PfarrbĂĽro der Seelsorgeeinheit
Ravensburg West
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88213 Ravensburg
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Ein Zeichen gegen "Rechts" - Positionen aus dem Geist des Evangeliums Jesu in der SE Ravensburg-West.
2. Sonntag im Jahreskreis (19.01.2025)
Lesung des Tages: Jes 62, 1-5
Um Zions willen kann ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis das Recht in ihm aufstrahlt wie ein helles Licht und sein Heil aufleuchtet wie eine brennende Fackel. Dann sehen die Völker deine Gerechtigkeit und alle Könige deine strahlende Pracht. Man ruft dich mit einem neuen Namen, den der Mund des Herrn für dich bestimmt. Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des Herrn, zu einem königlichen Diadem in der Rechten deines Gottes. Nicht länger nennt man dich "Die Verlassene" und dein Land nicht mehr "Das Ödland", sondern man nennt dich "Meine Wonne" und dein Land "Die Vermählte". Denn der Herr hat an dir seine Freude, und dein Land wird mit ihm vermählt. Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.
Predigt
"Um Gottes Willen!"
=> kennen sie diesen Ausruf?
=> Um Gottes Willen …, das darf nicht geschehen!
Oder:
=> Um Gottes Willen, das muss unbedingt so sein!
=> Ja, Gottes Wille muss/ darf / soll geschehen, so soll es sein. Amen!
=> Das beten wir auch im Vaterunser:
… dein Wille geschehe.
=> Aber warum eigentlich? Warum soll Gottes Wille geschehen? Was hat der denn davon, dass Menschen seinen Willen erfĂĽllen?
=> Wenn man richtig hinschaut hat Gott doch ĂĽberhaupt nichts davon!
=> Er ist nicht darauf angewiesen, dass wir Menschen uns nach ihm richten.
=> Er wird nicht größer dadurch, dass wir seine Gebote befolgen.
=> Er wird auch nicht kleiner, wenn wir sie ĂĽbertreten.
Gott braucht uns und unser Wohlverhalten nicht!
=> Warum treibt dann Gott den ganzen Aufwand mit der Bibel, dass die Menschen sein Wort hören und sich auch noch danach richten sollen?
=> Erinnern Sie sich an die Worte der Lesung aus dem Buch Jesaja? Da wird das ganz deutlich. Der Prophet sagt, worum es Gott geht:
=> Er kann "um Zions Willen" nicht schweigen und "um Jerusalems Willen" nicht still sein.
=> Gott will, dass sein helles Licht aufstrahlt und Heil und Gerechtigkeit aufleuchten wie eine brennende Fackel: um Jerusalems willen, um der Menschen willen, um unseretwillen.
=> Deshalb legt Gott so groĂźen Wert auf das, was er den Menschen an Wegweisung mitgegeben hat, darum geht es ihm - nicht um sich.
Es geht ihm um die Menschen!
=> Das ist die wichtige Botschaft der Bibel, in der uns Gott im Wort begegnet. Können Sie das glauben?
=> Wir schreiben das Jahr 2025. Im nahen Osten, im Stammland der Bibel, in Jerusalem, im Land Palästina herrscht seit dem 7. Oktober 2023 ein blutiger Krieg! Menschen werden zu tausenden getötet, verstümmelt und auf jeden Fall seelisch verletzt und traumatisiert.
=> In der Zeitung vom Freitag letzter Woche war die Schlagzeile:
„Fragile Hoffnung auf Frieden in Nahost“
=> Die radikale Hamas einigt sich mit Israel - unter der Vermittlung von arabischen Staaten und Amerika – auf den Geiselaustausch von 33 Geiseln und einen Waffenstillstand.
=> Am vergangen Sonntag ist diese Vereinbarung in Kraft getreten, nachdem die Regierung Israels zugestimmt hat.
=> Ultraorthodoxe Juden waren gegen dieses Abkommen. Das sind doch aber die, die sich an der Bibel orientieren, oder?
=> Wenn ich mir die Realität im sog. Heiligen Land anschaue, dann schaudert es mich.
=> Tod, Zerstörung, Hoffnungslosigkeit, Hunger, Krankheiten und Hass bestimmen das Leben im Gazastreifen.
