Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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3. Advent: Ezechiel

Lesung: Ez 34, 23-31

Ich setze für sie einen einzigen Hirten ein, der sie auf die Weide führt, meinen Knecht David. Er wird sie weiden und er wird ihr Hirt sein.
Ich selbst, der Herr, werde ihr Gott sein und mein Knecht David wird in ihrer Mitte der Fürst sein. Ich, der Herr, habe gesprochen.
Ich schließe mit ihnen einen Friedensbund: Ich rotte die wilden Tiere im Land aus. Dann kann man in der Steppe sicher wohnen und in den Wäldern schlafen.
Ich werde sie und die Umgebung meines Berges segnen. Ich schicke Regen zur rechten Zeit und der Regen wird Segen bringen.
Die Bäume des Feldes werden ihre Früchte tragen und das Land wird seinen Ertrag geben. Sie werden auf ihrem Grund und Boden sicher sein. Wenn ich die Stangen ihres Jochs zerbreche und sie der Gewalt derer entreiße, von denen sie versklavt wurden, werden sie erkennen, dass ich der Herr bin.
Sie werden nicht länger eine Beute der Völker sein, von den wilden Tieren werden sie nicht gefressen. Sie werden in Sicherheit wohnen und niemand wird sie erschrecken.
Ich pflanze ihnen einen Garten des Heils. Sie werden in ihrem Land nicht mehr vom Hunger dahingerafft werden und die Schmähungen der Völker müssen sie nicht mehr ertragen.
Sie werden erkennen, dass ich, der Herr, ihr Gott, mit ihnen bin und dass sie, das Haus Israel, mein Volk sind - Spruch Gottes, des Herrn.
Ihr seid meine Schafe, ihr seid die Herde meiner Weide. Ich bin euer Gott - Spruch Gottes, des Herrn.

 

Evangelium: Joh 4, 1-26

Jesus erfuhr, dass die Pharisäer gehört hatten, er gewinne und taufe mehr Jünger als Johannes - allerdings taufte nicht Jesus selbst, sondern seine Jünger -; daraufhin verließ er Judäa und ging wieder nach Galiläa.
Er musste aber den Weg durch Samarien nehmen.
So kam er zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte.
Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde.
Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken! Seine Jünger waren nämlich in den Ort gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen.
Die samaritische Frau sagte zu ihm: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.
Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.
Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser?
Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?
Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.
Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.
Er sagte zu ihr: Geh, ruf deinen Mann und komm wieder her!
Die Frau antwortete: Ich habe keinen Mann. Jesus sagte zu ihr: Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann.
Denn fünf Männer hast du gehabt und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt.
Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss.
Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.
Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden.
Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden.
Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Die Frau sagte zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, das ist: der Gesalbte (Christus). Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.
Da sagte Jesus zu ihr: Ich bin es, ich, der mit dir spricht.

 

Predigt

Liebe Gemeinde!

Vermutlich lesen nicht alle von Ihnen regelmäßig das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“,
aber ich nehme einmal an, dass Sie alle Thomas Gottschalk kennen:

„Wetten….dass?!“- Moderator, 61 Jahre alt – und am vergangenen Wochenende hat er sich in Friedrichshafen von seinem Publikum mit seiner letzten Sendung verabschiedet.

Am 21. November diesen Jahres hat „Der Spiegel“ in seiner 47. Ausgabe ein Interview mit Thomas Gottschalk abgedruckt, in dem der Fernsehmoderator von seiner Beziehung zu Gott erzählt, von seinen religiösen Erfahrungen als Kind – aber auch von bitteren Augenblicken in seinem Leben, in denen er sich ganz bewusst mit der Frage beschäftigt hat, wer Gott für ihn ist.

Und jetzt hören Sie Thomas Gottschalk selber:

 â€žâ€¦ich glaube sehr wohl, dass dort oben einer mein Leben lenkt. Ich bin immer in jede Ecke gegangen, in die ich wollte – manchmal auch in eine dunklere, in die er mich sicherlich nicht geschickt hätte. Aber auch da habe ich Gott nicht verloren und ich habe auch nie den Eindruck gehabt, dass er mich dort vergessen hätte.

