Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

PfarrbĂĽro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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Lesung: Phil 4, 4-7

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!
Noch einmal sage ich: Freut euch!
Eure GĂĽte werde allen Menschen bekannt.
Der Herr ist nahe.
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lagebetend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Und der Friede Gottes, der alles Verstehen ĂĽbersteigt,
wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.

Evangelium: Lk 3, 10-18

In jener Zeit fragten die Leute Johannes den Täufer:
Was sollen wir also tun?
Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso.
Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: Meister, was sollen wir tun?
Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist.
Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun?
Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnĂĽgt euch mit eurem Sold!
Das Volk war voll Erwartung und alle ĂĽberlegten im Stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei.
Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.
Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner Predigt.                                                                           

Predigt:

 

Sie haben es an den vorausgegangenen Adventssonntagen mitbekommen: unsere Predigtreihe im Advent steht unter dem Motto „Weltengott – Gottes Welt“.

In der Vorbereitungszeit auf Weihnachten hin – und auch an den Festtagen – begegnen uns in den Predigten ganz unterschiedliche Welten.

Zuerst war es die Welt der Wissenschaft, letzten Sonntag die der Stars und Sternchen. Heute soll es um eine Welt gehen, die uns Menschen in der westlichen Welt in den vergangenen Jahren auf unangenehme Weise begegnet ist: Die Welt der Wirtschaft und der Macht.

Doch dazu dann später im zweiten Teil der Predigt – jetzt möchte ich erst einmal einen Blick auf die heutige Lesung werfen, die wir eben gehört haben.

 

Paulus schreibt an die Gemeinde in Philippi:

„Freut Euch! – Ich sage es nochmal: Freut Euch! Sorgt Euch um nichts!“

„Das ist leicht gesagt! Freuen tun wir uns ja gerne, wenn es uns gutgeht. Und wenn uns nichts fehlt, dann machen wir uns auch keine Sorgen…“

Mal ganz ehrlich – waren das auch Ihre Gedanken, als sie diese Worte hörten?

Was war das für ein Träumer, der den Menschen gesagt hat: Macht Euch keine Sorgen, freut Euch des Lebens…?

Was ist das fĂĽr ein Mensch, der so etwas schreibt?

 

Noch schwieriger wird es, das Ganze zu verstehen, wenn wir uns ins Gedächtnis rufen, dass Paulus diesen Brief wahrlich nicht in einer rosigen Zeit geschrieben hat: Er war im Gefängnis – und sich eines baldigen Todes bewusst!

Was hat ihn dazu bewogen, in einer solchen Situation diese Worte zu formulieren?

Mir sind zwei Dinge aufgefallen, auf die ich hier näher eingehen möchte:

Erstens:

Paulus schreibt: Der Herr ist nahe!

Er ist sich der Wiederkunft Christi voll und ganz bewusst. Diese Tatsache lässt ihn erkennen: Es gibt Dinge, die sind wichtiger als die Umstände, in denen ich mich befinde.

Es gibt Dinge, die sind von größerer Bedeutung als das, worum man sich normalerweise Sorgen macht…

Für Paulus war die Freude, die er aus seinem Glauben schöpfte so groß, dass sie sogar seine Furcht vor dem bevorstehenden Tod, die Unannehmlichkeiten des Gefängnisses und dem Fehlen all dessen, was zu einem bequemen Leben notwendig ist, überstieg!

Und zweitens schreibt Paulus:

„Bringt in jeder Lage betend und flehend Eure Bitten mit Dank vor Gott!“

Auf der einen Seite sagt er: Sorgt Euch nicht!

Auf der anderen Seite sagt er aber auch: Bitten und flehen ist erlaubt!

Wie passt das denn zusammen?

Paulus gibt uns gleich die Anleitung dazu:

„… bringt Eure Bitten MIT DANK vor Gott!“

Wie passen denn Bitten und Flehen mit Dank zusammen?

Wenn ICH Grund zum Bitten und Flehen habe, dann ist mir meist nicht nach Dank zumute!

