Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

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2. Advent: David

Lesung: aus 1 Samuel 16

Der Herr sagte zu Samuel: Fülle dein Horn mit Öl und mach dich auf den Weg! Ich schicke dich zu dem Betlehemiter Isai; denn ich habe mir einen von seinen Söhnen als König ausersehen.
Samuel erwiderte: Wie kann ich da hingehen? Saul wird es erfahren und mich umbringen. Der Herr sagte: Nimm ein junges Rind mit und sag: Ich bin gekommen, um dem Herrn ein Schlachtopfer darzubringen.
Lade Isai zum Opfer ein! Ich selbst werde dich dann erkennen lassen, was du tun sollst: Du sollst mir nur den salben, den ich dir nennen werde.
Samuel tat, was der Herr befohlen hatte. Als er nach Betlehem kam, heiligte er Isai und seine Söhne und lud sie zum Opfer ein.
Als sie kamen und er den Eliab sah, dachte er: Gewiss steht nun vor dem Herrn sein Gesalbter.
Der Herr aber sagte zu Samuel: Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt, denn ich habe ihn verworfen; Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.
So ließ Isai sieben seiner Söhne vor Samuel treten, aber Samuel sagte zu Isai: Diese hat der Herr nicht erwählt.
Und er fragte Isai: Sind das alle deine Söhne? Er antwortete: Der jüngste fehlt noch, aber der hütet gerade die Schafe. Samuel sagte zu Isai: Schick jemand hin und lass ihn holen; wir wollen uns nicht zum Mahl hinsetzen, bevor er hergekommen ist.
Isai schickte also jemand hin und ließ ihn kommen.
Da sagte der Herr: Auf, salbe ihn! Denn er ist es.
Samuel nahm das Horn mit dem Öl und salbte David mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an. Samuel aber brach auf und kehrte nach Rama zurück.

 

Evangelium: Markus 4, 30-32

Jesus sagte: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben?
Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät.
Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.

 

Predigt

Liebe Gemeinde,

„Gott im Werden“  - so lautet das Motto unserer diesjährigen Predigtreihe.
Wir befassen uns mit dem Stammbaum Jesu, wie er am Anfang des Matthäusevangeliums steht.
Am letzten Sonntag haben wir eine eher unbekannte Gestalt aus den ersten Generationen kennen gelernt: die Dirne Rahab.
Sie hat zur Zeit der Landnahme Israels die Kundschafter des Mose bei sich in Jericho versteckt.
Bei Matthäus steht:
Salmon war der Vater von Boas; dessen Mutter war Rahab.
Boas war der Vater von Obed; dessen Mutter war Rut.
Obed war der Vater von Isai, Isai der Vater des Königs David.
David war der Vater von Salomo, dessen Mutter die Frau des Urija war.

Heute nun steht die Zeit des Königtums in Israel, so etwa um das Jahr 1000 v. Chr., im Mittelpunkt und mit ihr ein Mann, den Sie vielleicht schon als Figur erkannt haben: David.

Besonders Kinder sind immer wieder fasziniert von der Geschichte, wie David mit einer Steinschleuder den riesigen Philister Goliath besiegt.

Aber nicht nur Heldengeschichten zeichnen David aus – in der Bibel finden wir unter den 150 Psalmen, den vertonten Gebeten,  allein 35 mit der Bezeichnung „Ein Psalm Davids“ – und im Buch Samuel wird erzählt, wie David mit seiner Harfe den erregten König Saul besänftigte.

Nach dem Tod ebendiesen Königs sowie seiner Söhne wurde David als sein Nachfolger mächtig und berühmt. Er einte das Nord- und das Südreich, er brachte die Bundeslade, die Truhe mit den Tafeln der 10 Gebote, unter dem Jubel des Volkes nach Jerusalem.

So scheint es nicht verwunderlich, dass in der Bibel im Alten oder Ersten Testament wie auch im Neuen auf die Abstammung von diesem „wundervollen“ David verwiesen wird: Im Advent prophezeit uns Jesaja den „Baumstumpf Isais“, aus dem ein Spross treiben wird – worauf sich übrigens auch das altbekannte Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“ bezieht – „von Jesse kam die Art“ – Jesse, damit ist Isai gemeint, der Vater Davids.

Und in der Weihnachtsgeschichte bei Lukas hören wir jedes Jahr, dass Josef mit Maria nach Bethlehem reisen musste, denn er war „aus dem Hause und Geschlechte Davids“.

