Geschichte des Klosters Weißenau

Das Kloster Weißenau war ein reichsunmittelbares Chorherrenstift der Prämonstratenser. Das Kloster bestand von 1145 bis zur Säkularisation 1802/1803. Heute liegen die Klostergebäude auf dem Gebiet des Ravensburger Stadtteils Weißenau, dort ist u.a. das Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP) untergebracht.

Klostergründung und Bau der Klosteranlage im 12. Jahrhundert

Im Jahre 1145 schenkte der welfische Ministeriale Gebizo von Ravensburg-Preißenberg dem damals noch jungen Prämonstratenser-Orden Güter "in der Au“ zur Gründung eines neuen Klosters. Der Gründungskonvent kam von der Reichsabtei Rot an der Rot, die bereits 1126 als erstes Prämonstratenser-Kloster in Oberschwaben entstanden war.

1156 begann der Bau der Klosteranlage. Der Grundstein der Basilika „St. Peter in der Au“ wurde bereits 1152 gelegt. 1163 erfolgte die vorläufige Weihe der Klosterkirche, die offizielle Kirchweihe fand am 12. September 1172 statt. Die ursprüngliche romanische, dreischiffige Basilika besaß einen mächtigen Ostturm und sechs Altäre. Sie bestand bis zu ihrem Abriss und dem Bau der heutigen Pfarrkirche 1717.

In den Jahren nach seiner Gründung konnte das Kloster Weißenau seine Privilegien ausbauen und seinen Besitz erweitern, was schließlich zur Erhebung von der Propstei zur Abtei im Jahr 1257 führte. Binnen weniger Jahrzehnte entwickelte sich Weißenau zu einem bedeutenden wirtschaftlichen, geistigen und geistlichen Zentrum weit über die Region hinaus.

Das Kloster Weißenau war als Doppelkloster organisiert. So bestand neben dem Männerkonvent in Weißenau ein 1154 gegründeter Frauenkonvent in Maisental, dem heutigen Mariatal. Das Zusammenleben in sogenannten Doppelköstern (lat. monasteria duplicia), in denen Frauen und Männer in räumlichen getrennten Konventen, aber vereint in einem Kloster zusammenlebten, war bei den Prämonstratensern damals weit verbreitet. Um 1200 lebten in Weißenau 24 Ordenspriester, 60 Laienbrüder und 90 Schwestern.

Der Frauenkonvent bestand nur bis zum 14. Jahrhundert. Zum letzten Mal sicher bezeugt wird das Frauenkloster im Jahr 1349. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dürfte das klösterliche Leben dann wohl aufgrund des fehlenden Nachwuchses an Schwestern erloschen sein.

Die Prämonstratenser

Der Prämonstratenser-Orden (lat. Candidus et Canonicus Ordo Praemonstratensis) war zur Zeit der Klostergründung erst wenige Jahrzehnte alt. 1120 hatte der Wanderprediger Norbert von Xanten den Orden zusammen mit 13 Gefährten im nordfranzösischen Prémontré gegründet, 1126 folgte die förmliche Bestätigung durch Papst Honorius II. Aus dem Gründungsort Prémontré ist auch der Name des Ordens abgeleitet. Die Lebensweise in der Prämonstratenser-Gemeinschaft unterschied sich nur geringfügig von der anderer Orden. Auch die Prämonstratenser unterwarfen sich den strengen Regeln des heiligen Augustinus. Dabei standen Armut, Enthaltsamkeit und Gehorsam im Vordergrund, aber auch Selbstlosigkeit, karitative Handlungen und die Bereitschaft zur Missionsarbeit. So verbanden sie das monastische kontemplative Leben mit der nach außen gerichteten Seelsorge und Missionstätigkeit (lat. vita mixta = 'gemischtes Leben'). Nach Schätzungen unterhielten die Prämonstratenser Mitte des 14. Jahrhunderts etwa 1.300 Männerklöster und 400 Frauenklöster in ganz Westeuropa.

Blütezeit des Klosters im 12. und 13. Jahrhundert

Der Weißenauer Prämonstratenser-Konvent rekrutierte sich in den ersten 100 Jahren aus dem oberschwäbischen Niederadel, aus der welfisch-staufischen Ministerialität sowie aus freien Bauernfamilien. Aufgrund der Mitgift, die die in den Orden eintretenden Männer und Frauen mitbrachten, erhielt das Chorherrenstift zahlreiche Gutshöfe und andere Besitzungen und gehörte damit bald zu den reichsten Klöstern Schwabens.

Dem Kloster gelang es nach und nach, andere Pfarreien zu erwerben und zu inkorporieren. Bis zur Säkularisation 1802/03 fungierten die Weißenauer Chorherren so u.a. über Jahrhunderte hinweg als Seelsorger in den Pfarreien St. Christina und St. Jodok (Ravensburg), Obereschach, Gornhofen, Oberzell, Taldorf, Grünkraut, Bodnegg, Obereisenbach und Manzell (Friedrichshafen).

Während seiner Blütezeit im 12. und 13. Jahrhundert besaß das Kloster Weißenau eine eigene bedeutende Bibliothek mit eigenem Skriptorium. In dieser Schreibstube entstanden die Hauschroniken des Klosters. Zudem wurden in geringerem Umfang auch theologische Texte handschriftlich dupliziert – die übliche Vorgehensweise vor der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts. Große Bedeutung hatte daneben auch die Klosterschule und das Krankenhospiz.

