Die Krippe von St. Christina

Das bemerkenswerteste Stück der schönen alten Ausstattung der Kirche von St. Christina ist nur kurze Zeit, von Weihnachten bis Mariä Lichtmeß, zu sehen: die Krippe, an Zahl und Größe der Figuren zwar eine der bescheideneren Kirchenkrippen im Lande, dafür aber die älteste überhaupt. Sie umfaßt nur neun holzgeschnitzte, ca. 28 cm hohe vollplastische Figuren, dazu einige Schafe. Kleidung, Haartracht und Holzbehandlung verwiesen diese Kleinplastiken in das 17. Jahrhundert, in die Zeit des 30jährigen Kriegs. Von der Unruhe und Zerrissenheit jener Jahre lassen die Figuren allerdings nichts verspüren. Sie zeugen eher von einer stillen Beschaulichkeit, einer nach innen gekehrten Frömmigkeit. Man betrachte nur den Hirten mit dem Schaf auf den Knien, wie er selbstvergessen auf der Flöte spielt. Albert Walzer, der sich eingehend mit dieser Krippe beschäftigt hat, vermutet, daß es sich hier nur noch um die Reste einer ursprünglich viel größeren Krippe handelt.

Die Krippe von St. Christina steht am Beginn einer großartigen Entwicklung, am Beginn der barocken Krippenkunst, die im ganzen katholischen Süddeutschland ebenso wie im Alpenraum bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts vielfältige Spuren hinterlassen und sich in gewisser Weise bis heute fortgesetzt hat. Hier in St. Christina sind die Figuren noch klein und bescheiden, im Hochbarock entfaltete sich dann jedoch ein regelrechtes Krippentheater. Die Figuren wurden größer, erhielten Köpfe aus Wachs und echtem Haar, bewegliche Glieder und bunte Kleider aus allen möglichen Stoffen. Besonders in den Frauenklöstern blühte diese realistische Krippenkunst, erinnert sei nur an die heute noch vorhandenen Krippen von Gutenzell, Kellenried oder Bonlanden.

Für die frommen Nonnen, aber nicht nur für sie, spielte die mystische Verehrung des neugeborenen Erlösers, des himmlischen Bräutigams und Trösters, von jeher eine große Rolle. Eines der frühesten schriftlichen Zeugnisse für diese Christusminne, für die Anbetung eines "Christkinds", ist ein Brief der aus Donauwörth stammenden Dominikanerin Margarathe Ebner, die 1344 berichtet: Am Stefanstag, also am 26. Dezember, habe sie aus Wien eine "minnigliche Gabe" erhalten, "das war ein Jesus in seiner Wiegen und dem dienten vier guldin Engel". Zwar war dies noch keine Krippe mit Ochs und Esel, aber doch, wie die "Fatschenkindle" aus Wachs, ein Vorläufer jener eigentlichen Krippen, die seit dem späten 15. Jahrhundert von Italien, vor allem von Neapel, aber auch von Spanien aus in ganz Europa Verbreitung fanden.

Der Erbauer der Krippe

Während es sich bei vielen anderen oberschwäbischen Krippen um reine Volkskunst handelt, stammen die Figuren der Krippe von St. Christina aus der Werkstatt eines wirklich großen Meisters. Wir wissen nicht, wer sie geschaffen hat. Die Vermutung, daß ein Zusammenhang mit der Zürn-Werkstatt in Waldsee bestehen könnte, hat vieles für sich, beweisen läßt sich diese These aber nicht. Eine alte Überlieferung besagt, die Krippe von St. Christina stamme aus Weißenau, der Mutterkirche dieser Pfarrei. Das klingt durchaus einleuchtend. Vielleicht hat sie jener große Abt Leopold Mauch, der Erbauer der barocken Klosterkirche von Weißenau, mitgebracht, als er aus gesundheitlichen Gründen 1722 als Abt abdanken mußte und die letzten Monate seines Lebens droben in St. Christina verbrachte. Vielleicht hat aber auch erst der letzte Weißenauer Chorherr, Friedrich Schlegel, der 1806 Pfarrer von St. Christina wurde und der ein großer Altertumssammler war, die Krippenfiguren aus dem säkularisierten Kloster mitgenommen. Beweisen läßt sich dies alles nicht.

Doch das sind letztlich auch zweitrangige Fragen. Freuen wir uns, daß die Krippe von St. Christina alle Gefährdungen überstanden hat und daß wir jedes Jahr die Möglichkeit haben, vor ihr zu stehen, sie zu betrachten und so das geheimnisvolle Geschehen von Bethlehem nachzuerleben.

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