…

Natürlich stelle ich mir viele Fragen, nachdem ich gesehen habe, wie ein Mensch aus nichtigstem Anlass – um eine Wette zu gewinnen – aus der Bahn seines Lebens geworfen ist. Beeindruckend ist für mich die Reaktion von Samuel und seiner Familie. Die haben eine große Frömmigkeit und einen festen Glauben. Schon am Tag nach dem Unfall habe ich in der Frühe mit der Familie im Hotelzimmer ein Vaterunser gebetet. Das hat uns eine gemeinsame Ebene gegeben: ihnen in ihrer Verzweiflung, mir in meiner Ratlosigkeit. Da war plötzlich eine Nähe da – auch eine Form von Geborgenheit. Später habe ich auch mit Samuel gebetet. …

Natürlich können wir jetzt stundenlang über die Ungerechtigkeit und das Leid in der Welt reden, über das Theodizee-Problem und darüber, ob Glaubenskritiker…nicht die besseren Argumente haben.

Ich halte mich an den Theologen Hans Küng und stehe zu meinem – wie er es ausdrückt – „in der Vernunft begründeten Vertrauen in einen allmächtigen Gott.“

( aus: Der Spiegel, Nr. 47; November 2011)

Unserem Gott alles zutrauen – egal, was im Leben kommt – glauben, trotz allem – und dabei sicher sein, dass ein solcher Glaube vernünftig ist und sinnvoll und den Argumenten stand halten kann, die gegen die Existenz unseres Gottes vorgebracht werden.

Ich bin mir sicher:

Es ist eine lebenslange Herausforderung für alle, die glauben, ein solches Gott-Vertrauen – mit dem Thomas Gottschalk ganz offensichtlich durch sein Leben geht – in unseren Herzen wachsen zu lassen. Wenn wir unserem Gott aber immer mehr zutrauen – trotz allem -  dann ist tatsächlich in jedem und in jeder von uns Gott im Werden – und das ein Leben lang.

Das hat auch schon das Volk Israel so erlebt – all die Männer und Frauen, die vor über 2000 Jahren und noch früher an unseren Gott geglaubt haben.

Auch sie haben damals schon Antworten finden wollen auf die Frage:

„An was für einen Gott glauben wir?“

Und: „Ist unser Gott wirklich allmächtig?“

Die Wurzeln für unseren christlichen Gottes-Glauben liegen im Vertrauen des Volkes Israel zu ihrem Gott Jahwe. Aber auch ihr Gott-Vertrauen ist gewachsen, auch sie haben ihr Bild von unserem Gott im Laufe ihrer Geschichte immer wieder korrigieren müssen, auch sie haben unseren Gott als einen Gott im Werden erfahren.

Und die Exilszeit in Babylon ist dabei eine ganz entscheidende und eine ganz richtungsweisende Erfahrung der Israeliten mit ihrem Gott gewesen.

Deshalb entführe ich Sie alle jetzt in diese Zeit um das babylonische Exil, also ins 7. Jahrhundert vor Christus:

In Palästina ist die glorreiche Zeit der Könige David und Salomo längst vorbei. Das Reich der Israeliten ist inzwischen zuerst in ein Nord- und in ein Südreich zerfallen und später ist das Nordreich  dann im Kampf mit den Assyrern ganz untergegangen.

Auch das Südreich wird vom König von Assur beherrscht und der von ihm abhängige König der Israeliten  zahlt regelmäßig hohe Abgaben an ihn.

Im Jerusalemer Tempel wird schon lange nicht mehr nur Jahwe allein angebetet – sondern auch die heidnischen Götter der Assyrer.

Können Menschen jemals sicher sein, dass unser Gott der einzig allmächtige, der einzig anbetungswürdige ist?

