Katholische Seelsorgeeinheit Ravensburg West

Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit
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3. Advent: "Riechen"

Lesung: Jesaja 35, 1-6a.10

Die Wüste und das trockene Land sollen sich freuen, die Steppe soll jubeln und blühen.
Sie soll prächtig blühen wie eine Lilie, jubeln soll sie, jubeln und jauchzen. Die Herrlichkeit des Libanon wird ihr geschenkt, die Pracht des Karmel und der Ebene Scharon. Man wird die Herrlichkeit des Herrn sehen, die Pracht unseres Gottes.
Macht die erschlafften Hände wieder stark und die wankenden Knie wieder fest!
Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! Die Rache Gottes wird kommen und seine Vergeltung; er selbst wird kommen und euch erretten.
Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen.
Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf.
Die vom Herrn Befreiten kehren zurück und kommen voll Jubel nach Zion. Ewige Freude ruht auf ihren Häuptern. Wonne und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen. (Einheitsübersetzung)

 

Evangelium: Lukas 7, 36-50

Jesus ging in das Haus eines Pharisäers, der ihn zum Essen eingeladen hatte, und legte sich zu Tisch.
Als nun eine Sünderin, die in der Stadt lebte, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers bei Tisch war, kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl und trat von hinten an ihn heran. Dabei weinte sie und ihre Tränen fielen auf seine Füße. Sie trocknete seine Füße mit ihrem Haar, küsste sie und salbte sie mit dem Öl.
Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, dachte er: Wenn er wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, von der er sich berühren lässt; er wüsste, dass sie eine Sünderin ist.
Da wandte sich Jesus an ihn und sagte: Simon, ich möchte dir etwas sagen. Er erwiderte: Sprich, Meister!
(Jesus sagte:) Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine war ihm fünfhundert Denare schuldig, der andere fünfzig. Als sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten, erließ er sie beiden. Wer von ihnen wird ihn nun mehr lieben?
Simon antwortete: Ich nehme an, der, dem er mehr erlassen hat. Jesus sagte zu ihm: Du hast recht.
Dann wandte er sich der Frau zu und sagte zu Simon: Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser zum Waschen der Füße gegeben; sie aber hat ihre Tränen über meinen Füßen vergossen und sie mit ihrem Haar abgetrocknet.
Du hast mir (zur Begrüßung) keinen Kuss gegeben; sie aber hat mir, seit ich hier bin, unaufhörlich die Füße geküsst.
Du hast mir nicht das Haar mit Öl gesalbt; sie aber hat mir mit ihrem wohlriechenden Öl die Füße gesalbt.
Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.
Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben.
Da dachten die anderen Gäste: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?
Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! (Einheitsübersetzung)

 

Predigt:

Haben Sie es gleich wahrgenommen, als Sie heute die Kirche betreten haben?
….“es liegt was in der Luft, ein ganz besondrer Duft“ – viele von Ihnen werden diesen alten Schlager noch kennen.

Liebe Gemeinde,

kaum einem unserer Sinne wird so wenig Beachtung geschenkt wie dem Geruchssinn, dem Riechen, um den es sich heute am 3. Advent dreht. Wer schlecht sehen oder hören kann, dem fällt diese Sinnesbeeinträchtigung auf, der sucht baldmöglichst nach geeigneten Hilfsmitteln.
Aber der Geruchssinn? Wetterbedingt sind vielleicht einige unter Ihnen, die gerade mit einem Schnupfen zu kämpfen haben, die deswegen schlecht oder gar nicht riechen können. Und da merkt man erst die Auswirkungen, wenn der Geruchssinn fehlt: dieser Sinn ist gekoppelt mit einem weiteren Sinn, dem Geschmackssinn. Fällt der Geruchssinn aus, ist es auch mit dem Geschmackssinn nicht mehr weit her – alles Essen schmeckt irgendwie wie Pappkarton.