David: Ein kühner Krieger, ein musikalischer Poet, ein strahlender König – „so einer“ macht sich natürlich gut in einem Stammbaum.

Aber war wirklich alles immer so gut und gelungen in Davids Leben?

Wer war eigentlich dieser David?

David war nach Saul der zweite König des Volkes Israel.
Israel war nach dem Auszug aus Ägypten und der Landnahme zunächst nicht viel mehr als ein lockerer Verband von Volksstämmen, die eines einte: die gemeinsame Verehrung des Gottes Jahwe.
In Gefahrensituationen, zum Beispiel bei kriegerischen Auseinandersetzungen, erhoben sich immer wieder einzelne Führungspersönlichkeiten, Richter oder Propheten, die die akute Bedrohung abwenden konnten – eine Notwenigkeit für eine Zusammenfassung aller Volksstämme zu einem Nationalstaat bestand aber noch nicht.
Außerdem war es den Stämmen anfangs wichtig, zu betonen, was Gideon im Buch der Richter folgendermaßen formuliert: „Ich werde nicht über euch herrschen, auch mein Sohn wird nicht über euch herrschen, Jahwe wird über euch herrschen“ – hieraus entnehmen wir eine regelrechte Scheu, außer Gott auch einen weltlichen Herrscher zu haben.

Auf Dauer ließ sich diese Einstellung für die Israeliten aber nicht durchhalten.
Einzelne Bedrohungen konnten abgewendet werden, eine dauerhafte, also chronische Bedrohung aber nicht.
Und diese ging von den eingangs erwähnten Philistern aus. Nachdem die Macht des Großreiches Ägyptens immer mehr auf das Nilland zurücksank, dehnten sich die Philister immer weiter aus, sie expandierten in Richtung Jerusalem, und mit ihrem Söldnerheer waren sie wohl den Israeliten überlegen.
Mit ihnen fertig zu werden war nur möglich, wenn Israel eine einheitliche, dauernde Führung erhielt. Israel brauchte eine feste Institution und eine dauerhafte militärische Befehlsgewalt.

„Wir wollen einen König!“ forderten die Israeliten, hatten sich doch das Beispiel der Nachbarvölker und ihren monarchischen Herrschern vor Augen.

So kam es zur Ausrufung des ersten Königs – Saul –; zunächst vor allem, um die außenpolitische Bedrohung abzuwenden.
Dieses Königtum hatte noch keine große innenpolitische Bedeutung und dementsprechend auch keinen Staats- und Verwaltungsapparat; das war einfach nicht nötig.

Dies mag aber auch mit ein Grund dafür gewesen sein, dass das neu gegründete Reich nach dem außenpolitischen Erfolg Sauls langsam wieder zu zerfallen begann.
Die akute Gefahr war vorüber, wozu brauchte es also noch einen Heereskönig?

Der Niedergang war aber wohl auch in der Persönlichkeit Sauls selbst begründet; dessen Gemütsschwankungen, dessen persönlicher Verfall trugen sicher dazu bei, dass die anfängliche Faszination an seiner Person abnahm.

Und hier tritt nun David auf, David, der, wie wir heute in der Lesung gehört haben, bereits als Knabe erwählt und zum König gesalbt wurde.
Als junger Mann an den Hof Sauls berufen, besänftigte er ihn zum einen durch sein Harfenspiel – heute würde man sagen, er war sein Musiktherapeut.
Zum anderen aber zeichnete er sich schon früh durch militärische Fähigkeiten aus, wie sein Sieg über Goliath geradezu exemplarisch darstellt.

Also: mit dem rechten Mann an der Spitze ist nun alles wieder in Ordnung, so könnte man sagen.

Und doch: haben Sie die heutige Lesung noch genau im Kopf?
Bei der ganzen „Erfolgsgeschichte“ des David vergisst man schnell, wie sie eigentlich begann: als der Prophet Samuel nach Bethlehem kommt, um auf Gottes Geheiß den künftigen König zu salben, erwartet er, einen stattlichen Mann vorgestellt zu bekommen.
Doch unter den zahlreichen Söhnen Isais, allesamt prächtigen Mannsbildern , findet er nicht, was er sucht.
Und Gott selbst gibt ihm den entscheidenden Hinweis:
„Gott sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht.
Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.“
So wird David auserwählt, der Jüngste, der Hirtenbub.