Und dann kommt 640 v.Chr. König Joschija  auf den Thron im Land der Israeliten. Und weil die Assyrer in dieser Zeit in kriegerische Auseinandersetzungen mit Babylon verwickelt werden, nützt Joschija das Machtvakuum in Palästina aus und lässt mutig Land und Tempel von den heidnischen Wahrzeichen und Göttern befreien.

In dieser Zeit wird Ezechiel geboren:

Sohn eines Priesters – aufgewachsen in Jerusalem.

Als junger Mann erlebt Ezechiel die Zeit König Joschijas als Aufbruchstimmung im Land mit – als Neu-Entdeckung des freimachenden Glaubens an Jahwe.

Die weltpolitischen Ereignisse allerdings überschlagen sich dann innerhalb kürzester Zeit:

Im Kampf gegen die Ägypter stirbt König Joschija und nach längerer Belagerungszeit durch die babylonischen Krieger wird Jerusalem im Jahre 597 v.Chr. zum ersten Mal erobert.

Jojachin, der 18-jährige König der Israeliten, ergibt sich nach nur 3-monatiger Amtszeit  den Babyloniern und wird mit seinen Angehörigen und mit großen Teilen der Oberschicht des Volkes nach Babel deportiert. So beginnt das babylonische Exil für das Volk Israel, das insgesamt um die 60 Jahre gedauert hat.

Mit Jojachin, dem König, wird auch Ezechiel und seine Frau nach Babylon gebracht. Er ist in der Zwischenzeit Priester im Tempel von Jerusalem geworden und ein angesehener Mann.

Im Jahre 586 v.Chr. erobert dann der babylonische König Nebukadnezar nach erneutem Aufstand der zurückgebliebenen Israeliten Jerusalem zum zweiten Mal und macht die Stadt und den Tempel dem Erdboden gleich. Wieder werden die Mächtigen im Land nach Babylon ins Exil gebracht – und jetzt ist das endgültige Ende des Königtums in Israel gekommen.

Die Verbannten im babylonischen Exil werden gut behandelt – solange sie den babylonischen Herrschern keinen Widerstand leisten:

Sie führen ein relativ selbständiges Leben – in kleinen, extra für sie errichteten Siedlungen. Sie dürfen Häuser bauen und Handel treiben in diesem fruchtbaren und reichen Land an den Ufern der Ströme Babylons. Da geht es den zurückgebliebenen Israeliten in ihrer zerstörten Heimat viel schlechter!

Die eigentliche Not, in der das verbannte Volk Israel leben musste, ist nicht zuallererst eine materielle, sondern eine religiöse Not gewesen.

Das Joch, das die Frauen und Männer im Exil am meisten niedergedrückt hat, war ihre verzweifelte Frage:

„Können wir unserem Gott nach all den bitteren Erfahrungen in der Vergangenheit und jetzt im Exil noch vertrauen? – Ist Jahwe noch der Gott an unserer Seite und allmächtig, oder sollten wir lieber Marduk verehren, den Gott der Babylonier, der sein Volk zu solchem Reichtum geführt hat?“

Die 3 tragenden Stützen, die dem Jahwe-Glauben im Volk Israel über Jahrhunderte hinweg Halt und Orientierung gegeben haben, sind zerstört:

Das Land Palästina, als  Geschenk Gottes an sein Volk im Exodus, der Tempel, als Ort der Bundeslade und der Verehrung Gottes – und schließlich ihr Königtum, das doch auf Jahwe gegründet ist und ewig dauern sollte!

Die Israeliten haben alles verloren, was sie bis dahin mit ihrem Gott verbunden hat. Und statt dessen: Scheitern! Verzweiflung! Tiefste Gotteskrise!

Zum Glück gibt es in einer solchen Tragik Menschen wie Ezechiel – geist-volle Führungspersönlichkeiten, von Gott gesandte Männer und Frauen, die eine so ausweglos scheinende Situation zu deuten vermögen.