Was ungefähr 2 mal 5 cm² an Schleimhaut doch für Auswirkungen haben! Ich habe extra nachgelesen: in der Riechschleimhaut des Menschen im Dach der oberen Nasenhöhle befinden sich 10–30 Millionen Riechzellen. Nur zum Vergleich: Ein Hund hat etwa 250 Millionen Riechzellen – aber Hunden wird ja auch nicht umsonst eine besonders gute Spürnase nachgesagt.
Doch auch unsere 10-30 Millionen Riechzellen haben einen immensen Einfluss auf uns – sicher größtenteils auch unbewusst beziehungsweise im Unterbewusstsein. Denken wir nur einmal an Sprichwörter wie „den kann ich nicht riechen“ – warum eigentlich? Was stört mich denn so sehr an ihm? Es wird sicher in den seltensten Fällen an mangelndem Deodorant des so Bezeichneten liegen! Aber können wir immer gleich in Worte fassen, was uns an unserem Gegenüber „stinkt“? Wissenschaftler haben herausgefunden, dass unser Geruchssinn sehr eng mit unserem unbewussten, so genannten vegetativen Nervensystem verbunden ist – was wir eigentlich immer schon gewusst haben: Nicht umsonst läuft uns allein beim Geruch eines leckeren Essens das Wasser im Mund zusammen.
Gerade jetzt in der Adventszeit spüre ich ganz deutlich, was der Geruchssinn bedeutet. Jedes Kind weiß etwas zu sagen auf die Frage: Wie riecht Advent? Advent riecht ja eigentlich gar nicht. Und doch kommen da schnell und spontan Antworten wie „nach Lebkuchen“, „nach Tannenzweigen“ oder ähnliches. Und geht es uns allen nicht genau so? Mit diesem Adventsgeruch verbinden auch wir etwas – eine Erinnerung, vielleicht an glückliche Adventszeiten in der Kindheit – und schon eilen die Gedanken weiter, zum Adventskranz, zum Backen, vielleicht schon zum Heiligen Abend.
Es sind gute Gedanken, schöne Gedanken, die da als Assoziationen aufsteigen.
Freilich hat sich diese Zusammenhänge inzwischen auch die Werbebranche zunutze gemacht. Wo früher nur ein Lautsprecher mit entsprechender Musik die Kunden in Kauflaune versetzen sollte, sorgen heute Beduftungsanlagen mit den entsprechenden Aromen dafür, dass wir Lust bekommen auf das entsprechende Produkt und es kaufen. Und das funktioniert übrigens nicht nur bei Lebensmitteln – Sie können tatsächlich ein Autoparfüm „New Car“ – „Neues Auto“ bestellen, damit Ihr Gebrauchter wieder wie ein Neuer riecht!

Auch im heutigen Evangelium spielt der Geruchssinn, genauer gesagt, ein –bestimmter- Duft eine Rolle:

Wir haben gehört:
Jesus ging in das Haus eines Pharisäers, der ihn zum Essen eingeladen hatte, und legte sich zu Tisch.
Als nun eine Sünderin, die in der Stadt lebte, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers bei Tisch war, kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl und trat von hinten an ihn heran. Dabei weinte sie und ihre Tränen fielen auf seine Füße. Sie trocknete seine Füße mit ihrem Haar, küsste sie und salbte sie mit dem Öl.

Und damit war der Skandal perfekt! Einfach unmöglich – da tritt doch tatsächlich eine Frau an Jesus heran. Eine Frau, die alle kennen, aber mit der niemand offiziell bekannt sein möchte. Geht sie doch höchstwahrscheinlich einem Gewerbe nach, das zwar gerne in Anspruch genommen wird, aber doch bitteschön mit der notwenigen Diskretion behandelt werden soll.
Galten Frauen zur Zeit Jesu schon als Geschöpfe zweiter Ordnung, dann „solche“ Frauen ganz besonders. Ihr Leben war nichts wert, war minder-wertig.

Und diese Frau aus unserem heutigen Evangelium nimmt ihr Leben nun im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand, sie gibt ihrem Leben eine Wende. Am ersten Advent haben wir im Evangelium von der blutflüssigen Frau gehört, die es gerade einmal wagt, den Saum von Jesu Gewand zu berühren.

Heute nun berührt eine Frau Jesus tatsächlich und erweist ihm einen Liebesdienst der besonderen Art: sie wäscht seine Füße mit ihren Tränen, trocknet sie mit ihrem Haar, küsst und salbt sie. Und das nicht mit einem einfachen, billigen Olivenöl, sondern mit einem wertvollen, wohlriechenden Öl, aufbewahrt in einem kostbaren Alabastergefäß.

