Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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4. Advent: "Die Welt der Kunst"

Lesung: Deuteronomium 4, 15-19

Nehmt euch um eures Lebens willen gut in Acht! Denn eine Gestalt habt ihr an dem Tag, als der Herr am Horeb mitten aus dem Feuer zu euch sprach, nicht gesehen.
Lauft nicht in euer Verderben und macht euch kein Gottesbildnis, das irgendetwas darstellt, keine Statue, kein Abbild eines männlichen oder weiblichen Wesens, kein Abbild irgendeines Tiers, das auf der Erde lebt, kein Abbild irgendeines gefiederten Vogels, der am Himmel fliegt, kein Abbild irgendeines Tiers, das am Boden kriecht, und kein Abbild irgendeines Meerestieres im Wasser unter der Erde.
Wenn du die Augen zum Himmel erhebst und das ganze Himmelsheer siehst, die Sonne, den Mond und die Sterne, dann lass dich nicht verführen! Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen. Der Herr, dein Gott, hat sie allen anderen Völkern überall unter dem Himmel zugewiesen.

 

Evangelium: Lukas 1, 39-45

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

 

Predigt

Liebe Gemeinde,

„Weltengott – und Gotteswelt“ – so ist unsere Predigtreihe im Advent überschrieben. Nachdem wir an den bisherigen Sonntagen eingetaucht sind in die Welt des Wissens und der Materie, in die Welt der Showbühne und der Stars und in die Welt des Geldes und der Finanzen, nehme ich sie heute mit in die Welt der Kunst. Denn nicht nur Verstand und Zahlen, sondern auch Phantasie und Gefühl gehören zum Leben des Menschen.

Da Kunst ein großes Wort ist, möchte ich mich begrenzen auf Bilder, also Gemälde, Fotos oder sonstige Abbildungen.

Ich möchte sie einladen, sich einmal für einen Moment vorzustellen, wie es hier in der Kirche oder bei ihnen zuhause aussehen würde, wenn es keine Bilder, wenn es keine Kunst gäbe.

Würden sie sich ohne Kunst, ohne Bilder zuhause wohlfühlen? Ohne das Foto von der Familie? Oder, liebe Kinder und Jugendliche, ohne das Bild mit der Lieblingsfußballmannschaft, das Bild mit einem angesagten Pop- oder Filmstar über dem Bett? Oder, liebe Erwachsene, ohne den Kunstdruck vom letzten Museumsbesuch?

Und wie sähe unsere Kirche aus? Ohne Abbildungen? Ohne das Kunsthandwerk?

Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten: Ein Leben ohne Kunst, ohne Bilder ist ein armseliges Leben. Mag Kunst hochwertig oder von schlechter Qualität sein, mag sie Neues anstoßen oder nur einfach trivial und kitschig sein -  Kunst gehört zum Menschen und in der Kunst drücken Menschen sich aus.

Genauso ist es mit dem Glauben. Auch Glauben und Vertrauen gehören zur Natur des Menschen. Und wie die Kunst auch, übersteigt der Glaube die rein materielle Welt, hin zum Ideelen, Wahren, Göttlichen. Und so verwundert es nicht, dass die Welt des Glaubens und die Welt der Kunst sich im Laufe der Geschichte häufig begegnet sind.

Wenn wir auf die Lesung aus dem Buch Deuteronomium schauen, scheinen Kunst und Glaube auf den ersten Blick eher Feinde als Freunde zu sein. An keiner anderen Stelle in der ganzen Bibel wird das sog. „Bilderverbot“ derart ausführlich eingeschärft wie hier: Man darf sich im Grunde von Nichts ein Bild machen: Nicht von den Tieren, nicht von den Sternen, nicht vom Menschen. V.a. aber soll man sich nicht vor ihnen niederwerfen.