=> Hass und Verzweiflung, aber auch Hoffnung und Zuversicht zeigen sich in Israel.
=> Einige Geiseln sind freigekommen bisher 7 – aber um welchen Preis!
=> Wie sind die Werte, fĂĽr die der Prophet Jesaja nach dem Exil eingetreten ist, mit FĂĽĂźen getreten worden!
=> Da ist das Völkerecht ohne Rücksicht auf Verluste, missachtet worden. Ohne die elementarsten Werte unserer westlichen Welt zu beachten, ist dort einfach losgemordet worden.
=> Das trifft auf die Verbrecher der Hamas genauso zu, wie auf die Kriegstreiber in Israel.
=> Die Werte, für die einmal das Judentum gestanden hat – siehe Jesaja – sind dem Hass geopfert worden. Der Preis ist immens hoch.
=> Auch im Islam ist solches Morden, wie es in Israel am 7. Oktober 2023 stattgefunden hat, verboten!
=> Keine Seite kann sich in diesem unseligen Krieg auf Gott berufen, um die Verbrechen, die da geschehen sind zu rechtfertigen!
=> Die sog. 10 Gebote gelten fĂĽr Juden, fĂĽr Christen und Muslime!
=> Jesaja versucht nach einer bitteren Zeit fĂĽr das Volk Israel einen Hoffnungsschimmer zu zeigen nach dem Motto:
=> Orientiert euch an den Geboten Gottes und euer Leben wird gelingen!
=> Ganz offensichtlich interessiert es die Kriegstreiber und Verbrecher im Nahen Osten nicht, was da in den 10 Geboten geregelt worden ist:
=> Da geht es nämlich zunächst um das Verhältnis zu Gott, der über allem steht. Er hat auch den Ruhetag für die Menschen eingerichtet.
=> Dann kommt die mitmenschliche Beziehung in den Blick mit Vater und Mutter, die zu ehren sind.
=> Als nächstes richtet sich die Aufmerksamkeit auf das menschliche Miteinander in einer Gesellschaft – nicht töten – nicht stehlen – nicht lügen – nicht betrügen.
=> Merken Sie, wie aktuell auch dieser Teil der Bibel ist? Jesaja bezieht sich in seinen Hoffnungssätzen auf die Stärke Israels, wenn es sich an den Geboten orientiert.
=> Schauen wir in die Realität unserer Welt.
=> Da gibt es den Angriffskrieg in der Ukraine – Christen gegen Christen! Es gibt zahllose Kriege in den Köpfen von sog. Gläubigen gegen die Ungläubigen.
=> In der voletzten Woche ist uns das Unwort für 2024 präsentiert worden … biodeutsch!
=> Ich bin entsetzt über die „Blutideologie“, die wieder allen Ernstes Einzug hält in das Denken von Menschen in unserem Land bis hin zu dieser irren Behauptung von Frau Weigel, dass Adolf Hitler ein Kommunist gewesen sei.
=> Da werden historische unbestreitbare Wahrheiten bewusst in ihr Gegenteil verdreht. … Du sollst nicht lügen … nicht betrügen …
„liebe deinen Nächsten – wie dich selbst!“
=> Wir werden in unserer Welt gerade im großen Stil weggeführt von diesen Werten. Mehrere tausend Jahre haben dieses Regeln versucht, wenigsten etwas Stabilität in das gesellschaftliche Zusammenleben hinein zu bringen.
=> In der vorletzten Woche ist mir klar geworden, dass diese Werte in den Augen der Reichsten der Reichen unseres Planeten keinen Wert mehr haben.
=> Die demokratischen Gesellschaften, in denen es bisher um die Aushandlung von Kompromissen gegangen ist zwischen unterschiedlich Denkenden, werden gezielt bekämpft.
=> Dadurch werden Länder destabilisiert, nationalistische und populistische Ideen gewinnen die Oberhand.
=> Das Völkerrecht ist nach dem 2. Weltkrieg gemacht worden für den Schutz dieser Werte! Weltweit sollte nach gemeinsam geltenden Regeln gehandelt werden!
=> Dieses Völkerrecht wird seit einigen Jahren durch den russischen Angriffskrieg mit Füßen getreten und nicht mehr beachtet.