Versetzen Sie sich doch einmal in diese Situation und stellen sich vor, wie der Duft den Raum – eine Männergesellschaft beim Essen -  allmählich durchdringt und ihn erfüllt.

Der Duft erfüllt den Raum – und die ganze Atmosphäre ist eine andere geworden: die stadtbekannte Liebesdienerin, als „Sünderin“ bezeichnet und damit abgewertet, wird vor aller Augen als vollwertiger Mensch hingestellt durch die Worte Jesu:

Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.
Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben.

Die Frau hat Jesus etwas Gutes erwiesen, ihn quasi beschenkt. Aber auch Jesus beschenkt die Frau, er schenkt ihr Heil, in einem umfassenden Sinne:
Wie sie mit ihrem duftenden Öl seinen Füßen eine Wohltat bereitet hat, ihm gut getan hat, so tut er ihr mit seinen Worten gut. Wie ihr Öl Balsam für Jesu Füße war, so sind seine Worte sind Balsam für ihre Seele.
Sie behandelt Jesus, Gottes Sohn, so ganz als Menschen, und kann dadurch und durch ihn auch sich selbst wieder als voll-wertig, als wert-voll empfinden – sie kann selbst wieder ganz Mensch werden.

So weit, so gut. Ich könnte hier einen Schlusspunkt setzen. Aber für mich klingt in diesem Evangelium noch leise ein anderer Aspekt an, ganz subtil, fast wie ein feines Aroma, bei dem man sich fragt: „Was liegt denn hier noch in der Luft?“

Der Gedanke, den ich meine und Ihnen nicht vorenthalten möchte, wird im Evangelium von den Gästen ausgesprochen: „Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?“ Ich möchte nicht die Frage der Sündenvergebung weiter erörtern, sondern die Frage: Wer ist das? Wer ist dieser Jesus?

Für Jesus kennen wir viele Bezeichnungen, im Neuen Testament wie von uns Christinnen und Christen: Rabbi, Sohn Gottes, Meister, unser Bruder, Herr, unser Heiland, um nur einige zu nennen. Besonders um Weihnachten herum hören wir dann noch die Worte Jesajas, die auf Jesus hin gedeutet werden: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.

Ein Titel aber fehlt noch in dieser Aufzählung: Jesus, der Christus. Auf hebräisch: Messias – und das wieder auf deutsch übersetzt: Der Gesalbte.
Salbung, das bedeutet schon im Alten Testament Erwählung – Erwählung als König.

Auch Jesus ist für uns ein König. Das haben wir gerade erst zum Ende unseres Kirchenjahres am Christkönigssonntag gefeiert, daran erinnern wir aber auch am Palmsonntag und in der Adventszeit. Denken Sie nur an die entsprechenden Adventslieder wie: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich.“ und so weiter.

Ein König, ja, aber, wie es in einem Kinderlied heißt, „ein König ohne Krone“ – ein ganz anderer König.

Auch die Salbung durch die Sünderin deutet auf so einen ganz anderen König hin – nicht am Kopf, sondern an den Füßen wird er gesalbt, an dem Körperteil, der mit allem Schmutz und Elend der Welt in Berührung kommt.

Gesalbt auch nicht von einem Propheten oder Priester, sondern von einer Frau, und zwar einer, die Schmutz und Elend und die Zustände in der Welt nur zu genau kennt – geradezu eine Umkehrung der Verhältnisse der damaligen Zeit.

Gesalbt aber dafür mit einem wohlriechenden Öl aus einem kostbaren Gefäß – leise durchdringt wie ein Duft eine Ahnung den Raum, die über den Menschen Jesus hinausweist auf seine Herkunft aus der göttlichen Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde,

für diese Advents- und die kommende Weihnachtszeit wünsche ich uns, dass der „adventliche“ Duft, der allenthalben herrscht, uns nicht nur in Kauflaune versetzt oder Appetit auf Lebkuchen weckt, sondern uns auch gelegentlich daran erinnert, worauf wir uns eigentlich vorbereiten: Himmel und Erde verbinden sich – Gott wird Mensch.

Amen.

© B. Vallendor 2010

 

HIER finden Sie die Predigt im pdf-Format.