Gott sieht nicht auf das Äußere.  Gerade das Kleine und Unscheinbare hat er erwählt – und es wird groß, groß-artig.
Ein –man könnte sagen- „Wesenszug“ Gottes, gerade nicht das Prächtige und Mächtige noch prächtiger und mächtiger zu machen, sondern das Kleine, Unscheinbare in den Blick zu nehmen.
Beispiele dafür finden wir genug in der Bibel, wie auch im heutigen Evangelium, dem Gleichnis vom Senfkorn.
Und wenn wir den Blick auf Advent und Weihnachten richten:
„Aus der kleinen Stadt Bethlehem geht Großes hervor“ – so sagt der Prophet Micha.
„Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ – so singt Maria.
Ein Kind in einer Futterkrippe wird der Herr der Welt.

Wenn Gott uns Menschen erscheint, so kann dies durchaus mit Macht und Herrlichkeit geschehen – wenn er sich aber uns Menschen ganz hingibt, ganz „Mensch wird“, wird er unscheinbar und klein.

Zurück zu David:
Ein guter Anfang ist also gemacht.
Und bei allem Ruhm und bei den Erfolgen von David könnte man fast vergessen, dass es auch dann nicht einfach problemlos weiter ging.
Aber, wenn wir den Stammbaum aufmerksam verfolgen, entdecken wir, dass es keineswegs alles so glatt läuft.

Nach der anfänglichen Begeisterung über den jungen David wurde Saul recht bald eifersüchtig auf dessen Erfolge.
Misstrauisch beäugte er dessen Werdegang, gequält von der Frage, ob David ihm nach dem Thron neide.
David sah sich von Ränkeschmieden umgeben, die ihn zu Fall bringen wollten; König Saul trachtete ihm sogar nach dem Leben.
Gott aber hielt seine Hand schützend über David; er begleitete seinen Lebensweg.

Nun kann einem das für Situationen, wo jemand ungerechtfertigt in Leid und Not gerät, gut verständlich, ja geradezu angemessen erscheinen, dass Gott hier hilft.
Wenn Saul dem lieben, guten David Böses will, so wundert sich wohl niemand, dass Gott David zur Seite steht.

Aber da ist noch eine ganz andere Geschichte im Spiel:
Erinnern Sie sich an den Stammbaum:„David war der Vater von Salomo, dessen Mutter die Frau des Urija war“ – so setzt sich der Stammbaum nach David fort.

Eigentlich war David mit Michal verheiratet, einer Tochter Sauls, und sie hatten bereits etliche Kinder.

Da erblickte er eines Tages Batseba, die Frau des Hetiters Urija; dieser war einer seiner Krieger.
Batseba gefiel David so sehr, dass er sie zu sich in den Palast bringen ließ. Und wie es so ging – sie wurde schwanger.
Als David dies erfahren hatte, ließ er ihren Mann – Urija – in der nächsten Schlacht bewusst ganz nach vorne stellen, an die Frontlinie, in der Hoffnung, dass dieser dort getroffen werde und den Tod finde. Und genau dieser Fall trat ein – Urija fiel im Kampf.

Was für eine Hinterlist! Was für eine ungeheuerliche Tat!

Und doch: Gott strafte zwar David für dieses schändliche Verbrechen. Trotzdem hielt Gott weiter zu David und seiner Familie. Batseba lebte fortan im Palast, und der gemeinsame Sohn Salomo wurde der nächste König.

„Gott steht zu seinem Erwählten“ – oder „Gott geht alle Wege mit“, so könnte man über die Lebensgeschichte Davids schreiben.
Er erwählt, wie gesagt, nicht von vorneherein das Mächtige und Prächtige, sondern das Kleine und Unscheinbare.
Und er steht zu seinem Erwählten – auch wenn dieser „krumme Wege geht“.
Auch für "so einen" ist Platz im Stammbaum.

So durfte es David erfahren.

Diese Erfahrung zieht sich auch durch die gesamte Geschichte des Volkes Israel: Gott begleitet sein erwähltes Volk.

Und dies dürfen auch wir erfahren:
In der Taufe werden auch wir gesalbt – wir sind ein auserwähltes Geschlecht, ein Königskind, auserwählt von Gott.

Nicht, weil wir mächtig und prächtig sind, sondern weil Gott uns liebt – mit all unseren Fehlern und Schwächen.
Und auch wenn unser Lebensweg nicht immer geradlinig verläuft: wir dürfen darauf vertrauen: Gott steht zu uns, er begleitet uns.

Amen.

 

 Â© B. Vallendor, 2011

 

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