=> Der alte neue Präsident der USA, der wieder in sein Amt zurückgekehrt ist, lässt keine Stunde verstreichen, um das friedliche Zusammenleben der Völker auf unserem Planeten zu destabilisieren. Er greift wirtschaftlich ein und versucht auch gesellschaftlich die Lage zu destabilisieren. International geschlossene und von den Parlamenten ratifizierte Verträge, wie z.B. das Völkerrecht, interessieren ihn kaum, wenn es nicht Amerika dient.
Und wo bitteschön kommt da Gott vor?
=> Donald Trump hat seinen Amtseid auf die Verfassung und auf die Bibel abgelegt.
=> Ist das ein Hoffnungsschimmer in dieser dunklen heraufziehenden Ă„ra der Hyperreichen Oligarchen, die sich die Welt zu ihrem Spielplatz erkoren haben?
=> Wird die Idee der Orientierung an Geboten, die das Zusammenleben aller Menschen minimal regeln wollen, noch von Bedeutung sein bei diesen rĂĽcksichtslosen Despoten?
=> Wie bekommt in dieser Welt die Idee vom angebrochenen Reich Gottes wieder ihre Leuchtkraft?
=> Ja, es stellt sich hier die Frage: wird Gott überhaupt in dieser Welt der Mächtigen beachtet werden?
Die Hand auf der Bibel ist reine Show – ohne Konsequenzen! Zumindest merken wir nichts von einer christlich inspirierten Gesinnung!
=> Welche Rolle wird Gott in diesem Spiel wohl zugestanden?
Klar ist:
=> Gott ist und bleibt der ganz Andere, das groĂźe Geheimnis.
=> Wir Menschen können nichts Gesichertes über Gott aussagen.
Da gilt die Idee von Karl Rahner, der sagt:
Glauben heiĂźt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten.
=> Wir Menschen kommen mit unseren Bildern von Gott an unsere Grenzen. Keines dieser vielen Bilder trifft die Wirklichkeit Gottes.
=> Die Schriftsteller der Bibel denken genauso wie wir in sehr menschlichen Kategorien. Da macht auch der Prophet Jesaja keine Ausnahme. Auch er denkt sehr menschlich von Gott.
=> Letztlich sind aber genau seine Worte die Autorität, mit der dann die Menschen versuchen, sich an Gott zu orientieren. So soll die Welt im Sinne Gottes zum Guten hin verändert werden.
=> So entsteht Orientierung und Halt.
=> Werden das die neuen Machthaber in den USA beherzigen?
=> Jesaja spricht von den Ideen Gottes, damit die Menschen seiner Zeit – und bis heute – eine Wegweisung haben.
=> Jesaja spricht mit der Autorität Gottes, damit die Menschen ihr Leben an seinen Geboten ausrichten, weil das letztlich für alle zum Heil wird.
=> Was Jesaja im Namen Gottes sagt, soll hilfreich sein und den Menschen das Leben erleichtern.
=> So soll menschliches Leben glĂĽcken und lebenswert sein fĂĽr alle!
=> Interessiert das die Männer, die gerade an der Macht sind in Russland, in Israel, in Syrien, im Iran usw. und die, die seit einer Woche in den USA an der Macht sind?
=> Wenn die Bibel verkĂĽndet, dass in Jesus von Nazareth, der Sohn Gottes in die Welt gekommen sei, dann geschieht das nicht als Selbstzweck Gottes, sondern um den Menschen einen Weg zu zeigen, wie das Leben glĂĽcken kann.
=> Das aber passiert nicht von oben herunter, sondern auf Augenhöhe.
=> Deswegen kommt die Idee von der Menschwerdung bei den Menschen so gut an.
=> So begegnen wir Menschen diesem unfassbaren Geheimnis „Gott“ in diesem historischen Menschen Jesus von Nazareth.
=> So bekommen wir ein Bild von Gott, das uns nicht Angst, sondern Mut macht!!
=> Und auch die Idee, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern auferweckt worden ist, gibt den Menschen Kraft, Mut, Sinn und Hoffnung.
=> Der Glaube an den Gott der Lebenden hilft uns hier, voller Hoffnung in die Zukunft zu blicken.
=> Die Bilder, die der Evangelist Johannes malt bei der Hochzeit von Kanaa, sprechen eine deutliche Sprache.
