Baugeschichte

Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche St. Christina im Jahre 1197 sagt zu deren Alter nichts aus. Ebensowenig kann mit "capella" eine Vorstellung über die Größe des Gotteshauses verbunden werden. Dreher nimmt einen ersten Kirchenbau um 1140/1150 an, Wieland wohl noch einige Jahre zuvor. Gesichert ist ein Neubau oder Wiederaufbau im Jahre 1253, nachdem die Kirche "durch Alter und Feuer Noth gelitten hat". Möglicherweise stammen Teile des isoliert nördlich stehenden Turms noch aus dieser Zeit. Pfarrer Detzel vermutet sogar, daß "der Thurm in seinen unteren Theilen selbst bis ins 11. oder 12. Jahrhundert hinaufragen mag." Teils hat der ungegliederte Turm noch alte schmale Fensterschlitze; im oberen Bereich wurden später gekuppelte Schallfenster eingelassen. Aus alten Abbildungen ist zu ersehen, daß der Turm ehemals mit einem Zeltdach versehen war, wohingegen er heute ein Satteldach trägt. Im Erdgeschoß des Turms, heute Sakristei, ist ein schönes Kreuznahtgewölbe mit Schlußstein erhalten. Von der Sakristei führt eine rundbogige, frühgotisch anmutende Türe in den Chor.

Was zwischen 1253 und den ab 1837 einsetzenden Restaurierungen baulich alles geschehen sein mag, ist im einzelnen nicht bekannt. Die "Beschreibung der Katholischen Pfarrstelle in St. Christina" aus dem Jahre 1879 überspringt diese Zeit und verweist für die folgenden Restaurationen auf die Pfarrchronik. Aber schon die Beschreibung aus dem Jahre 1908 stellt in Frage, "ob der jetzige Bau der von 1253 ist". Die weiter niedergelegte Vermutung, daß die Kirche in spätgotischer Zeit umgebaut worden sein mußte, beruht offensichtlich auf Forschungen vom Bischof Dr. Keppler. Verbürgt ist u.a. aus einer Schuld-Urkunde "gegen Meister Hanns Nüssenberger (gelegentlich Nießenberger geschrieben), Steinmetzen von Grätz (Graz/Steiermark)", daß im Jahre 1476 der Chor erneuert und gleichzeitig möglicherweise die Kirche nach Westen vergrößert worden ist. Denn Kirche und Altar wurden am 15. Juli 1476 u.a. zu Ehren der Patronin Christina neu geweiht.

Der Chor der Kirche von St. Christina wird als Kleinod gotischer Baukunst gewürdigt. Sein feingegliedertes Kreuzrippengewölbe teilt Wand- und Deckenflächen harmonisch ein. Die aus Sandstein und Ziegelsteinen gearbeiteten Rippenbogen sind nach der letzten Restaurierung im unteren Bereich grau gefaßt, im oberen Teil rost- bis dunkelrot natürlich gestaltet. Gleich breit wie der Chor schließt sich das relativ einfache, rechteckige Kirchenschiff an, das im 17. und 18. Jahrhundert mit einem spitzbogigen Westportal und einem darüberliegenden Rundfenster umgestaltet worden sein soll. Letzteres wurde später zugemauert und erst im Zuge der jüngsten Renovierung als liegendes Oval wieder über der Empore eingelassen. Erhaltungs- und Erneuerungsarbeiten sind seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt. Im Jahre 1837 begannen umfangreiche Restaurierungen. "In diesem für die Pfarrgemeinde St. Christina merkwürdigen Jahre" bemerkt Pfarrer Schlegel in der Chronik, wurde "die gänzliche Reparation der Pfarrkirche, nach welcher man sich so lange sehnte, und dieselbe zu bewirken suchte, durch das Königliche Kameralamt Weingarten, als Hauptzehntherrn, unter Beiziehung der übrigen Dezimatoren vorgenommen. Die Pflästerung des Kirchenbodens wurde ausgehoben. Die zerrütteten Kirchenstühle ... wie auch die hölzerne und sehr schadhafte Decke abgebrochen. Das Holzziegeldach auf der Kirche und dem Thurme herabgethan... und mit neuen Ziegelblatten bedeckt." Vom Ende des Jahres 1837 bis 1839 und nochmals 1842/43 wurde die Innenausstattung erneuert, beginnend mit Schnitz-, Schreiner- und Maler-Arbeiten. "Die Altäre wurden in ganz weissen, dauerhaften Alabaster gelegt, mit angemessener Vergoldung. Die Kanzel und Statuen ebenso. Alle übrigen Faßarbeiten sind von Silberfarb." Man kann sich gut vorstellen, daß diese Ausstattung leicht und duftig gewirkt hat, aber - wie Detzel schreibt - "eine solche silberweiße Renovation der Kirche in die Länge der Zeit nicht Stand halten" konnte.

