung her vorgesehen für den heutigen 1. Advent, die Erzählung vom brennenden Dornbusch habe ich herausgesucht aufgrund unseres Themas.
… der Himmel schickt uns …
… in beiden Texten eine Vision, die etwas macht mit den Menschen, die diese Visionen hören.
=> Mose begegnet an diesem brennenden Dornbusch dem Engel Gottes, bzw. Gott selbst, der sich ihm als der Gott der Väter Abraham, Isaak und Jakob zu erkennen gibt.
=> Diese Begegnung des Mose mit dem Dornbusch, der nicht verbrennt, weil ihm Gott gegenüber tritt, hat eine ungeheure Wirkungsgeschichte entfaltet.
=> Auf dieses Offenbarungsbild berufen sich die drei großen monotheistischen Religionen, wenn sie von Gott als einem personalen Gott reden.
=> Judentum, Christentum und der Islam (Sure 20) kennen diese Geschichte vom brennenden Dornbusch als die Offenbarungsgeschichte, die schließlich zur Befreiungsgeschichte für das Volk Israel wird.
=> Verbunden mit dieser Geschichte ist die Offenbarung des Gottesnamens: YHWH – ich bin da.
=> Nach dieser Offenbarung werden die Verfasser der biblischen Bücher nicht müde, immer wieder zu betonen, dass ihr Gott „ich bin da“, sie niemals verlassen wird, egal was auch geschieht.
=> Von dieser Begegnung am brennenden Dornbusch geht die Vision aus, dass Gott die Menschen begleitet und stets an ihrer Seite ist.
=> Aus dieser Vision schöpfen unzählige Menschen über viele Jahrhunderte hin Kraft für ihr tägliches Leben.
=> Diese Vision ist es letztlich, die dem Volk Israel auch in der Verbannung in Babylon, die Kraft gibt, in dieser hoffnungslosen Situation an einen Neuanfang zu glauben.
=> Dieser Neuanfang kommt so überraschend, dass die Schriftsteller der Bibel uns berichten, dass sogar der König von Babylon ein Werkzeug dieses Gottes sei. Auch dieser mächtige Herrscher kann nur das tun, was YHWH ihm erlaubt.
=> Der König Kyros von Babylon erlaubt den Israeliten, wieder nach Jerusalem zurück zu kehren und dort mit Mitteln aus der Staatskasse des Königs, den Tempel und die Stadt wieder aufzubauen.
=> Eine unglaubliche Entwicklung, die die Israeliten sich nur erklären können mit dieser Ahnung, dass ihr Gott hier am Werk ist. Aus dieser Ahnung entwickelt sich dann ein tiefes Vertrauen, das allerdings immer wieder auf eine harte Probe gestellt wird.
=> Eine dieser Proben ist die Herrschaft der Römer. Zur Zeit Jesu ist diese Unterdrückung für die Israeliten unerträglich. Sie sehnen sich nach einem Retter, der dem Volk die Freiheit erstreitet und Gerechtigkeit übt.
=> Diese Vision ist in den Köpfen der Israeliten, egal welcher Gruppierung sie angehören.
=> Jesus ist ein Kind dieser Zeit und er kennt die Sehnsucht der Menschen. Er weiß um die Not. Er weiß aber auch, dass er diese politischen Erwartungen nicht erfüllen kann.
=> Diese Endzeitrede, die uns Mt, Mk und Lk überliefern, zeigt, dass Jesus eine andere Vision hat. Ihm geht es nicht um das Ende der Herrschaft der Römer, sondern um das Anbrechen des Reiches Gottes.
=> Und unser Evangelist Mt trennt auch noch sauber zwischen der Zerstörung des Tempels in Jerusalem und der Wiederkunft des auferstandenen Christus.
=> Mt weiß bereits, als er sein Evangelium schreibt, dass der Tempel zerstört ist. Für die Israeliten hat mit der Zerstörung und Entweihung des Tempels in Jerusalem die Endzeit begonnen. Es kann jetzt nicht mehr lange dauern bis Gott eingreift!!