=> Neues bricht ins Leben der Menschen ein.
=> Das Fest des Lebens braucht aber Vertrauen, Hoffnung, Aktion, Staunen und Zuversicht, dass Gott dieses Fest – auch das Fest meines eigenen Lebens - begleitet und letztlich zur Vollendung führen wird!
=> Jesaja verbreitet in seiner Zeit die Hoffnung, dass Gott nicht schweigen wird, er wird nicht still sein, er wird nicht ruhen, bis das Recht aufstrahlt, wie ein helles Licht, und das Heil aufleuchtet, wie eine brennende Fackel.
=> Trotz allen dunklen Vorzeichen wĂĽnsche ich uns Christinnen und Christen dafĂĽr offene Augen und ein liebendes Herz, das die Wegweisungen Gottes spĂĽrt und ins Leben hinein ĂĽbersetzt zum Heil fĂĽr viele Mitmenschen.
=> Um Gottes Willen … ja!
Amen
© R. Hübschle, Pfarrer
Darstellung des Herrn im Tempel (02.02.2025)
Evangelium des Tages: Lukas 2, 22-40
Das Zeugnis des Simeon und der Hanna
Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe. Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, / das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, / und Herrlichkeit für dein Volk Israel.  Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, - und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden. Damals lebte auch Hanna, eine Prophetin, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. Zu derselben Stunde trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück. Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade ruhte auf ihm. 
Predigt
Liebe Christinnen und Christen,
sie war JĂĽdin, Schriftstellerin und Publizistin.
In Philosophie hat sie promoviert, aber sie wollte nie als Philosophin bezeichnet werden.
Schon vor mehr als 60 Jahren hat sie es für möglich gehalten, dass sich der Holocaust wiederholt.
Hannah Arendt heißt diese Frau – 1906 in einem Stadtteil von Hannover geboren und 1975 als amerikanische Staatsbürgerin gestorben.
Sie selber ist im nationalsozialistischen Regime verfolgt worden und war kurze Zeit in Haft, bevor ihr die Flucht nach Amerika gelungen ist.
Ab dem Zeitpunkt, als sie von den nationalsozialistischen Vernichtungslagern erfährt, steht im Mittelpunkt ihres wissenschaftlichen Arbeitens der Versuch, dieses Unfassbare zu ergründen.
„Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ ist das Buch, mit dem sie bekannt geworden ist – erschienen 1951.
Hannah Arendt erhält Lehraufträge in Amerika und veröffentlicht Beiträge zur politischen Philosophie.
Sie forscht zu totalitären Systemen und stellt die These auf:
Totalitäre Bewegungen bemächtigen sich jeder Weltanschauung mit dem Ziel, sie mit Terror in eine neue Staatsform überzuführen.
Tatsächlich so geschehen ist das – aus ihrer Sicht – im Nationalsozialismus und im Stalinismus.
Totalitäre Regime – so analysiert das die Hochschullehrerin für Politische Theorie – streben nicht nur die politische Kontrolle in einer Gesellschaft an, sondern wollen das gesamte gesellschaftliche Leben beherrschen – dazu gehört auch die Kontrolle über die Gedanken der Menschen. Staatliche Kontrollen, Repressionen, Lügen und Gewalt – das sind die Machtinstrumente totalitärer Regime.
Kann es sein, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika unter Präsident Trump in Ansätzen gerade in diese gefährliche Richtung entwickeln. Es war auf jeden Fall konsequent und mutig, dass ihn im Gottesdienst bei seiner Amtseinführung die Bischöfin, Mariann Budde, ermahnt hat, die Werte unserer christlichen Religion zu achten und zu bewahren. Donald Trump hat deshalb von ihr eine Entschuldigung verlangt.
Als politische Theoretikerin entwickelt Hannah Arendt ihre Gedanken zu gelingenden politischen Strukturen – Gedanken, die ein ganz anderes Zusammenleben der Menschen und Völker möglich machen:
Für sie hat „Macht“ absolut nichts mit „Kontrolle“ oder „Zwang“ zu tun. Die Wissenschaftlerin ist davon überzeugt:
In einem gesellschaftlichen System kann Macht nur gemeinsam ausgeübt werden – und zwar durch Kommunikation und durch Kooperation.