Für das Volk Israel ist Ezechiel zum wirklichen Propheten des Exils geworden.

Vorher, in der Lesung, haben Sie, liebe Gemeinde, gehört, was Ezechiel Gott über sein Volk sagen lässt:

„Wenn ich die Stangen ihres Jochs zerbreche und sie der Gewalt derer entreiße, von denen sie versklavt wurden, werden sie erkennen, dass ich der Herr bin.“
(Ez 34, 27)

 

Ezechiel malt den verzweifelten Israeliten seine Bilder der Hoffnung. Er bringt Licht in die dunkelste Ecke der Geschichte des Volkes Israel und verkündet seinem Volk eine glückliche Zukunft - als Geschenk Jahwes.

 

Ezechiel richtet sein Volk auf, als die Katastrophe da ist, nachdem er die Israeliten zuvor in langen Versen ermahnt und beschwört hatte, nicht den heidnischen Göttern der anderen Völker mehr zu vertrauen als Jahwe.

Wenn Menschen an unserem Gott verzweifeln, weil sie an ihrem eigenen Schicksal fast zerbrechen, dann braucht es Frauen und Männer mit einem so unerschütterlichen Gott-Vertrauen, wie das wohl Ezechiel gewesen ist.

Wenn die Mächtigen und alle, die das Sagen haben, das Volk in die Irre führen – ins politische oder ins religiöse Exil – dann braucht es Gotteskünder und Gotteskünderinnen die neue Wege aufzeigen im Vertrauen zu unserem Gott.

Wenn Männer und Frauen an die Allmacht unseres Gottes nicht mehr glauben können, weil so viele Menschen in unserer Zeit unter einem Joch leben müssen, dann braucht es Prophetinnen und Propheten unserer Zeit  -  ohne fertige Antworten und ohne fromme Sprüche, aber dafür mit dem festen Glauben, dass unser Gott ist – und dass sich die Bilder, die wir Menschen uns von ihm machen, ein Leben lang wandeln müssen. Gott ist  zeitlebens für uns alle: ein Gott im Werden!

Liebe Gemeinde!

Ich kann nicht wissen, wie Ihr ganz persönliches Vertrauen in unseren allmächtigen Gott wachsen kann.

Aber vielleicht hilft Ihnen dabei der Stammbaum Jesu – dieses große Gedicht über die vielen  kleinen  Menschenleben!

Matthäus will uns mit diesem Stammbaum auf die Idee bringen, dass unser Gott ganz besonders an der Seite der Menschen ist, die wenig geachtet sind oder gescheitert. Sie haben heute die beiden Könige Joschija und Jojachin kennengelernt – beides tragische Gestalten der Geschichte: ihre Lebensentwürfe sind jeweils gescheitert!

Mehrere solcher Frauen und Männer finden sich im Stammbaum – und Matthäus sieht gerade ihr Leben als Augenblicke in der Geschichte, in denen Gott sich unserer Welt zeigt.

Und der Stammbaum führt dann ja schließlich hin zu einem ganz herausragenden Mann der Menschheitsgeschichte: zu Jesus von Nazareth!

Und bei ihm begegnet uns diese Botschaft wieder: sein ganzes Leben lang –

und auch  im heutigen Evangelium:

Gott  schenkt seine Nähe ganz besonders den Verurteilten, den Geächteten – und diese göttliche Nähe ist wie eine sprudelnde Quelle, die Menschen neu zum Leben bringt!

Ich wünsche Ihnen, dass ein solches Vertrauen zu unserem allmächtigen Gott und zu seiner lebenssprudelnden Kraft in Ihren Herzen wachsen kann.

Und vielleicht beten Sie ja auch einmal  â€“ ganz im Sinne von Thomas Gottschalk –  in alle Verzweiflung hinein ein Vaterunser.

Und dann sehen Sie einfach mal, was passiert…..

Amen.

© A. Böhm, 2011

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.