=> Etwa 10 Jahre nach der Zerstörung des Tempels schreibt Mt sein Evangelium. Er muss dabei seiner Gemeinde klar machen, dass offensichtlich dieses Faktum der Zerstörung und Entweihung noch nicht die Endzeit eingeläutet hat.
=> Er entwirft, die Vision von der Wiederkunft des Menschensohnes. Erst wenn sein Zeichen am Himmel erscheint, wird es ernst, aber den genauen Zeitpunkt kennt nur Gott.
=> Dieses Bild hat viele Jahrhunderte lang die Menschen immer wieder beschäftigt, weil sie in manchen Zeichen den Anbruch der Endzeit vermutet haben. Das waren z.B. Naturkatastrophen, blutige Verfolgungen, Kriege, Epidemien usw.
=> Bis heute gibt es Menschen aus allen drei großen Religionen, die aus diesem Geist heraus, andere in Angst und Schrecken versetzen.
=> Visionen bestimmen das Handeln der Menschen. Auch wir alle haben eine Vorstellung von unserem Leben und was wir da alles noch erreichen wollen. Und wir alle, haben eine Vorstellung von Gott.
=> Und hier in der Kirche sind wir ja beieinander, weil wir feiern, dass wir unserem Gott begegnen dürfen in unserer Gemeinschaft, in seinem Wort und im Brot des Lebens.
Mitten unter uns ist sein Geist lebendig!
=> In Jesus von Nazareth hat dieser Geist Gottes unter uns ein Gesicht bekommen. Jesus hat den Geist der Liebe bezeugt mit seinem ganzen Leben. In seiner Nähe haben die Menschen aufgeatmet und sind heil geworden.
=> Er hat ihnen ihre Hoffnung gestärkt, dass sie in jeder Lebenssituation von der Liebe Gottes umfangen sind.
=> Paulus hat das im Römerbrief so formuliert, dass uns nichts, absolut nichts, von der Liebe Gottes trennen kann!
=> Diese Vision von einem Gott, der mit den Menschen ihr Leben lebt, das ist die Vision des Christentums. Gott zeigt sich in der Liebe der Menschen, tagtäglich.
=> Mit dieser Vision vom angebrochenen Reich Gottes, vom angebrochenen Reich des Friedens, der Liebe und der Gerechtigkeit, hat das Christentum 2000 Jahre überstanden.
=> Martin Luther King jr. hat 1963, also vor 50 Jahren, diese berühmte Rede gehalten, in der er den Traum von einem gerechten Amerika entworfen hat ohne Rassismus. Große Teile dieser Vision sind inzwischen Wirklichkeit geworden, wenn auch noch nicht alles.
=> In unserer Kirche bekommt diese Vision neuerdings wieder neuen Glanz.
=> Papst Franziskus möchte, dass unsere Kirche wieder zu leuchten anfängt dadurch, dass sie sich den Armen und Benachteiligten zuwendet. Rechtsnormen und Strukturen haben ausschließlich eine dienende Funktion. Es gilt die Botschaft vom angebrochenen Reich Gottes in unserer Welt zu bezeugen.
=> Es gilt, den Menschen in allen Lebenslagen Mut zu machen und die Liebe Gottes weiter zu schenken. Das ist die Vision unseres Papstes für die Kirche.
=> Unser Altbundeskanzler, Helmut Schmidt, hat vor vielen Jahren sein berühmtes Wort geprägt:
„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“.
=> Ich denke aber, dass Helmut Schmidt da nicht genug nachgedacht hat.
=> Menschen, Systeme und auch Staaten kommen nämlich ohne eine Vision für ihre Existenz nicht weiter.
=> Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Vision für Ihr Leben Sie fördert und Ihrem Lebensziel immer näher bringt.
=> Denn … der Himmel schickt uns … die Vision von dieser Liebe Gottes, die allen Menschen gilt und die alle Menschen verändert, die sie spüren dürfen.
=> So kommt Gott bei den Menschen an. Das ist Advent – Ankunft.
Amen.
© R. Hübschle 2013
HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.