„Macht“ ist für Hannah Arendt also eine Fähigkeit – die Fähigkeit nämlich, sich durch Kommunikation und Kooperation auf ein gemeinsames Handeln zu einigen.
Klug und zukunftsweisend sind diese Gedanken der Wissenschaftlerin, meine ich – und ganz im Sinne Jesu und unserer christlichen Werte. Ihre Gedanken stimmen überein mit dem, was Jesus meint, wenn er von „Menschlichkeit“ und „Gerechtigkeit“ in der Bergpredigt spricht. Gleichzeitig festigen diese wissenschaftlichen Erkenntnisse von Hannah Arendt aber auch unsere Demokratie.
Und ihre Überlegungen, was „Politik“ sein sollte, sind ebenfalls zukunftsweisend:
Sie beschreibt „Politik“ als eine Form des Zusammenlebens, die bestimmt ist von Gleichheit und Gewaltlosigkeit, und es sind die Menschen, die durch ergebnisoffene Diskussionen über alle Angelegenheiten entscheiden, die von öffentlichem Interesse sind.
Und „Freiheit“ ist für die Professorin immer auch politische Freiheit – eine Tätigkeit – und nicht nur eine moralische Tugend, sondern ein Handwerk.
In diesem Zusammenhang kommt mir der Gedanke, dass – aus meiner Sicht – nicht mehr alle Frauen und Männer, die zur Zeit im Deutschen Bundestag sitzen, dieses Handwerk verstehen:
Es erschreckt mich, dass Hannah Arendt schon zu ihrer Zeit vorausgesehen hat, dass der Antisemitismus vermutlich niemals besiegt werden kann. Und jetzt sitzen tatsächlich Abgeordnete in unserem Deutschen Bundestag, die den Holocaust leugnen und rassistische Parolen im Internet verbreiten.
Diese AfD-Politiker und -Politikerinnen werden von unseren Mitbürgern und Mitbürgerinnen inzwischen so zahlreich gewählt, dass sie für unsere deutsche Demokratie gefährlich werden.
Und nach dem Scheitern der Ampel-Koalition sind sie jetzt schon stark genug, um Gesetz-Entwürfe zu blockieren oder ihnen eine Mehrheit zu verschaffen. Und in dieser Partei gibt es Mitglieder, die leugnen, dass es Vernichtungslager im Nationalsozialismus gegeben hat – und das genau 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Am Montag wurde daran erinnert.
Als politischen Skandal und als absolut unvereinbar mit unseren christlichen Werten bezeichne ich allerdings auch die Vorgehensweise jenes Kanzlerkandidaten, der jetzt mit dieser AfD Politik macht und der mit ihren Stimmen seine politischen Ziele durchsetzt – und das in einer Partei, die das „Christliche“ in ihrem Namen hat.
Warum sucht dieser Mann keinen Konsens in seiner Asylpolitik mit den demokratischen Parteien?
Warum stellt er seinen Antrag jetzt? Missbraucht er dieses schwierige und hochkomplexe Problem der Migration jetzt fĂĽr sein Ziel, Kanzler zu werden?
Warum hält er sich nicht an seine Aussage, die er noch vor wenigen Wochen im Deutschen Bundestag gemacht hat, er werde nicht „mit denen da“ – also mit der AfD – zusammenarbeiten?
Und: Wo endet dann seine Zusammenarbeit? Bei einer Koalition mit der AfD?
Als Christin und als Theologin ist für mich klar: Jede Partei, die mit der AfD, die in Teilen als gesichert rechtsextrem gilt, zusammenarbeitet oder die sich von ihr politisch abhängig macht, verrät unsere christlichen Werte.
Und das ist eine katastrophale und bedrohliche politische Situation in unserem Land.
Es braucht – so meine ich – auch in Zukunft eine Politik in Deutschland und in Europa, die geleitet ist von einer christlichen Grundhaltung und vom Geist des Jesus aus Nazareth: Vom Geist der Achtung der Würde jedes Menschen, vom Geist der Freiheit und der Gerechtigkeit.
Es braucht eine Regierung, die darauf bedacht ist, die Ideen des Jesus aus Nazareth weiterleben zu lassen in unserer Zeit und die in seinem Geist Entscheidungen trifft.