Liegt hier vielleicht das Geheimnis versteckt, das Paulus dazu bringt, in auswegloser Situation von Freude und Sorglosigkeit zu sprechen?

Der Mensch, dem etwas fehlt, der Grund hat zum Flehen, dieser Mensch ist oft mit sich und seinem Problem beschäftigt. Wir drehen uns in solchen Situationen oft um uns selbst. Das Problem oder der Mangel, den wir im Leben erfahren, wird zum Zentrum unseres Denkens und Fühlens.

Weil man sich in solchen Situationen um sich selbst dreht, verliert man manch anderes aus dem Blick.

„Wo ist da Gott?“ – fragen wir dann oft, weil wir ihn da, wo wir hinschauen, nicht erkennen können.

Paulus – geprägt vom jüdischen Denken – sieht das anders.

Für ihn steht Gott im Mittelpunkt des Geschehens. Alles dreht sich um ihn – sein ganzes Leben, sein Glaube ist ausgerichtet auf die Zuversicht und das Wissen, dass Gott alles in seinen Händen hält.

Seine Gottesbeziehung, seine Erfahrungen im Leben mit diesem Gott haben ihm gezeigt: es lohnt sich!

Glaube ist nicht nur eine schöne Theorie von einem Gott, der weit entfernt existiert – sondern eine lebensverändernde Realität!

Paulus hat erlebt, dass dieser Glaube ihn trägt und hält, auch wenn die äußeren Umstände schwierig erscheinen. Sein Herz und seine Gedanken sind voll Freude und Friede!

Wenn Paulus schreibt: „bringt Eure Bitten mit Dank vor Gott“ dann meint er: Wir haben Grund zum Bitten. Nicht alles läuft so wie wir es gerne hätten. Wir dürfen um Veränderung unserer Situation bitten. Aber wichtig ist es, unseren Blick nicht auf uns und unsere Situation gerichtet zu lassen, sondern auf Gott hin auszurichten!

Dinge passieren – auf vieles haben wir keinen Einfluss. Aber wir haben sehr wohl darauf Einfluss, wie wir diese Dinge wahrnehmen und bewerten – und ob wir es zulassen, dass sie ins Zentrum unseres Lebens, Denkens und Fühlens rutschen dürfen oder nicht.

Paulus hat es uns vorgelebt – und ermutigt uns, dies ebenso zu sehen: Nicht sein Problem, nicht seine ausweglose Situation, nicht seine Person, nicht er selbst, stehen im Mittelpunkt.

Er stellt nicht die Frage: Warum bin ich im Gefängnis? Warum muss ich dieses und jenes erleiden? Er sieht und erkennt das Größere Ganze, auf das es wirklich ankommt: Der Herr ist nahe – und ich darf ihn erwarten!

Sein Glaube ist gegrĂĽndet auf der Gewissheit, Gemeinschaft mit seinem Gott zu erleben.

Dies ist der Grund, warum er fähig ist zu schreiben: Freut auch ihr Euch!

Am Ende des heutigen Lesungstextes schreibt Paulus:

„der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird Eure Herzen und Eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus bewahren!

Trotz allem was Paulus erlebt und erleidet schreibt er von einem Frieden, den Gott schenkt, der alles, was wir Menschen als logisch und vernunftgemäß beschreiben, übersteigt.

Und dieser Friede, den wir erleben dürfen, wird unsere Herzen und unsere Gedanken bewahren!“

Ich möchte Ihnen in der heutigen Predigt einen Mann vorstellen, der in unserer Zeit ähnliches erlebt hat wie Paulus.

Heute geht es um Justin Welby – vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen diesen Namen in den vergangenen Wochen ja in den Nachrichten gehört…

Justin Welby, 1956 geboren, kommt aus wohlhabendem englischem Hause. Seine Mutter ist in zweiter Ehe mit einem Baron verheiratet, Justin besuchte das berühmte Eton College und studierte in Cambridge. Nach seinem Abschluss arbeitete er über zehn Jahre in Paris und London als Finanzmanager in der Erdölindustrie, zuletzt bei Enterprise Oil, einer großen britischen Erdölförderungsgesellschaft, wo er für den gesamten Finanzbereich zuständig war.