Bedeutender Wallfahrtsort

Überregionale Bedeutung als Wallfahrtsort erlangte das Kloster Weißenau, als König Rudolf von Habsburg im Jahr 1283 dem Kloster eine Heilig-Blut-Reliquie vermachte. Nach glaubhafter Überlieferung hat Maria Magdalena unter dem Kreuz blutvermengte Erde des Erlösers geborgen. Über Südfrankreich und Straßburg kam die Reliquie 1283 nach Weißenau. Jahrhundertelang wurde die Reliquie bei Reiterprozessionen durch die Flure getragen. An die klösterliche Verehrung des Heiligen Blutes erinnern auch die beiden Feste, die die Pfarrei Weißenau jährlich feiert: das Fünfwundenfest im Frühjahr und das Magdalenenfest im Sommer. Mit dem Erwerb der Reliquien des heiligen Saturnius im Jahr 1665 erhielt die Wallfahrt nach Weißenau weitere Impulse.

Wie aus "Owe" der Ortsname "Weißenau" wurde

Die Gemarkung, auf der im 12. Jahrhundert das Kloster Weißenau entstand, wird in alten Schriften meist als Au oder mit dem neulateinischen Augia (‚Au‘) bezeichnet. 1152 finden wir die Bezeichnung Owe ('Au'), 1161 Augia und 1357 in der Minderaw. In lateinischen Schriften wird neben Augia auch die Bezeichnung Augia Minor ('kleinere Au') verwendet. Erst ab dem 14. Jahrhundert wird der Ortsname Weißenau gebräuchlich. Er leitet sich ab von „weißer Au“, eine Anspielung auf den markanten weißen Habit der Prämonstratenser-Mönche des Klosters Weißenau.

Neubau der Klosteranlage im 18. Jahrhundert

Anfang des 18. Jahrhunderts fiel die Entscheidung zum Neubau der Klosteranlage. 1708 beauftragte Reichsprälat Abt Leopold Mauch (1673-1722, reg. 1704-1722) den aus dem Bregenzerwald stammenden Baumeister Franz Beer (1660-1726) mit dem Abbruch der alten Klosteranlage und dem Neubau des Ost- und Südflügels des Konventsgebäudes. 1717 erhielt Beer auch den Auftrag für weitere Arbeiten. Bis 1724 errichtete er den Westflügel des Konventsgebäudes und die Klosterkirche St. Peter und Paul. Die heutige Weißenauer Pfarrkirche entstand als Wandpfeilerbasilika im Vorarlberger Stil mit Doppelturmfassade.

Die meisten Nebengebäude der Klosteranlage sind unter Abt Anton I. Unold (1697-1765, reg. 1724-1765) neu entstanden. Der größte Teil der Klostergebäude ist erhalten, wurde in den vergangenen Jahren umfassend saniert und wird seitdem als Krankenhaus sowie als privater Wohnraum genutzt.

Aufhebung des Klosters 1802/03

Während der Säkularisation 1802/03 wurde das Kloster aufgehoben und fiel an die Grafen von Sternberg-Manderscheid. 1835 verkaufte das Adelsgeschlecht die Herrschaft Weißenau an das Königshaus Württemberg. Aufgrund der Mediatisierung war Weißenau aber bereits seit 1806 Teil des Königreichs Württemberg.

Es dauerte viele Jahrzehnte, bis sich der ehemalige Klosterort zu einer normalen Wohngemeinde entwickelte. Entscheidend mit dazu beigetragen hat die 1838 in den ehemaligen Klostergebäuden angesiedelte Bleicherei und das 1888 in den Konventsgebäuden eingerichtete Krankenhaus.

Im Jahr 2020 feiert die Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul in Weißenau das 875-jährige Bestehen des Klosters. Auch Bischof Dr. Gebhard Fürst nahm am Blutritt teil und feierte gemeinsam mit anderen Geistlichen den anschließenden Festgottesdienst in der Klosterkirche.

Heilanstalt für psychisch Kranke seit 1892

1892 wurde das ehemalige Konventsgebäude zur Heilanstalt für psychisch Kranke umgebaut, einem Standort der „Königlich-Württembergischen Staatsirrenanstalt“, so die offizielle damalige Bezeichnung. Im Dritten Reich diente die Heilanstalt Weißenau als Zwischenanstalt für insgesamt 691 psychisch kranke Patient:innen und Heimbewohner:innen, die als sogenanntes "lebensunwertes Leben" mit Mercedes-Bussen in die Vernichtungsanstalt Grafeneck bei Gomadingen auf der Schwäbischen Alb gebracht und dort systematisch ermordet wurden.

Zum Gedenken an die Opfer entwarfen Horst Hoheisel und Andreas Knitz 2005 das Denkmal der Grauen Busse. Die beiden Busse bestehen aus Betonsegmenten und einer Stahlbetonbodenplatte mit einem Gewicht von jeweils rund 70 Tonnen. Ein Grauer Bus steht seit 2006 als permanente Installation an der alten Pforte des Krankenhauses Weißenau, der zweite wechselt regelmäßig seinen Standort und wird in ganz Deutschland gezeigt.

Heute beherbergen das Konventsgebäude und große Teile des umliegenden Areals den Standort Weißenau des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP), eine der modernsten psychiatrischen Einrichtungen Deutschlands.

Frank Vollmer

Weiterführende Literatur & Quellen

Beck, Otto (2004): St. Peter und Paul Weißenau. 9., neu bearbeite Auflage. Regensburg: Schnell & Steiner.

Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul Weißenau (Hrsg.) (2020): 875 Jahre Kloster Weißenau (1145-2020). Festschrift zum Jubiläum. Ravensburg.
PDF

Schäfer, Joachim (2021): Eintrag 'Prämonstratenserorden'. In: Ökumenisches Heiligenlexikon.
www.heiligenlexikon.de 

Wieland, Georg (2003): Prämonstratenserabtei St. Maria und Peter Weißenau – Geschichte. Online-Portal Klöster in Baden-Württemberg.
www.kloester-bw.de