Das ist aber genau der Geist, von dem ganz offensichtlich 2 Menschen beseelt sind, die uns im heutigen Evangelium begegnen:
Es sind 2 alte Menschen, von denen Lukas, unser Evangelienschreiber heute erzählt:
Simeon und Hannah.
Lukas beschreibt Simeon als einen Mann mit einer tiefen Frömmigkeit – einer, der sich vom göttlichen Geist getragen fühlt und der seine letzten Lebensjahre ganz vom Gedanken an Gott und seine Geist-Kräfte bestimmen lässt:
„Der Heilige Geist ruhte auf ihm.“ –
so heißt es wörtlich im Evangelium.
In der Begegnung mit Jesus im Tempel wird seine Sehnsucht nach einer Berührung mit der göttlichen Welt erfüllt – bevor er diese irdische Welt verlässt.
Es ist die Sehnsucht, die uns Christinnen und Christen alle verbindet: Die Sehnsucht, im eigenen Leben zu spüren, dass es die göttliche Welt tatsächlich gibt.
Und diese Erfahrung machen im Tempel beide: Simeon und Hannah.
Lukas nennt Hannah „Prophetin“. Sie lebt und wirkt im Tempel.
Nach dem Tod ihres Mannes mĂĽsste sie als Witwe in der damaligen Zeit eigentlich zurĂĽckgezogen leben. Ohne Mann hatte sie keinerlei Rechte mehr in der Gesellschaft.
Hannah aber lebt ganz offensichtlich immer im Tempel – eine selbstbewusste und eine spirituelle Frau, die – ganz ähnlich wie Simeon – die tiefe Sehnsucht in sich trägt, dem ewig Göttlichen noch zu Lebzeiten zu begegnen.
Als Prophetin sitzt sie im Tempel und verkĂĽndet den Menschen, die zu ihr kommen, wie Gott ist.
Solche Ratgeberinnen im Tempel waren zur Zeit Jesu hoch geachtet. Sie hatten nicht nur eine religiöse, sondern auch eine politische Aufgabe:
Sie haben den Menschen, die zu ihnen gekommen sind, Mut gemacht – gerade auch in schwierigen politischen Situationen – bei Unterdrückung oder Verfolgung. Zur Zeit Jesu war Jerusalem von den Römern besetzt.
Hannah hat den Ratsuchenden vermutlich immer wieder erzählt, dass unser Gott sie durchs Leben trägt – auch in allen ausweglos scheinenden politischen Situationen.
In den biblischen Schriften ist Hannah deshalb ein Gegenbild zu den Hohenpriestern und zur Tempelhierarchie, die damals mit der römischen Besatzungsmacht zusammengearbeitet haben – auch zu ihrem eigenen Nutzen.
Hannah hat Vertrauen zu unserem Gott, und das gibt ihr die Kraft, auch den Ratsuchenden im Tempel von dieser Hoffnung zu erzählen. Ganz sicher hat die weise Prophetin geist-erfüllt und geist-reich bei den Menschen Zuversicht ausgestrahlt.
Liebe Christinnen und Christen,
ich möchte Ihnen allen heute Mut machen, dass Sie sich in unsere gegenwärtigen Debatten um die Asylpolitik und um die Rolle der AfD im Deutschen Bundestag einmischen und die Diskussion nicht den Rechtsradikalen oder den undemokratischen Kräften in unserem Land überlassen.
Fühlen Sie sich dabei von der göttlichen Geist-Kraft getragen und geführt – so, wie uns Christinnen und Christen das die Hannah aus dem Evangelium vorlebt.
Und vielleicht sind ja auch einzelne Gedanken der anderen Hannah – der Wissenschaftlerin Hanna Arendt – für Ihre Argumentation eine Unterstützung.
Diese Hannah soll jetzt das Schlusswort haben:
„Macht entspricht der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur so lange existent, als die Gruppe zusammenhält. …. In dem Augenblick, in dem die Gruppe, die den Machthaber ermächtigte……auseinandergeht, vergeht auch seine Macht.“
(Hannah Arendt, Macht und Gewalt, Piper Verlag 2014, Seite 56)
Amen.
© A. Böhm, Pastoralreferentin