Um den tieferen Sinn dieser Verse zu verstehen, müssen wir in die Zeit schauen, als diese Worte entstanden sind. Damals, im 6. Jh. v.C., wurde in Israel nicht nur Jahwe, der Gott Israels verehrt, sondern es gab auch viele Fremdkulte. Für einige von ihnen waren sog. „Kultbilder“ typisch. Das waren Bilder oder Skulpturen, die z.B. tierähnlich ausgesehen haben und die man durch Salbung, Opferung oder Ankleidung verehrt hat. Das Kultbild hat nicht nur Gott oder seine Gegenwart symbolisiert, sondern wurde selbst für Gott gehalten. Und hier ist der entscheidende Unterschied zu Israels Glauben. Israel glaubt nicht an einen gemachten Gott, sondern an Gott, der selber macht und schafft, an Gott den Schöpfer. Israel maßt sich nicht an, Gott auf ein Kultbild zu reduzieren, sondern weiß, dass Gott in seiner Unendlichkeit und Geistigkeit letztlich nicht verfügbar ist. Durch diese religiöse Einsicht, und auch, um sich von religiösen Praktiken der anderen Völker zu unterscheiden, ist dieses Wort vom Bilderverbot entstanden. Bildervebot meint demnach nicht Kunst- oder Vorstellungsverbot. Bilderverbot richtig verstanden heißt: Gott nicht zum Götzen machen. Gott Gott sein lassen. Sich darüber im Klaren sein, dass alle Bilder, die wir uns von Gott machen im besten Fall kleine Mosaiksteine seines Wesens sind; eines Wesens, dass letztlich alle menschliche Vorstellungskraft übersteigt.

Wenn das klar ist, wenn Bilder nicht als Kultbilder, sondern als Abbilder gesehen werden, dann kann Kunst im religiösen Bereich eine große Hilfe sein.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,

schon bald hat man in der jungen Kirche die pädagogische Funktion des Bildes erkannt. Bilder waren neben dem Predigen das Mittel, Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten, die biblischen Geschichten näherzubringen. Bilder und Kunst haben durch ihre Ästhetik und Sinnlichkeit die  Chance, die empfindsamen Schichten im Menschen zu berühren. Marc Chagall, der berühmte Maler, sagt es so: „Kunst scheint mir vor allem ein Seelenzustand zu sein.“

So kann man über Angst sprechen, oder einfach das Bild „Der Schrei“ von Eduard Munch anschauen. Man kann über die Schöpfung reden, oder sich einfach inspirieren lassen von Michelangelos weltberühmtem  Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle. Bilder und Kunst können erinnern und eine wichtige Botschaft festhalten. Sie können trösten, aufrütteln, anklagen, verstören. Und sie können Hoffnung stiften, sogar heilend wirken.

Liebe Brüder und Schwestern im Glauben,

wenn wir heute in die Kunstwelt schauen, dann fällt nicht nur auf, dass sie plural und unübersichtlich geworden ist. Sondern ich frage mich auch: Wo ist Gott geblieben? Klassische religiöse Kunst, in der Gott-Vater z.B. als alter Mann mit weißem Bart dargestellt wird, der auf einem Thron sitzt oder Jesus bei der Auferstehung einfach so aus dem Grab steigt, sind heute nur noch am Rande zu finden. Woran liegt das? An der Verweltlichung vieler Lebensbereiche oder an unserer oft einseitig naturwissenschaftlich geprägten Weltsicht? Ist Gott in einer hochmodernen Gesellschaft einfach uninteressant und unnötig geworden? Oder sind wir vielleicht in unseren Vorstellungen von Gott so eingefahren, dass wir seine Gegenwart, dass wir die großen Themen unseres Glaubens nicht mehr im Alltag der Menschen oder in der Kunst von heute erkennen? Das Bilderverbot -  es kann auch uns heute als Christen/ innen antreiben, nicht stehen zu bleiben bei einem statischen, vielleicht auch überkommenen Gottesbild. Sondern im Vertrauen auf den Hl. Geist weiterzugehen, Gott immer wieder neu zu sehen und sich überraschen zu lassen. Als Kirche in Kontakt zu bleiben mit den Menschen im Hier und Heute. Mit ihren Grundfragen an das Leben, mit ihren Ängsten, Zweifeln, Hoffnungen und Sehnsüchten. Und in diesem, ihrem Leben gemeinsam Gottes Gegenwart entdecken. Dann dürfte das sicher genug Stoff geben für neue religiöse Bilder und Visionen, die Menschen beflügeln und inspirieren.

Liebe Gemeinde,

im heutigen Evangelium besucht Elisabeth Maria. Weihnachten ist ganz nahe. Und wenn wir als Christen/innen morgen Heiligabend feiern, dann glauben wir, dass Gott uns in Jesus sein menschliches Gesicht zeigen will. Oder wie es im Kolosserbrief heißt: Dann sehen wir in Jesus das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. 

Amen.

© B. Held, 2012

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.