Welby ist verheiratet, aus der Ehe gingen insgesamt sechs Kinder hervor.

Sie können erahnen: Justin Welby war ein Mann, dem offensichtlich viel mit auf den Weg gegeben wurde und dessen Leben ein Beispiel gelungener Lebensführung darstellt.

Und trotzdem kam dieses Leben in ErschĂĽtterung.

Bei einem Unfall starb seine erstgeborene Tochter Johanna im Alter von nur sieben Monaten.

Diese Tragödie brachte Justin Welby an die Grenze seines Vermögens: Er der alles erreicht hatte und der sich alles leisten kann, was man sich nur wünschen kann, ist nicht in der Lage, das Leben seiner eigenen Tochter zu retten.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte die Welt des Geldes und der Macht nicht verteufeln. Nicht alles an und in dieser Welt ist schlecht. Ich möchte auch nicht mit dem Finger auf die Finanz- und Wirtschaftswelt zeigen und sagen: Das dort sind die Bösen…

Die Gesellschaft in der wir leben ist so tief geprägt von diesem Denken und Handeln dieser Welt, in der Besitz, Macht und Einfluss wichtig sind, dass wir uns alle die Frage stellen können: Wie wäre es mir an Justin Welby’s Stelle ergangen – auch wenn ich nicht unbedingt Wirtschaftsboss in der Erdölindustrie bin…?

Justin Welby erlebte die Welt in der er lebte, trotz allem Komfort und allen Möglichkeiten, die sich ihm geboten haben, jedoch in seiner großen Not als eine Welt, die ihm keine Antworten geben konnte.

Beruflich habe ich viel mit Menschen aus anderen Ländern und Kontinenten zu tun. Mir fällt hier immer wieder auf, wie sehr wir, die wir in den westlichen Ländern leben, geprägt sind von dieser oberflächlichen materiellen Welt.

Wir haben (fast) alles: Ein sorgloses Leben, Versicherungen gegen alle Möglichkeiten, Versorgung und Absicherung… und wenn wir es nicht haben, dann überlegen wir schon, wie wir es bekommen könnten… Was fehlt uns eigentlich noch zum Leben?

Den meisten Menschen geht es so wie Justin Welby: sie stellen sich die Frage nach dem, der hinter allem steht, erst wenn sie durch Lebenskrisen oder an Lebensübergängen daraufgestoßen werden.

·       Was gibt meinem Leben wirklich Sinn?

·       Wo ist Gott in meinem Leben?

Erfolg und Ruhm sind die Sonnenseiten dieser Welt. Sie halten jedoch nur so lange, wie man funktioniert und mitmacht.

Gier, Einsamkeit und manches andere stellen die Schattenseiten dar.

Wer nicht funktioniert, wer versagt oder Fehlentscheidungen zu verantworten hat, ist schnell fallengelassen, vergessen und alleine.

Justin Welby erlebte diese angenehmen Seiten dieser Welt.

Macht, Geld, Einfluss und Besitz war er gewohnt – aber er kam an einen Punkt, an dem er erkennen musste, dass all diese Werte und Prädikate der Welt, in der er lebte und zuhause war, nichts wert waren in seiner Suche - und nicht helfen konnten.

Sie bedeuteten kurzfristige Befriedigung – aber sie konnten den Frieden im Herzen, von dem Paulus heute geschrieben hatte, nicht geben. Und sie konnten auch keine Antworten geben in der schweren Zeit, die nach dem Unfall folgte.

Justin Welby begann zu fragen und zu suchen… was kann meinem Leben halt geben?

Als Suchender endete er schließlich in einer Kirchenbank. Er beschloss, diesen Gott, von dem man sagte, dass er alles in seinen Händen halten würde, kennenzulernen.