Innenausstattung

Das war dann auch der Grund, daß die Pfarrkirche in den Jahren 1889/90 "eine gründliche und kunstgerechte Restauration ... durch den kunstsinnigen Pfarrer Heinrich Detzel" erfuhr. Wörtlich schreibt er: "Schon vor Verfluß von 50 Jahren war das Kirchlein in einen Zustand gekommen, der laut nach einer abermaligen Restauration rief." In seinem ausführlichen Beitrag begründet und beschreibt der gleichermaßen als Kunsthistoriker angesehene Geistliche sein Vorhaben. Detzel entschied sich für eine vollkommene Erneuerung des Inneren, das sich harmonisch in die vorgegebene Architektur des Kirchenbaus einfügen sollte. Für die Ausmalung gewann er den Historienmaler Ferdinand Kaltenbacher aus München. An der Decke des Kirchenraums schuf der Künstler in fünf Darstellungen die Geheimnisse des glorreichen Rosenkranzes, wobei die einzelnen Bilder in Medaillonform umrahmt wurden. Mit schwunghaftem Laubornament wurden die fünf Darstellungen zu einer Einheit verbunden, so daß "die Gesamtwirkung eine prächtige" war. Auch die schöne Architektur des Chors hat Detzel durch Bemalung der Zwickel im Gewölbe hervorheben lassen. Dort entstand eine in abendländischen Kirchen seltene Darstellung der neun Chöre der Engel. Mit Ausnahme der beiden Seitenaltäre erhielt die Kirche insgesamt eine neue Ausstattung: Hochaltar, Kanzel, Chorstühle und Kommunionbank, insbesondere Plastiken entstanden neu. Pläne hierzu lieferte im wesentlichen der Ravensburger Bildhauer Moriz Schlachter.

Renovation

Doch die ganz dem neugotischen Stil verpflichtete Arbeit fand 60 Jahre später kaum noch Verständnis. Zur Begründung der 1958 unter Pater Leutfried Heck eingeleiteten, sukzessiv durchgeführten Restaurierung schrieb Stadtpfarrer Endrich, wie Detzel ebenfalls Vorstand des Kunstvereins der Diözese Rottenburg: "Die Kirche beweist die künstlerische Unmöglichkeit, historische Stilformen in einer Zeit kopieren zu wollen, der sie nicht mehr angehören. Handwerklich noch so gut gekonnte Einzelleistungen vermögen daran nichts zu ändern. Der Raum entbehrt deshalb sowohl der Feierlichkeit wie der Intimität. Eine Restaurierung ist notwendig und wird dem Kircheninneren ein wesentlich würdigeres und feierlicheres Gepräge verleihen." Ziel des von der Diözese unterstützten Vorhabens war es wohl, den damals überladen erscheinenden Kirchenraum wieder lichter zu gestalten. Bei dieser im wesentlichen vom Ravensburger Restaurator Reinhold Leinmüller durchgeführten Innenrenovierung wurde - mit Ausnahme neugotischer Figuren - praktisch die gesamte Ausstattung entfernt, ebenso die reiche Ausmalung in Chor- und Kirchenschiff beseitigt. 1973 schloß sich eine Außenrenovierung mit einer Neueindeckung von Turm und Kirchendach an. Und nochmals zwei Jahre später, immer noch unter dem tatkräftigen Pater Leutfried Heck, wurde u.a. der Kirchenraum neu ausgemalt.

Bei der 1993/94 unter Architekt Suso Jutz und Restaurator Herbert Eninger durchgeführten Erneuerung des Innenraums wurden im besonderen die verschiendenen Ebenen von Chor, Seiten-Altären und Kirchenschiff wieder harmonisch auf zwei Ebenen zurückgenommen. Außer der bereits beschriebenen Öffnung des Empore-Fensters wurde der Windfang im Westen neu gestaltet.

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