Über einen Alpha-Kurs, dem derzeit gängigsten und erfolgreichsten Glaubensgrundkurs der christlichen Kirchen, fand er Antwort auf viele seiner Fragen und Frieden in seinem Herzen.

Erstaunlich dabei ist: Die Antwort auf die Frage, die am Anfang seines Suchens stand, nämlich die, warum seine Tochter sterben musste, hat Justin Welby bis heute nicht gefunden. Aber, so sagt er, er habe bemerkt, dass diese Antwort nicht mehr so wichtig ist, seitdem er angefangen habe, selbst zur Seite zu treten und Gott den Mittelpunkt seines Lebens werden zu lassen! Sein Blick auf viele Dinge habe sich verändert…

Welby hat erkennen dĂĽrfen, dass Gott in seine dunkle Stunden hineingekommen ist um ihm dort als der zu begegnen, der er ist: Der Gott der Liebe und der Barmherzigkeit. Der Gott, der die SĂĽnden vergeben kann und der real im Leben und im Alltag greifbar und erlebbar ist.

Der Tod seiner Tochter und das Unvermögen der Finanzwelt, die ihn umgab, haben Justin Welby dazu gebracht, sich selbst und seine Fragen in einem anderen Licht zu erkennen.

In seine düstere, traurige und kalte Welt hinein öffnet sich wie eine Türe die Gewissheit:

Gott ist mit mir – trotz allem.

Gott geht mit mir – durch alles hindurch.

Gott tröstet mich – und schenkt mir ein neues Leben.

Und Justin Welby?

Die Suche nach Gott brachte ihn dazu, nochmal an die Universität zu gehen und ein zweites Mal zu studieren.

Nach einem erfolgreichen Theologieabschluss wurde er in der anglikanischen Kirche zum Diakon und später zum Priester geweiht.

Er hatte ein Geschick für die Anliegen der Menschen, mit denen er arbeitete: In den Gemeinden, für die er zuständig wurde, nahm der Gottesdienstbesuch so drastisch zu, dass man in der Kirchenleitung auf ihn aufmerksam wurde.

2011 wurde er zum Bischof von Durham ernannt. Dieses Amt konnte er jedoch nicht lange ausüben, vor wenigen Wochen wurde Justin Welby zum Erzbischof von Canterburry gewählt, also dem ranghöchsten Bischof der Church of England, die wir als Anglikanische Kirche kennen.

Lassen Sie mich noch einmal Paulus zu Wort kommen:

„Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt… „

Durch seine Gottesbegegnung in tiefer Not und Trauer, gepaart mit der Tatsache, dass die Welt der Macht und des Geldes ihm nicht weiterhelfen konnte in seinem Suchen, fand Justin Welby diesen Frieden Gottes.

Menschlich erklärbar ist das nicht – es übersteigt das menschliche Verstehen.

Dort, wo wir Gott nicht mehr sehen und spĂĽren,

dort, wo alles kalt, leer und einsam erscheint,

da hat Justin Welby Gott gefunden.

Oder lassen Sie es mich besser so sagen: Dort hat Gott Justin Welby gefunden.

Ich wünsche Ihnen und Euch allen eine restliche Adventszeit, in der wir alle aus tiefstem Herzen sagen können: Freut Euch – Der Herr ist nahe!

Advent ist die Zeit der Vorbereitung auf das Kommen des Herrn.

Wir werden hier in den Gottesdiensten dieses Kommen Jesu feiern.

In unseren Kirchen werden die Krippen aufgestellt, in denen Jesus Christus Platz nehmen wird.

Ich wünsche Ihnen allen, dass in diesem Jahr dieser Jesus auch in Ihrem Leben ankommen wird und Platz nimmt – und dass er seinen Frieden in Ihre ganz persönliche Situation mit hinein bringt, so dass wir alle sagen können:

„Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, hat unsere Herzen und Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahrt!“.

Amen.

© Ch. Hemberger

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.